Sie sind hier

Coronablog

Wohnen an der Dufourstrasse

Was hat mich überzeugt, an die Dufourstrasse in Biel zu ziehen? Da war sicher mal der kurze Arbeitsweg: Die Strasse runterradeln, beim Hotel Dufour links abbiegen, am Kanal entlang bis zum Zentralplatz und durch den Bahnhof zur Redaktion.

Bild: bt/a
  • Dossier

Sarah Grandjean, Stagiaire Region

Da war die Möglichkeit, hin und wieder über Mittag nach Hause fahren zu können. Und die kleine Bäckerei gleich gegenüber meiner Wohnung war bestechend. Überhaupt die Nähe zu allem: Ich, die immer ein Stück ausserhalb irgendeines kleinen Ortes gewohnt habe, wollte mal mitten in der Stadt leben. In der Nähe von Bars, Bushaltestellen und Gemüsemärkten. Ich wollte am Freitagabend spontan ein Konzert besuchen können, ohne mir vorher darüber Gedanken machen zu müssen, wie ich mitten in der Nacht nach Hause kommen würde. Mir gefielen die belebten Strassen, die Musikfetzen aus offenen Fenstern, die Gäste vor den Bars.

Und nun? Der Arbeitsweg ist noch kürzer geworden: vom Schlafzimmer ins Bad, durch die Küche und zurück ins Schlafzimmer, das längst auch als Arbeitszimmer dient. Mittlerweile wäre es etwas Besonderes, mal wieder anderswo als zuhause im Homeoffice zu Mittag zu essen. Die Einkaufsstrassen sind menschenleer, die Tische und Stühle vor den Restaurants zusammengeschoben und angekettet – an spontane Konzertbesuche ist derzeit nicht zu denken.

Was mir fehlt, sind weniger die langen Abende mit Freunden, das Auswärts-essen-gehen oder ein Arbeitsweg. Was mir fehlt, ist dieses Gefühl von 
Leben an jeder Ecke. Umgeben zu sein von Menschen, die mit ihren Plänen und Zielen und vielleicht einem Lächeln kurz meinen Weg kreuzen. Umso mehr freue ich mich darauf, wenn dieses Gefühl zurückkehrt. Ich freue mich darauf, wenn ich wieder jeden Morgen mein Fahrrad aus dem Gartentor schieben und zur Redaktion fahren kann, wenn wieder Menschen durch die Bahnhofstrasse bummeln und Kleiderbügel an den Kleiderstangen herumschieben, wenn vor dem Hotel Dufour wieder Gäste sitzen und einen Aperitif trinken. Und es hat schon begonnen: Seit Anfang dieser Woche brennt in der Bäckerei gegenüber wieder Licht. Gestern früh bin ich zum ersten Mal seit Wochen über die Strasse und durch die Glastür gegangen und habe ein frisches Brot gekauft. Seither sehe ich von der Küche aus ständig Kunden die Bäckerei betreten oder verlassen. Und das macht mich irgendwie glücklich.

sgrandjean@bielertagblatt.ch

Nachrichten zu Biel »