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Biel

Zensur beim «Bieler Tagblatt»?

Im Zweiten Weltkrieg bestand das BT grossteils aus Kriegsberichterstattung. Und einmal pro Woche wurden die Geschehnisse «von unserem militärischen Mitarbeiter» zusammengefasst. Eine Funktion, die Rätsel aufgibt.

Die Weltlage war eine Kriegslage: Jede Woche ordnete das BT die verschiedenen Kriegshandlungen für seine Leser ein. Reproduktion: Peter Samuel Jaggi
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Beat Kuhn

In der Serie «Zeitreise» wird jeweils auf eine herausstechende Tagesaktualität aus der Region zurückgeblickt. Während des Ersten (1914-1918) und Zweiten (1939-1945) Weltkriegs bestand das «Bieler Tagblatt» allerdings grossteils aus Kriegsberichterstattung.

Aus diesem Grund soll auch dieses dominante Thema für einmal gewürdigt werden. Letztlich blieb die Schweiz zwar von beiden Katastrophen verschont. Das konnte aber niemand vorhersehen. Man musste vielmehr mit dem Schlimmsten für unser mitten in Europa gelegenes Land rechnen – Neutralität hin oder her.

Militärischer Leitartikel

Während des Zweiten Weltkriegs gab es neben der laufenden Berichterstattung von den verschiedenen Fronten, die das BT natürlich extern einkaufen musste, auch allwöchentlich eine Zusammenfassung der Geschehnisse. Diese war jeweils prominent auf der ersten Seite platziert. Der Titel lautete fix «Die Kriegslage».

Von der Aufmachung her kamen diese Texte einem Leitartikel nahe. Inhaltlich waren sie es aber nur insofern, als darin eine Einordnung vorgenommen wurde. Eine Kommentierung erübrigte sich hingegen, zumal man in der Schweiz natürlich einhellig für einen Sieg der Alliierten war.

Anonymer Text

Gezeichnet war «Die Kriegslage» jeweils mit «von unserem militärischen Mitarbeiter» – ohne Namen. Was hat man sich unter dieser Funktion vorzustellen? Und: War diese Person frei in dem, was sie schrieb, oder musste sie Scheuklappen des Militärdepartements berücksichtigen – dem übrigens erst 1979 das Adjektiv «Eidgenössisches» vorangestellt wurde?

Bei der Bibliothek am Guisanplatz in Bern, die aus der Schweizerischen Militärbibliothek hervorgegangen ist, weiss man es nicht, wie Anna Katharina Weltert von deren Forschungsdienst einräumt.

Auch Pascal Ihle, auf den sie verweist, weil er seine Doktorarbeit zur Pressezensur im Zweiten Weltkrieg verfasst hat, muss passen. So liege seine Dissertation einerseits weit zurück, andererseits sei das Seeland «eine Region, mit der ich nicht vertraut bin». Ihle ist heute für die bekannte Berner Kommunikationsagentur Furrerhugi tätig.

Keine Vorzensur

Im Ersten Weltkrieg habe es keine Vorzensur auf den Redaktionen gegeben, sagt Sebastian Steiner von der Abteilung Neueste Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Bern  «Das wäre auch viel zu aufwendig gewesen.» Im Nachhinein seien aber oftmals Mahnungen oder Strafen ausgesprochen worden, wenn Artikel aus Sicht der Bundesanwaltschaft, der Militärbehörden oder der Pressekontrollbüros die Neutralität gefährdeten, kriegführende Länder beleidigten oder darin militärische Geheimnisse verraten wurden.

BT-Redaktor im Dienst?

Yves-Alain Morel, Kantonsschullehrer in Winterthur, hat sich in seiner Dissertation unter anderem mit der Abteilung Heer und Haus der Armee beschäftigt. Sie gilt als wichtigstes Werkzeug zur Stärkung des Wehr- und Widerstandswillens im Zweiten Weltkriegs, der sogenannten Geistigen Landesverteidigung. Die Abteilung habe zwar viele Aufklärungsveranstaltungen für Soldaten und die Zivilbevölkerung durchgeführt, «doch bin ich in keinen Akten darauf gestossen, dass sie eine Art Verbindungsoffiziere in den Redaktionen gehabt hätte».

Morel vermutet, dass das BT immer wieder den einen oder andern Redaktor im Militärdienst gehabt und ihn dann vollmundig als militärischen Mitarbeiter bezeichnet habe. Im Ersten Weltkrieg habe es tatsächlich eine Zeit lang eine militärische Stelle gegeben, die die Zeitungen mit Informationen versorgt habe. «Doch mit Zensur hatte das nichts zu tun.»

Nur im Krieg Zensur

Eine Zensurbehörde gab es indes durchaus – wie jedes Land im Kriegsfall eine hat: Die Abteilung Presse und Funkspruch der Armee (APF) wurde 1939 gegründet. Sie sollte einerseits den Schutz militärischer Geheimnisse sicherstellen, anderseits die Neutralität des Landes wahren.
Als Unterabteilung der APF betrieb die Armee auch eine Presseeabteilung. Diese belieferte die Medien mit Communiqués und Fotos oder beantwortete Anfragen von Journalisten. Sie kochte allerdings auf sehr kleinem Feuer, bestand sie doch aus lediglich zwei, drei Offizieren sowie Hilfspersonal. Neben den Einschätzungen der Fachleute deutet auch dieser Umstand darauf hin, dass der «militärische Mitarbeiter» des BT kein Vertreter der Armee war.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde die Zensurtätigkeit der APF eingestellt. Die Organisation selbst blieb bestehen, allerdings nur für das Informieren der Bevölkerung in Krisenlagen. Nach 65 Jahren wurde die APF, die inzwischen einen Bestand von 2000 Personen hatte, Ende 2004 aufgelöst. Man befand, dass die Medien ihren Informationsauftrag auch in Krisenlagen würden erfüllen können.
Das Ende der APF hat übrigens ein Seeländer besiegelt: Im November 2003 verabschiedete der damalige Verteidigungsminister Samuel Schmid aus Rüti die Abteilung an einem Schlussrapport in Freiburg.

 

Stichwörter: Biel, Zensur

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