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Biel

«Zur medizinischen Behandlung gehört eine soziale Therapie»

Vor sechs Monaten hat die Psychiatrie Münsingen am Spitalzentrum Biel eine Station für Krisenintervention eröffnet. Damit wurde eine Versorgungslücke in der Region geschlossen. Zeit für eine erste Bilanz.

Rolf Ineichen, Bild: Yann Staffelbach

Maeva Pleines/pl

Vom Spitalzentrum Biel (SZB) führt der Weg bergwärts zu einem gelben Gebäude. Es steht inmitten eines naturnahen Gartens mit bunten Blumen. Dort ist die Kriseninterventionsstation Biel (KIB) untergebracht. Die vom Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) geführte Abteilung wurde im Februar eingeweiht. Sie bietet Platz für zwanzig Patienten. Ein Team von Ärztinnen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Sozialarbeitenden und Fachtherapeuten steht für die stationäre Behandlung im Einsatz. «Wir unterstützen Menschen, die in einer schwierigen Lebenssituation in eine psychische Notlage geraten sind», erklärt Rolf Ineichen, Psychiater am KIB.

Der Facharzt zieht eine «sehr positive Bilanz» aus dem ersten Betriebshalbjahr der Station. Zuerst galt es, die notwendigen Fachkräfte einzustellen, was sich als ambitionierte Aufgabe erwies. Die Einrichtung konnte zu Anfang nur eine Handvoll Patienten betreuen. Inzwischen ist ihre Anzahl von 6 auf 15 gestiegen. Die Station ist im Idealfall für 18 Personen ausgelegt. Im Notfall stehen weitere vier Betten zur Verfügung. «Wir rechneten mit einem Ansturm von Anfragen, denn das Angebot an stationären psychiatrischen Behandlungsplätzen ist in der Region ungenügend», erklärt Ineichen. Dass die Klinik nicht überlastet wurde, schreibt er der fehlenden Bekanntheit des KIB zu: «Wir müssen uns in der öffentlichen Wahrnehmung stärker positionieren.»

 

Angebote ergänzen sich

Der Facharzt unterstreicht die gute Zusammenarbeit mit der Psychiatrie des Hôpital du Jura bernois. Die Kollegen aus der Romandie befürchteten zu Beginn, die Bieler wollten mit ihnen in Konkurrenz treten, «aber wird ergänzen uns gegenseitig und entwickeln sogar gemeinsam gleiche Dienstleistungen», präzisiert Rolf Ineichen.

Trotz seiner langen Erfahrung als Direktor des PZM zeigt sich der Arzt erstaunt über die Vielfalt der seelischen Probleme der Bieler Patienten und Patientinnen. Er freut sich, dass er vielen jungen Menschen helfen darf, denn die Beschwerden liessen sich in dieser Lebensphase rascher lindern. Der Psychiater stellt in seiner Station positive Behandlungsergebnisse in kurzer Zeit fest: «Das verdanken wir unserer ganzheitlichen Sicht. Neben der medizinischen Betreuung braucht es vor allem eine soziale Therapie.»

 

Verschiedene Ansätze

Dieser Ansatz entfaltet sich in der kleinen, wohlwollenden Gemeinschaft des KIB, wo Verurteilungen keinen Platz haben. Viele Patientinnen wenden sich an die Einrichtung, weil sie an Angststörungen oder Depressionen leiden. Diese Symptome können zu einer Abkoppelung vom sozialen Umfeld führen. Daher begleiten die Therapeuten diese Menschen bei ihrer Integration, indem sie ihre persönlichen und beruflichen Ressourcen mobilisieren. Die Station bietet Gesprächsgruppen, Gymnastik und Maltherapie an. Körperliche Bewegung gehört zu Schwerpunkten. «Die Lage unseres Hauses ist ideal für Spaziergänge in der Natur», ergänzt Rolf Ineichen.

Der Arzt zeigt uns ein Beispiel seiner therapeutischen Methoden. Dafür nimmt er eine weisse Metalltafel mit bunten Magneten hervor. Die roten Plaketten symbolisieren die Probleme des Patienten, die grünen bezeichnen die Ressourcen, die gelben stellen die Ziele dar und die schwarzen stehen für Suizidgedanken. «Beim Eintritt ins KIB erstellen wir das persönliche Symbolbild auf der Tafel und machen ein Foto davon. Dann erarbeiten wir einen gemeinsamen Aktionsplan. Im Laufe der Behandlung zeigen sich Veränderungen in der Anordnung der Magnete, sodass wir die Entwicklung konkret nachvollziehen können», erklärt Ineichen.

Trotz des Erfolgs kämpft die kleine Interventionsstation mit Herausforderungen. Es werden nämlich immer noch Mitarbeitende gesucht. Trotzdem steht die Einheit rund um die Uhr offen. Über Nacht hat stets ein Arzt Dienst. Eine weitere Aufgabe bestehe im Aufbau des Teamgeistes in der frisch geschaffenen Therapeutengruppe. Dazu gehöre auch die Verbesserung der sprachlichen Kompetenz im zweisprachigen Biel, so der Facharzt.

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