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«Ich bin überzeugt, dass es ewiges Leben gibt»

Die Vorstellung, dass Leben nie ganz endet, nimmt dem Philosophen Markus Waldvogel die Angst vor dem Sterben. Sterben lernen könne man aber nicht, erzählt er im Podcast «Sags Frei».

Markus Waldvogel ist in Schaffhausen aufgewachsen und lebt heute mit seiner Frau in Leubringen.  Haf
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Interview: Hannah Frei


Markus Waldvogel, früher Tod oder ewiges Leben?
Markus Waldvogel: Ewiges Leben.

Wieso?
Ich lebe extrem gern. Meine Antwort entstand also mittels Ausschlussverfahren. Und ich bin davon überzeugt, dass es ein ewiges Leben gibt – vergleichbar mit dem Energieerhaltungssatz. Es geht nichts wirklich verloren. Aber das spielt sich in Dimensionen ab, die wir uns nicht vorstellen können.

Aber wenn Sie ewig leben, dann fliesst ja alles andere an Ihnen vorbei und alle sterben weg ...
Das stimmt einerseits: Aber bei meiner Überlegung war die Zustimmung für das Leben einfach zu gross, als dass ich einen frühen Tod hätte wählen können. Es stellt sich schliesslich die Frage, was Leben ist. Für mich geht es um ein Einzelbewusstsein. Jeder Mensch ist ein Einzelfall. Und entstanden ist das Leben ja aus dem Nichts. Ich bin nun bereits etwas näher an der Tischkante als Sie, wenn der Tisch die Erde wäre. Der Grundgedanke des ewigen Lebens ist für mich eine Dimension höher als alles, das man rational begründen kann.

Nimmt Ihnen das die Angst vor dem Tod?
Ja, bestimmt. Klar fürchte ich den Tod auch. Besonders, wenn es mir gesundheitlich nicht so gut geht. Dann frage ich mich, weshalb wir da alle durchmüssen. Aber im Grunde genommen gehe ich davon aus, dass wir zu einem Ganzen dazugehören, einem riesigen offenen System. Diese Vorstellung beruhigt mich.

Kann man sich also auf den Tod vorbereiten?
Da gibt es zwei Grundsätze: Leben ist sterben lernen oder der Tod kommt sowieso – ich ziehe das Leben-Lernen dem Sterben-Lernen vor. Ich denke, man kann sich mit der Angst vor dem Tod auseinandersetzen, um diese etwas zu lindern. Aber sterben lernen kann man nicht. Ich finde aber, dass das Zeitverschwenden in der Fun-Gesellschaft etwas Teuflisches hat. Wenn man merkt, dass einem nicht mehr viel Zeit bleibt, man aber noch Dinge erleben möchte. Dahinter steckt ein Drang, so viel wie möglich erleben zu wollen, von einer Begegnung zur nächsten zu springen. Das Schnelle, das Knallige. Als Jugendliche bezeichneten wir solche Menschen als «Weltfresser». Ich finde es dagegen schön zu erleben, dass ich auch langsam kann.

Wie merken Sie das?
Ich habe Freunde, die fast jeden Abend im Ausgang sind. Die Pandemie ist für sie schrecklich. Ich versuchte hingegen die Gelegenheit zu nutzen, um darüber nachzudenken, weshalb überhaupt immer Action sein muss. Ich mag Feste. Aber wenn es agonisch wird und du immer raus musst, nur um nicht alleine zu sein, dann bist du wirklich einsam. Dieses Gefühl habe ich nicht.

Wechseln wir das Thema – und den Ort: Stellen Sie sich vor, Sie würden in der Leubringen-Bahn festsitzen. Wären Sie lieber mit Stadtpräsident Erich Fehr oder mit Gemeinderat Beat Feurer im selben Abteil?
Mit Beat Feurer. Mit ihm würde ich über die Fahrenden reden. Ihm wird ja im Moment vorgeworfen, er müsse als SVP-Mann nun hart durchgreifen und dafür schauen, dass die Fahrenden verschwinden. Er ist bei diesem Thema eine Schlüsselfigur. Mich würde es sehr interessieren, zu hören, wie Herr Feurer das Ganze wahrnimmt und was er denkt. Was Herr Fehr denkt, kann ich mir in etwa zusammenreimen. Dafür muss ich nicht mit ihm ins «Bähnli» sitzen.

Denken Sie gleich wie Erich Fehr?
Nein, aber ich kann mir in etwa vorstellen, wie ein «Sozi» denkt. Feurer ist für mich hingegen rätselhafter und daher auch spannender.

Was beschäftigt Sie denn persönlich auf politischer Ebene?
Ich war einer der frühen Grünen. Wenn es um ökologische Fragen geht, werde ich wach. Aktuell steht ja die Trinkwasserqualität im Zentrum.

Wie werden Sie abstimmen?
Ich werde wahrscheinlich aus strategischen Gründen zweimal Ja stimmen bei den Agrarinitiativen. Um zu zeigen, dass in diesem Bereich etwas gehen muss. Die Ehe für Alle, über die wir im September abstimmen werden, finde ich hingegen unsinnig. Vielmehr würde ich die Ehe abschaffen. Denn die Ehe wurde zu einem zu tiefst sozial ungerechten Vehikel, besonders, wenn es um die Rente geht. Verheiratete werden benachteiligt. Und das kann ja nicht sein.

Sollte man denn die Ehe nicht eher reformieren statt abschaffen?
Ich finde, die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle ist die bessere Form. Es ist erstaunlich, dass die LGBTQ-Gruppe, die ja als jung und modern gilt, ein solch veraltetes Vehikel wie die Ehe will. Da wäre ich eher für eine Individualbesteuerung, um diese finanzielle Ungerechtigkeit bei Eheleuten abzuschaffen. Und bei der Ehe für Alle: Wo bleiben da die Polyamourösen? Was machen wir mit ihnen?


Info: Weshalb Markus Waldvogel trotz seiner Kritik am «veralteten Vehikel Ehe» geheiratet hat, erzählt er im Podcast «Sags Frei». Sie finden die Audiospur hier oder auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und Apple-Podcast.

 

 

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