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«Lügen musste ich nie»

17 Jahre in der Kommunikation der SBB, 15 Jahre als Sprachrohr der Berner Regierung: Christian Kräuchi weiss, wie man etwas sagen muss – und was besser nicht. In der neuen Folge «Sags Frei» erzählt der Lysser, wann er ins Schwitzen kam.

Der 63-Jährige hat Ende Jahr sein Büro bei der Berner Regierung geräumt. Keystone
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Interview: Hannah Frei

 

Christian Kräuchi, Sie sind ja Experte darin, schlechte Nachrichten schön zu verpacken. Ist das denn überhaupt noch die Wahrheit?

Christian Kräuchi: Ich sah mich immer in einer Advokatenrolle, als Anwalt der Berner Regierung und Verwaltung, aber auch als Anwalt der Medienschaffenden. Ich war quasi ein Scharnier, musste auf beiden Seiten für Verständnis sorgen. 


Sie waren 17 Jahre lang in der Kommunikation bei der SBB, danach 15 Jahre das Sprachrohr der Berner Regierung. Können Sie heute sagen, dass Sie in all dieser Zeit nie lügen mussten?

Lügen musste ich nie. Manchmal haben wir vielleicht etwas zugewartet, bis wir eine Information herausgegeben haben – die Journalistinnen und Journalisten wollen ja meist sofort eine Auskunft, auch wenn noch gar kein Entscheid gefallen ist. Aber ich habe mich immer der Wahrheit verpflichtet gefühlt. Und ich bin stolz darauf, dass mir dies in den 32 Berufsjahren auch gelungen ist.

 

Was war in all den Jahren ihre grösste Panne?

Schwierige Situationen gab es ganz viele. Aber eine Panne? Da muss ich überlegen. Ah, doch: Es war vor rund 20 Jahren, als der Strom für mehrere Stunden ausgefallen ist und die Züge dementsprechend während vier Stunden nicht fuhren. Am Bahnhof Bern veranstalteten wir eine Medienkonferenz. An diesem Tag klingelte mein Telefon ununterbrochen. Journalisten aus der ganzen Schweiz und sogar aus dem Ausland wollten eine Auskunft. Als mich einer der Journalisten fragte, wie er denn zum Bahnhof gelange, meinte ich nur: Na mit dem Zug. Erst dann fiel mir auf, dass diese Antwort in dieser Situation nicht sehr hilfreich war.


Das klingt eher süss als nach einer grossen Panne.

Besonders schwierig für mich war es vor gut zehn Jahren, als es um die Saläre der Regierungsmitglieder ging. Von einem Tag auf den anderen beurteilten die Medien es als völlig daneben, dass die Regierungsmitglieder nebst dem normalen Lohn noch eine Verwaltungsratsentschädigung erhalten. Das sorgte für extrem viele schwierige Diskussionen und führte dazu, dass die Regierungsmitglieder auf die Entschädigung verzichteten. Das Ganze wurde medial als Skandal bezeichnet, was es definitiv nicht war. Was die Regierung tat, war rechtlich abgestützt.


Also hätten die Regierungsmitglieder Ihrer Meinung nach weiterhin Verwaltungsratsentschädigungen erhalten sollen?

Nein, es ist sicher besser so, wie es heute ist. Aber man hätte dies in einem ordentlichen Verfahren lösen sollen und nicht mit einer Hauruck-Übung, die medial noch so stark aufgebauscht wurde. Das war keine schöne Situation für uns. Die Regierungsmitglieder wurden mehrfach attackiert.

 

Von den Medien?

Wer die Quelle dafür war, ist immer schwierig zu sagen. Die Medien nehmen zum einen die Stimmung der Bevölkerung auf, zum anderen können sie auch Stimmung in der Bevölkerung machen. Einer fing mal damit an, danach liefen alle in dieselbe Richtung. Das Verständnis für die Regierungsmitglieder war sehr gering.


Hatten Sie jemals Streit mit einem Journalisten oder einer Journalistin?

Relativ selten. Ich hatte ja tausende Medienkontakte in den letzten Jahrzehnten. Und die meisten waren sehr positiv, in einem starken Vertrauensverhältnis. Aber einmal hat ein Journalist ein Gespräch publiziert, das ich mit den Regierungsmitgliedern geführt haben soll. Dabei war das frei erfunden. Der Journalist sagte dann, es gebe eine Quelle, man habe dies so übernommen. Aber das stimmte nicht. Für mich war das sehr unangenehm.


Sind Sie eigentlich auch privat ein Gesprächsprofi?

Die Seele der Politik ist die Diskussion. Wenn man weiterkommen will, muss man miteinander reden, auch privat.


Als Sie Kind waren, durfte man da am Tisch zusammen streiten?

Ja, das wäre fast nicht anders gegangen. Schliesslich habe ich ja zwei Geschwister. Da flogen schon einmal die Fetzen.


Durfte man auch mit den Eltern streiten?

Schon, ja. Aber mein Vater war schon eine ziemlich autoritäre Person. Wir haben jedoch trotzdem versucht, uns zu messen.


Inwiefern autoritär?

Er hat eine starke Persönlichkeit und hatte damals seine Vorstellungen, wie etwas abzulaufen hat. Er gehört noch zur Kriegsgeneration, sein Vater war im Dienst an der Grenze. Da hat man nicht so lange mit den Kindern diskutiert, wie man das heute macht.

 

Inwiefern sind Sie ein anderer Vater als er?

Ich bin wohl eher wie meine Mutter. Sie suchte stets das Gespräch und den Ausgleich. Und mein Vater ist eher gewerkschaftlich organisiert, war früher sehr links, geprägt durch den Klassenkampf. Ich hingegen bin schon eher links angesiedelt, aber mit einem sehr liberalen Verständnis. Der Meinung, die die Gewerkschaft vertritt, stimme ich längst nicht immer zu.


Sind Sie noch Mitglied der SP?

Ja, aber eher auf der politisch rechten Seite der Partei angesiedelt.


Sie sind ja auch für die Erhöhung des Rentenalters.

Genau.


Aber weshalb lassen Sie sich denn nun mit 63 Jahren pensionieren?

Ich habe Vorarbeit geleistet, um mir dies zu ermöglichen. Die Rente kommt ja trotzdem erst in zwei Jahren. Bis dahin lebe ich von Erspartem. Aber das ist es mir wert.


Weshalb wollen Sie jetzt schon mit der Arbeit aufhören?

Viele meiner Freunde und Kollegen sind nun im Rentenalter. Und alle sagen sie: Wenn man es sich leisten kann, ein paar Jahre früher aufzuhören, soll man es wagen. Das lohne sich …

 

Info: Was Christian Kräuchi als Rentner alles vor hat und welchen Schicksalsschlag er letztes Jahr erleben musste, hören Sie in der neusten Folge «Sags Frei» auf Spotify, Apple-Podcast oder hier:

 

 

 

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