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«Mir gefällt auch Technomusik in einer Disco»

Der Bieler Sicherheitsdirektor Beat Feurer tanzt gerne Walzer, kann aber auch ganz anders. Im Podcast «Sags Frei» erzählt er, wie er vom braven Kirchgänger zum Partygänger wurde.

Gemeinderat Beat Feurer (SVP) ist heute zwar nicht mehr Mitglied einer Freikirche, er besucht jedoch noch regelmässig die Gottesdienste. Matthias Käser/a
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Interview: Hannah Frei
 
Beat Feurer, einen Gott oder mehrere Götter?
Beat Feurer: Einen Gott.
 
Gibt es denn nur den einen?
Ja, ich glaube, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der sich jedoch in verschiedenen Zeiten in verschiedener Weise ausgedrückt hat.
 
Wie ist denn dieser Gott?
Den Gott, den ich kenne, ist interessiert, er kümmert sich um uns und will wissen, wie es uns geht. Er gibt uns aber auch Freiheiten, und zwar in alle Richtungen. Wir sind frei, Gutes zu tun, aber auch ganz Schlechtes. Gott streckt sich jedoch auch nach uns allen aus. Ihm ist nicht egal, was wir machen. Er möchte uns dabei begleiten, den für uns richtigen Weg zu finden.
 
Was gibt Ihnen dieser Gott?
Die Suche nach ihm und das Gespräch mit ihm sind für mich Momente, in denen ich mich selbst immer wieder infrage stelle und versuche, auf die innere Stimme zu hören.
 
Wie oft beten Sie?
Für mich gehört dies zum täglichen inneren Gespräch. Aber nicht nur dann, wenn ich mich morgens hinknie und bewusst bete, sondern auch über den gesamten Tag verteilt. Ich frage mich jeweils: Was will ich in mein Herz lassen – und was nicht.
 
Als Sie sich als Homosexueller geoutet haben, wurden sie aus der Freikirche Jahu ausgegrenzt. Weshalb nehmen Sie auch heute noch an Gottesdiensten dieser Glaubensgemeinschaft teil?
Ich bin kein Mitglied mehr. Aber ja, ich gehe noch ab und zu an die Gottesdienste. Es ist mir nach wie vor wichtig, eine Herausforderung in meinem Gedankenkonstrukt zu haben, mich zu hinterfragen. Es ist auch das Glaubensleben, das ich damit pflegen möchte. Zudem gibt es zwischen der Gemeindeleitung und mir seit einiger Zeit ein Gespräch über Homosexualität und den Glauben. Und ich denke, dass wir dadurch einen wichtigen und wertvollen Weg zusammen eingeschlagen haben. Das Verständnis von ihrer Seite her für meine Lebensrealität ist seither gewachsen. Auch ich habe mehr Verständnis für ihre Bedenken und ihre Anliegen rund um dieses Thema. Dies ist nicht nur für mich wichtig, sondern auch für andere, die sich in diesem Milieu bewegen.
 
Sie hätten sich aber auch einer anderen Glaubensgemeinschaft anschliessen können. Weshalb haben Sie das nicht getan?
Diese Frage stellte ich mir damals auch. Weshalb sollte ich in einer Glaubensgemeinschaft bleiben, die mich nicht willkommen heisst? Aber für mich waren zwei Punkte ausschlaggebend: Ich hatte viele gute Beziehungen zu Menschen dieser Gemeinschaft, die ich nicht aufgeben wollte. Und wenn sich Menschen ausgrenzen lassen, verschwindet mit ihnen auch das Thema, das den Konflikt ausgelöst hat. Dies wollte ich nicht. Ich wollte, dass sich das gemeinsame Verständnis verändert. Und deshalb bin ich geblieben.
 
Empfinden Sie heute gar keinen Konflikt mehr zwischen der Freikirche und Ihrer Sexualität?
Für mich persönlich nicht, nein. Aber ich glaube, dass es diesen Konflikt für viele andere Personen immer noch gibt. Das kann man nicht leugnen. Die Haltung gegenüber Homosexualität ist jedoch zurzeit in vielen Freikirchen im Gespräch und wird immer differenzierter.
 
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie an die Gottesdienste gehen?
Grundsätzlich vollkommen entspannt. Und wenn nicht, dann eher wegen meiner Rolle als Gemeinderat als aufgrund meiner Sexualität. Denn an den Gottesdiensten möchte ich eigentlich nicht Sicherheitsdirektor sein, sondern einfach mich selbst.
 
Wo sind Sie denn ganz sich selbst?
Zuhause mit meiner Familie, mit meinem Partner oder unterwegs mit meinen Freunden. Da hilft es auch manchmal, die Stadt zu verlassen. Anderswo bin ich oft entspannter. Weil hier in Biel bin ich nie sicher, wie ich wahrgenommen werde, als was mich die Leute sehen. Das ist nicht immer einfach.
 
Wann waren Sie das letzte Mal im Bieler Chessu?
Vor zwei bis drei Jahren. Alain Pichard hat damals mit seinen Schülerinnen und Schülern ein Theater aufgeführt. Der Chessu ist aber nicht mein Lieblingsort.
 
Waren Sie schon einmal dort zum Tanzen?
Nein. Getanzt habe ich an vielen Orten, aber eher in Bern und Zürich.
 
Wie tanzen Sie denn?
Ich mag den klassischen Tanz gerne, also den Walzer. Den habe ich schon früh gelernt. Auch Standardtänze tanze ich sehr gerne. Aber mir gefällt auch Technomusik in einer Disco. Es gab eine Zeit, zwischen 45 und sagen wir 52 Jahren, in der ich mit meinen Freunden oft in Clubs unterwegs war.
 
Mit 45 Jahren haben Sie sich geoutet. Ist diese Ausgehphase daran gekoppelt?
Ja, vorher war ich fokussiert auf meine «Familie», meine Firma und ein braver Kirchengänger. Partys haben damals nicht dazugehört. Mit meinem Outing fand ein Perspektivenwechsel statt. Ich stellte fest, dass ich das Bedürfnis hatte, andere Menschen kennenzulernen, und ich freundete mich mit anderen homosexuellen Frauen und Männer an, mit denen ich gerne in den Ausgang ging. Dadurch hat sich mein Leben verändert ...
 
Info: Weshalb Beat Feurer heute kaum Alkohol trinkt und weshalb er das letzte Stück Kuchen niemals liegen lassen würde, erzählt er bei «Sags Frei». Den Podcast hören Sie auf Apple Podcast sowie Spotify oder in der Audiospur unten.
 
 

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