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«Mit Menschen, die ständig jammern, kann ich nichts anfangen»

Am liebsten alles, sofort: Die Bieler Kulturveranstalterin Tina Messer rannte lange von einem Projekt zum nächsten – bis es nicht mehr ging. Heute macht sie es wieder, aber anders.

Ihre Dachterrasse ist für die 36-Jährige ein Ort, der ihr hilft, zu reflektieren.  haf
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Interview: Hannah Frei
 
Tina Messer, Chessu oder Le Singe?
Tina Messer: Chessu! Dort habe ich meine kulturellen Wurzeln. Dort hat alles angefangen. Ich habe mich – das darf ich fast nicht sagen – mit 13 Jahren zum ersten Mal dort rein geschmuggelt. Ich glaube, meine Mutter wusste damals nicht, wo ich bin. Es spielte eine abgefahrene Punkband. Alle waren als Frauen verkleidet und wir haben auf Besen getanzt. Im Nachhinein frage ich mich: War das die Band Puts Marie? Für mich hat sich dadurch eine neue Welt aufgetan. Der «Chessu» ist ein Ort, an dem man sich ausprobieren kann, Neues wagen. Das sollte unbedingt erhalten bleiben.
 
Welche Erinnerungen haben Sie heute noch an diese erste «Chessu»-Nacht?
Puh, so lange sind wir gar nicht geblieben. Irgendwann wurde es uns zu viel, weil die Leute anfingen zu pogen. Dann haben wir uns wieder nach Hause geschmuggelt. Geblieben sind mir die ganz unterschiedlichen Leute und die Gelassenheit, die an diesem Ort wie kaum an einen anderen zu spüren war.
 
Lange waren Sie in das «Chessu»-Umbauprojekt involviert, agierten als Sprachrohr nach Aussen. Irgendwann kam es aber zu einem Schnitt zwischen Ihnen und der «Chessu»-Gruppe. Was ist da passiert?
Für mich war es kein Schnitt, eher ein Prozess, der dazu geführt hat, dass ich heute beim Umbauprojekt nur noch am Rande involviert bin. Mit der Zeit organisierte ich nicht mehr nur in Biel Veranstaltungen, sondern in der ganzen Schweiz, war an zahlreichen Projekten beteiligt. Ich habe mich weiterentwickelt, wurde älter. Die Spielwiese «Chessu» wollte ich anderen überlassen. Dort sollen sich vor allem junge und frische Talente ausprobieren dürfen. Ich wollte niemandem den Platz wegnehmen. Der «Chessu» soll frei und semi-professionell bleiben.
 
Heute sind Sie Unternehmerin, haben vor kurzem mit Raphael Benz die Event- und Kommunikationsfirma Messer-Benz gegründet. Gleichzeitig sind Sie aber auch immer noch Teil der linken und alternativen Szene in Biel. Wie geht das zusammen?
Ich bewege mich dort, wo ich will. Ich habe mich nie nur einer bestimmten Szene zugehörig gefühlt. Neues interessiert mich sehr, unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Meinungen. Alles unter einen Hut zu bringen, sehe ich nicht problematisch. Es ist etwas Natürliches.
 
Wie links sind Sie denn?
Politisch habe ich mich ebenfalls nie auf eine Seite gestellt. Jahrelang war ich bewusst eher apolitisch, weil ich wusste, dass ich keines der Parteiprogramme mit gutem Gewissen unterschreiben könnte. Ich nehme mir aus jedem Programm das, was ich für richtig erachte, und Dinge, die mir besonders wichtig sind.
 
Was sind das für Dinge?
Freiheit und Offenheit, aber auch Innovation. Wir müssen mutig sein, um Neues zu wagen. Im Grundsatz geht es mir immer um Respekt. Und ich finde es wichtig, dass man eine positive Haltung hat. Mit Menschen, die ständig jammern, kann ich nichts anfangen. Die regen mich auf. Da sage ich immer: Jammere nicht, mach etwas, ändere etwas. Bei mir braucht es ziemlich viel, bis ich mich beschwere.
 
Wie gut können Sie selbst mit Kritik umgehen?
Ich habe mit den Jahren gelernt, damit umzugehen. Das muss man ja. Wenn man viel organisiert und ständig präsent ist, bietet man eine grosse Angriffsfläche. Ich filtere die Kritik, schaue, dass ich nicht alles an mich heranlasse. Nur das, was eben berechtigt ist. Ich bin da sehr rational. Damit habe ich in der Regel keine grosse Mühe.
 
Wie kritisch sind Sie mit sich selbst?
Sehr. Ich bin perfektionistisch veranlagt, versuche, die Dinge zu reflektieren, sie zu verstehen, und sie dadurch zu verbessern.
 
Wie kommt man mit dieser Haltung zu einem definitiven Ergebnis?
Mit dem Alter fällt einem dies leichter. Ich hatte aber auch Phasen, in denen es für mich schwierig war. Ich war klar überarbeitet. Wenn man jahrelang selbstständig ist, arbeitet man stets selbst und ständig.
 
Wie merkten Sie damals, dass es zu viel war?
Ich war ausgebrannt. Ein Burnout hatte ich nicht, ich mag den Begriff ohnehin nicht. Aber ich merkte: Wenn ich so weitermache, dann laufe ich fadengerade in ein Burnout hinein. Ich wusste, dass ich etwas ändern muss ...
 
Info: Wie Tina Messer aus dieser Spirale hinauskam und was ihr heute dabei hilft, nicht wieder in sie hinein zu geraten, erzählt sie in der neusten Folge «Sags Frei», zu hören auf Spotify, Apple-Podcast oder hier:
 

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