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Sehr klein, aber sehr fein

Apple TV Plus ist ein Streamingdienst, der noch nicht viele Inhalte anbieten kann. Trotzdem setzt Apple auf das neue Zugpferd, um Kundinnen und Kunden an das Unternehmen zu binden.

Jennifer Aniston: In der Serie «The Morning Show» muss sich die Moderatorin jeden Tag aufs Neue gegen die harte Konkurrenz durchsetzen. Bild: Keystone

Simon Dick

Netflix, Amazon Prime Video, Sky und nun auch noch Disney Plus, das unter anderem bereits in den USA erfolgreich gestartet ist: Das Angebot an Streamingdiensten für Filme und Serien wird immer grösser. Mit einem bescheidenen Inhalt hat sich jetzt auch noch Apple dazu entschieden, in den nach wie vor lukrativen Markt einzusteigen. Manch einer mag sich dabei fragen, warum der Konzern mit einem so kleinen Angebot überhaupt einsteigt. Denn quantitativ liegt das Unternehmen momentan noch weit hinter der Konkurrenz zurück. Dennoch hat der Konzern mit stolzer Brust den Dienst Apple TV Plus präsentiert und ist sich siegessicher, im überfüllten Markt einen Platz zu finden.

Eine logische Konsequenz
Hat sich Apple übernommen? Keineswegs. Apple macht mit seinem neuen Angebot in erster Linie intelligente Kundenbindung und denkt dabei langfristig an ein Wachstum. Es ist bekannt, dass sich Apple längst von der reinen Hardware-Produktion verabschiedet hat. Das Unternehmen stellt nicht mehr nur iPhones und andere Endgeräte her, sondern hat in diversen Dienstleistungssektoren Fuss gefasst. Dass nun auch ins Streaming-Geschäft für Filme und Serien investiert wird, war nur eine logische Konsequenz. Die App Apple TV bietet schon lange die Möglichkeit, dass man dort filmische Unterhaltungsinhalte kaufen oder ausleihen kann. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis man dort auch eigen produzierte Serien anbieten würde.

Durch die noch geringe Anzahl an Inhalten mag der verwöhnte Netflix-Nutzer nur mit den Schultern zucken. Für die User, die sich gerne im geschlossenen Apple-System aufhalten, ist es aber ein nettes Angebot, das sie noch enger und länger an die Marke bindet. Zu einer grossen Mitspielerin wird die Firma dadurch noch lange nicht. Es ist für Apple aber langfristig lukrativer, einen eigenen Streamingdienst zu betreiben, anstatt die Lizenz ihrer Serien zu verkaufen. Die Firma verdient also mit ihren eigenen Serien mehr Geld, wenn diese auf einem hauseigenen Dienst laufen, anstatt sie zum Beispiel auf Netflix anzubieten.

Verwirrend und unübersichtlich
Eine eigene App für den Dienst sucht man auf dem iPhone und anderen Apple-Geräten übrigens vergebens. Es existiert schlicht keine. Der Dienst wurde in die bereits erhältliche App Apple TV integriert. Dort also, wo man bereits seit Jahren Filme digital kaufen und ausleihen kann. Hier sind die exklusiven Inhalte mit einem Logo gekennzeichnet. Das ist zu Beginn sehr verwirrend; eine übersichtliche Anordnung sieht anders aus. Da der Mensch aber ein Gewohnheitstier ist, kommt man mit der Zeit darüber hinweg.

Der Dienst ist auf allen Apple-Geräten via App konsumierbar, sofern man das neuste Betriebssystem installiert hat. Auch via Set-Top-Box von Apple darf man zuschauen. Hier funktioniert der Dienst aber erst ab der dritten Generation. Wer also noch ein ganz altes Gerät besitzt, kann den Dienst nicht starten. Weiter kann die App auf ausgewählten Smart-TVs von Samsung installiert werden. Auch via Schnittstelle AirPlay kann der Dienst auf bestimmte Endgeräte übertragen werden und natürlich ist es möglich, ganz simpel via Browser den Dienst zu konsumieren. Ob Android-User in Zukunft ebenfalls ohne Probleme zugreifen können, ist noch unklar. Um die Reichweite aber zu vergrössern, wird Apple mit Sicherheit die Tore öffnen.

Apple TV Plus kann eine Woche lang gratis getestet werden. Wer sich danach für ein Abo begeistern kann, zahlt sechs Franken im Monat. Wer mit einem neuen iPhone oder einem sonstigen Produkt aus dem Hause Apple liebäugelt, darf den Dienst sogar ein Jahr lang gratis konsumieren. Und besonders nett: Studentinnen und Studenten, die ein Apple-Music-Abo haben, bekommen Apple TV Plus gratis. Bis zu sechs Familienmitglieder dürfen aus dem Angebot auswählen und parallel die Inhalte streamen. Das Einloggen geschieht via Apple-ID.

Auch wenn die bereits erhältlichen Serien und die einzelnen Filme von sehr guter Qualität sind (siehe Zweittext unten), dem Dienst fehlt noch das ganz grosse Zugpferd, von dem alle reden. Das Potenzial ist zwar vorhanden, aber es fehlt den einzelnen Serien an inhaltlichem Spektakel, sodass sich die Masse dafür begeistern könnte. So ist und bleibt Apple TV Plus vorerst ein sehr kleiner, aber sehr feiner Streamingdienst, der sich vorwiegend an die Apple-Fans richtet und versucht, diese damit im geschlossenen System zu behalten.

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Drama, Mystery und Science-Fiction
Das Angebot auf Apple TV Plus ist noch überschaubar klein, bietet aber trotzdem für jeden Geschmack passende Inhalte. Folgende Serien stechen dabei besonders hervor: «The Morning Show» mit Jennifer Aniston und Steve Carell ist ein packendes Drama, das hinter die Kulissen einer amerikanischen TV-Sendung und die Medienbranche blicken lässt.

In «See – Reich der Blinden» (mit Actionstar Jason Momoa) wird man in eine sehr eigenwillige postapokalyptische Welt entführt, in der die Menschen nicht mehr sehen können und sich verfeindete Stämme bekämpfen. Ein geheimnisvoller Fremder soll die blinden Menschen von ihrem Leid erlösen. Mit sehr vielen Fragen und kuriosen Szenen werden die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Stange gehalten.

Eine etwas andere Zeitgeschichte wird in «For All Mankind» präsentiert. Hier landen nicht etwa die Amerikaner zuerst auf dem Mond, sondern die Russen. Amerika ist schockiert. Jetzt gilt es, beim Wettkampf mit allen möglichen Mitteln aufzuholen. Doch der Osten scheint immer einen Schritt voraus zu sein. Ganz schräg wird es bei «Servant» vom Mystery-Spezialisten M. Night Shyamalan. Ein Ehepaar engagiert ein Kindermädchen für ihr sehr eigenwilliges Kleinkind. Es beginnt ein fesselnder Psychotrip für alle Beteiligten, und es folgen verstörende Bilder sowie kuriose Dialoge.

Filme gibt es auf Apple TV Plus noch deutlich weniger, aber mit den Dramen «Hala» und «The Banker» wurde ein gutes Fundament geschaffen. Die Dokumentation «The Elephant Queen» geht mit wunderschönen Bildern besonders ans Herz.

Was kommt noch? In Arbeit ist eine Serie über den Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg. Hinter dem Projekt «Masters of the Air» stehen Schauspieler Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg, der für Apple zusätzlich mit der Serie «Amazing Stories» beschäftigt ist, die auf der gleichnamigen Mysterie-Serie aus 1985 basiert. Julianne Moore wird die Hauptrolle in der Horror-Romanze «Lisey’s Story» übernehmen, die auf einem Stephen-King-Roman fusst. Dann gibt es noch Blaues Blut als Verstärkung: Prinz Harry arbeitet mit US-Talkerin Oprah Winfrey an einer Dokumentation zum Umgang mit psychischen Erkrankungen. Die genauen Veröffentlichungsdaten der kommenden Serien sind noch unbekannt. sd

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