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Verbrechen

Fast hätte er das Morden 
der Liebe wegen aufgegeben

Donald Hume war ein Bilderbuchganove: abgebrüht, ausgekocht, hartgesotten. In England war er bereits mit einem Mord davongekommen. Als er in der Schweiz einen zweiten begeht, verliert er jedoch nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine grosse Liebe.

Nach der Urteilsverkündung macht Donald Hume 1959 in Winterthur noch einen gelassenen Eindruck. In 17 Jahren Einzelhaft verging ihm das Lachen jedoch. Bild: Keystone
  • Dossier

Irene Widmer, sda

Bevor der frisch aus dem Knast entlassene Donald Hume im Herbst 1958 in Heathrow das Flugzeug nach Kloten bestieg, fiel sein Blick auf einen Kioskaushang: Der «Sunday Pictorial» versprach für die nächste Ausgabe eine sensationelle Story. Über Donald Hume.

Was erst wenige wussten: Sie würde mit den Worten beginnen «I DID MURDER SETTY». Hume gab an, den Gebrauchtwagenhändler Stanley Setty umgebracht zu haben aus Wut darüber, dass dieser mit seiner schwangeren Frau geschlafen und seinen geliebten Hund Tony getreten hatte. Tiere machen sich immer gut in der Presse.

Mit den 2000 Pfund Lohn von der Zeitung im Sack wollte der 38-Jährige verduften, ehe die Meute über ihn herfiel. Eine Verurteilung hatte er wegen der «Double Jeopardy»-Regel nicht zu befürchten: «Ne bis in idem», zu deutsch «nicht zweimal (vor Gericht) in derselben (Sache)». Und beim ersten Mal war er davongekommen.

 

«Was muss der rumwildern»

Hume hatte acht Jahre gesessen für Beihilfe zum Mord. Mehr als die Beseitigung von Stanley Settys zerstückelter Leiche hatte man ihm nicht nachweisen können. Was in den drei Paketen war, die Hume im Oktober 1949 – angeblich im Auftrag von drei Gangstern – von einem gemieteten Flugzeug aus ins Meer warf, wollte er nicht gewusst haben.

Zwei der Bündel wurden nie gefunden. Doch vom dritten – dem mit dem Torso – hatte sich das Gewicht gelöst, welches es beschwerte: Es wurde von der Flut in ein Sumpfgebiet geschwemmt, wo ein Enten-Jäger es fand. «Was muss der Kerl auch rumwildern!», maulte Hume.

In dem gut verschnürten Leichenteil war jeder Knochen zerschlagen. Der Coroner schloss messerscharf, dass es aus grosser Höhe ins Meer geworfen worden war. Die Polizei brauchte dann nur noch die Flugpläne aller in Frage kommenden Maschinen zu sichten – und schon hatte sie Hume am Schlafittchen.

 

Frühlingsgefühle

Im Mai 1958 waren das tempi passati für Hume, der sich zwecks Resozialisierung offiziell «Brown» nennen durfte und Pässe mit weiteren zehn Pseudonymen besass. Er wollte in Kanada neu beginnen und sich vorher noch ein bisschen auf dem Kontinent umschauen. Nach acht Jahren Haft sehnte er sich nach der Umarmung einer «Swiss Miss», wie er dem Zürcher Taxifahrer Robert anvertraute.

Im Nachtclub «Terrasse», den ihm Robert empfahl, waren freilich nur Pärchen. Oder halt! Am Ende der ovalen Bar sichtete Hume eine zierliche Rothaarige. Er liess der Frau Rosen und Cognac bringen und stellte sich als kanadischer Testpilot vor. Noch am selben Abend machte er der Coiffeuse Trudi Sommer einen Antrag. Sie winkte ab: Heiraten - das gehe nicht im Düsentempo.

 

Ihm fehlte das Geld

Hume flog mit Haut und Haar auf die treuherzige Trudi, und die beiden verbrachten eine schöne Zeit – für Hume das einzige Mal im Leben, abgesehen von den paar Monaten, in denen er als Bub bei seiner Grossmutter gewohnt hatte.

Mit der Hochzeit war es ihm ernst – allein, ihm fehlte das Geld. Also flog er nach London, um die Midland Bank auszurauben. Wegen des bevorstehenden Zahltags rechnete er mit 40 000 Pfund. Er erhielt aber nur etwa 2000, mehr sei nicht da, hiess es. Nachdem er in der Zeitung lesen musste, im Tresor hätten tatsächlich 40 000 Pfund gelegen, schwor er Rache.

Stocksauer suchte Hume dieselbe Bank noch einmal heim. Er schoss den Kassierer über den Haufen, machte aber nur 350 Pfund Beute. Nun beschloss er, es in Zürich zu versuchen. Das müsste doch leicht sein, so freundlich, wie die Schweizer sind, dachte er. Falsch gedacht.

 

Winternacht in der Kirche

Die Nacht vor dem fatalen 30. Januar 1959 verbrachte er in einer Kirche, trank Messwein und weinte bitterlich. Was ihm durch den Kopf ging, wird man nie erfahren. Sein Biograf Jonathan Oates tippt auf Selbstmordgedanken, denn bei der Verhaftung fand man bei Hume eine Rasierklinge und ein Röhrchen mit Gift.

Am Morgen schnappte er sich eine Kartonschachtel, legte seine Walther PPK hinein und ging in die Gewerbebank an der Rämistrasse. Aus dem Karton heraus schoss er dem Kassierer Walter Schenkel in den Bauch.

Dieser konnte im Umfallen noch den Alarm drücken und dem Banklehrling zurufen, er solle Hume folgen. Das tat der 16-jährige Ulrich Fitze unerschrocken, durchs halbe Niederdorf bis zum Hechtplatz. Unterwegs stellten sich Hume einzelne Männer entgegen, darunter der Taxifahrer Arthur Maag. Hume erschoss ihn.

Umgeben von Passanten, die ihn zu lynchen drohten, wurde der Raubmörder schliesslich vom Konditor Gustav Angstmann gestellt. Der hatte mehr Glück als Verstand: Er wusste nicht, dass Hume beim Versuch, im Laufen nachzuladen, seine ganze Munition verloren hatte.

 

Keine Todesstrafe

Was der britischen Justiz misslungen war, gelang der schweizerischen mit Leichtigkeit, Hume war ja geständig. In der Schweiz stand freilich nur lebenslänglich auf Mord, nicht der Tod, wie in England.

In Einzelhaft in der abgewrackten Strafanstalt Regensdorf entwickelte Hume einen ausgewachsenen Knastkoller. Er wütete wie ein Berserker, zerlegte seine Zelle, ging auf jeden los und verlangte, in seine Heimat ausgewiesen zu werden. Das geschah erst nach Verbüssung der ganzen Strafe 1976.

In der psychiatrischen Haftanstalt Broadmoor lebte er nach eigenen Aussagen «wie im Buckingham-Palast»: Die Möblierung war gemütlich, ein grosszügiger Umschwung samt Pool lud zum Flanieren, Therapie- und Freizeitprogramme vertrieben die Langeweile. Der «Schweizer Illustrierten» war das eine Home Story wert.

Nach 13 Jahren in Broadmoor wurde Hume als geheilt entlassen. Im Sommer 1998 wurde er leblos in einem Park gefunden. Da ihn die Welt inzwischen vergessen hatte, dauerte es eine Woche, bis seine Leiche identifiziert war.

«Die Bestie mit den tausend Gesichtern» starb 76-jährig an einem Herzinfarkt.

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