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Selber stricken schadet der Gesundheit

Vorauszuschicken ist: Ich bin genetisch vorbelastet. Hat doch meine Mutter einst alles Stoffliche, das ihr in die Hände geraten ist, mit dem Bügeleisen geglättet und milimetergenau gefaltet.

Niklaus Baschung. Bild: bt/a

Vorauszuschicken ist: Ich bin genetisch vorbelastet. Hat doch meine Mutter einst alles Stoffliche, das ihr in die Hände geraten ist, mit dem Bügeleisen geglättet und milimetergenau gefaltet. Zusätzlich zu den Kleidern auch Nastücher, Abtrocktücher, Pyjamas, Unterhosen, Socken, Bettlaken - einfach alles. Schlimmer als ein Flecken auf den Kleidern, so wurde mir als Kind bewusst, ist ein Rumpf im Hemd.

Logisch also, dass ich zu meinem ersten eigenen Wohnungsbezug ein «Glättisä» von meiner Mutter geschenkt bekommen habe. Für sie das wichtigste Haushaltsgerät schlechthin. Es gehört in jeden 
Notvorrat. Stelle dir einmal vor, du hast zwar genug zu essen, müsstest dies aber mit zerknitterten Hemden tun. Das wäre doch völlig sinnlos.

Meine Bügeltätigkeit reduzierte ich dann aber sehr schnell auf Kleider im engeren Sinne. Und so hätte ich es auch weiterhin klaglos gehalten, wenn nicht die damalige Freundin ungefragt ein Hemd von mir geglättet hätte. Wohl um mir einen Gefallen zu tun. Aber das konnte ich doch nicht wissen. Jedenfalls kommentierte ich – man kann da als Bügelfachkraft keine Kompromisse eingehen – ihre ziemlich durchschnittliche Arbeit. Der Wille war da, aber ... Worauf sie erbost schwor, nie mehr in ihrem Leben irgendetwas von mir zu glätten.

«Nicht einmal ein Nastuch?»

«Nein!!!»

Daran hat sie sich gehalten. Und obwohl ich eigentlich der Ansicht bin, dass eine dauerhafte Beziehung zentral abhängig ist von ähnlichen Interessen, Intellekt, Aussehen und einer Bügelfertigkeit auf demselben Niveau, sind wir erstaunlicherweise immer noch zusammen. Wir wären auch zuversichtlich gemeinsam älter geworden, wenn nicht ausgerechnet jetzt, in dieser Coronazeit, mein Bügeleisen den Geist, also seinen Dampf, aufgegeben hätte. Und im Notvorrat haben wir zwar fünf Kilo Reis und ein paar Dosen weisse Bohnen, aber kein Bügeleisen.

Denn fassungslos muss ich zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesrat das Bügeleisen nicht zu den Waren des täglichen Bedarfs zählt. Laut seinen Beschlüssen zur Eindämmung des Coronavirus können aus Sicherheitsgründen keine neuen Dampfbügeleisen mehr gekauft werden. Keine Reisen mehr, keine Kultur, keine Fitness und jetzt auch kein Bügeln mehr. Wie soll ich also fortan meinen Dampf ablassen?

Im Einkaufszentrum gleich neben den abgesperrten Bügeleisen fallen noch andere Besonderheiten auf: So ist das Regal mit der Strickwolle ebenfalls abgeriegelt, gleich nebenan können aber fertig produzierte, maschinenhergestellte Socken gekauft werden. Selber stricken schadet offenbar der Gesundheit.

Immerhin sind sämtliche Haustierprodukte weiterhin käuflich – sogar Floh- und Zeckenmittel. Nur schade, dass es zu dieser Jahreszeit noch gar keinen Zeckenbefall gibt. So darf man sich wenigstens auf etwas freuen, wenn es wieder wärmer wird.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kommunikationsfachmann und 
Hundehalter. Mehr zum Autor und 
seinem Schaffen finden Sie unter 

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