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Wenn ein Plan nach dem anderen schiefgeht

Erstmals muss Sascha Biedermann eine Niederlage einstecken: Sein Segelkatamaran Ahora zwingt ihn in die Knie. 
Ahora hat sich die «Dieselpest» eingefangen, und die Reparatur ist im Land der Mañanas keine einfache Sache.

Bild: zvg
  • Dossier

Sascha Biedermann

Auf meinem Katamaran Ahora geniesse ich jeden Morgen genüsslich den strahlend warmen Sonnenaufgang. Wir ankern in der famosen Bucht des unterhaltsamen und abwechslungsreichen Vororts El Médano. Hier, in der Hochburg des Wassersports von Teneriffa, erfreue ich mich auch über den einen oder anderen Besuch von gleichgesinnten Schweizer Amigos, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Äusserst relaxed ist es nun Zeit, den anstehenden Geburtstagstörn zu planen, und ich mache die zwei von Ändu und Claudia gebuchten Doppelkabinen klar.

Da Karin immer noch in der Schweiz ist, wurde das nun leider auch zu meinem Job. Trotzdem freue ich mich natürlich sehr auf die zwei ins Herz geschlossenen Beizer vom «Bel Lago» in Sutz. Sie kommen mit ihrem befreundeten Ehepaar Dierk und Alex aus Deutschland für zehn Tage auf die Ahora. Die beiden Männer möchten nebst Wassersport auch noch ihre Geburtstage feiern. Darum habe ich ein noch grösseres Bedürfnis, dass die Fahrt von Teneriffa nach Fuerteventura etwas ganz Besonderes wird.

Erfreulicherweise habe ich wie immer Glück mit den vorherrschenden Winden, und die Planung scheint wie geschmiert abzulaufen. Ich sehe alles schon ganz deutlich vor mir: Wir segeln mit perfekten Verhältnissen noch vor den angekündeten starken Winden los und feiern den 60. Geburtstag von Dierk in Lanzarote. Dort gibt es zur Feier des Tages eine Tour durch die speziellen Reben im Vulkangestein mit einer anschliessenden Weindegustation des edel fermentierten Saftes. Dann geht es weiter in Richtung Fuerteventura, wo über türkisem Wasser gekitesurft wird und wir anschliessend in Corralejo den Geburtstag von Ändu zelebrieren – genüsslich und feuchtfröhlich.

 

Es gibt Schlimmeres

Es kann losgehen! Die zwei «Schweizerlis» kommen an Bord und verkünden, dass der

Flug von Dierk und Alex gestrichen wurde. Sie werden erst einen wertvollen Tag später eintreffen. Das heisst: Wir stecken wegen der angekündigten starken Winde für weitere zwei Tage auf Teneriffa fest. «C’est la vie mon frère d’une autre mère», würde der welsche Teil von Bienne sagen. Oder noch deutlicher ausgedrückt: «Domage fromage».

Die Natur bestimmt, und der Plan muss etwas angepasst werden. Der erste Geburtstag ist nun auf Gran Canaria in einem äusserst leckeren Restaurant in Las Palmas geplant. Nach etwas anspruchsvollem Kitesurfen mit ziemlich hartem Wind fährt uns die Hochseeanwärterin Claudia easy aus der Bucht, und wir machen uns auf den Weg zu besagter Insel. Es gibt wirklich Schlimmeres als eine solche Planänderung.

Unterwegs beobachten wir begeistert Wale, Delfine und Schildkröten. Nach einer langen Fahrt haben wir unser Ziel, den Ankerplatz im riesigen Hafen von Las Palmas, in Sicht. In Gedanken sind wir schon frisch geduscht in der schönen Altstadt und stossen mit einem edlen Tropfen auf Dierks Geburtstag an, als plötzlich ein Motor den Geist auf gibt. Shit! Kurz darauf springt er wieder an und läuft nur bei niedrigen Touren, aber so, als wäre nichts gewesen. Der Motor bekommt aus irgendeinem Grund zu wenig Diesel. Somit geht es morgen früh bestimmt noch nicht weiter Richtung Fuerteventura.

 

Die Ahora treibt ab!

Das heisst, es bleibt mehr Zeit zum Feiern. Wir setzen verspätet den Anker in der überfüllten Ankerzone und machen uns ungeduscht in Richtung Altstadt. Nach einer genüsslichen Feier checke ich das Wetter und mache auf meinem Handy wegen der aufkommenden Winde die Ankerwache scharf. Schon morgens um 3 Uhr weckt mich der pfeifende Wind. Halb schlafend kontrolliere ich auf dem Smartphone die aktuelle Position der Ahora. Wie ein mächtiger Stromschlag direkt aus dem Auspuff eines Teslas reisst mich das Bild aus dem Schlaf. Sie treibt ab!

Vom Bett springe ich aus der Luke und höre ein Plätschern im Wasser. Neeein! Mein Handy ist weg. Lauter fluchend als Kapitän Haddock kümmere ich mich erst um die Sicherheit der Ahora und mache die weitere Ankerwache selber. Es bleibt genügend Zeit, bis es hell wird, sich langsam mit dem Verlust abzufinden. Während die vier Ausgeschlafenen einen Ausflug geniessen, kümmere ich mich um die Dieselzufuhr. Erst am Abend, als sie wieder zurückkommen, läuft alles wieder, und wir sind startklar, damit wir um 3 Uhr den Anker lichten können.

 

Es ist bitter, aber wir machen kehrt

Der Start ist so früh angesetzt, damit wir vor Sonnenuntergang direkt am Zielort Corralejo in Fuerteventura eintreffen. Eine Nachtfahrt kann auch eine erfüllende und bereichernde Erfahrung sein. Unterwegs in der tiefen Nacht sind wir happy über das baldige Eintreffen in Corralejo und beschäftigen uns mit dem Peilen anderer Schiffe; und das gute zwei Stunden lang, noch bevor der angekündigte Wind auffrischt, bis der eine Motor wieder zu wenig Saft bekommt und sich verabschiedet.

Es ist bitter, aber Sicherheit geht vor, und wir machen einen Hundertachtziger. Wieder zurück am Ankerplatz versuche ich noch einmal, alles was in meiner Macht steht, um das Ziel zu erreichen, aber ich muss zum ersten mal in den zwei Jahren auf der Ahora aufgeben.

Die Diagnose ist klar: Es ist die verfluchte «Dieselpest», die die Gedärme verstopft. Ein schwarzer Pilz im Tank, den man sich in der Regel durch schlechten Diesel an der Tanke einfängt. Die Sauerei muss erst behoben werden. Also nehmen die zum Glück verständnisvollen vier die Fähre, um ihren Abflugort zu erreichen.

Was am Schluss von diesem etwas anderen Abenteuer noch witzig war: dass der junge, knusprige Dierk zum ersten Mal mit seinem neuen, frisch erfeierten Status konfrontiert wurde. Er hat auf das Ticket der Fähre einen humanen und liebevollen Rentenrabatt von acht Euro erhalten. Einmal leer schlucken, lächeln und freundlich Danke sagen. Die einzige Möglichkeit zu überleben ist ja bekanntlich, älter zu werden.

 

Der Nachbar namens Blasius

Versuche mal, auf einer südlichen Insel mit dem Lieblingswort Mañana eine Lösung für die «Pest» zu organisieren. Eine Firma für die Behebung des ganzen Problems gibt es leider nicht. Jeder Schritt muss einzeln koordiniert werden. Es stellt sich aber heraus, dass auch ein versprochener telefonischer Rückruf im Land der Mañanas nicht im Repertoire vorkommt. Zum Glück sind meine neuen Schweizer Nachbarn auf dem Katamaran Kia Ora äusserst hilfsbereit und unterstützen mich nicht nur mit dem Schraubenzieher.

Die ehemaligen Beizer Rita und Blasius versorgen mich mit liebevoll zubereiteten und leckeren Gerichten. In so einer Situation einen Nachbarn namens Blasius zu haben, kann ja kein Zufall sein. Langsam, wirklich langsam, regelt sich eines nach dem anderen, und man lernt sich im Mentalitätsdschungel zu orientieren. Die Erfahrung ist eine harte Lehre. Zuerst gibt es die Prüfung und erst anschliessend bekommt man die Lektion. Zum ersten Mal gibt es keine Zigarre aus der Kiste für erfüllte Pläne. Trotzdem freue ich mich sehr auf den anstehenden Besuch von Babs und Netsch. Sie wollen mir an meinem kommenden Geburi einen Besuch abstatten. Mal sehen, wie dieser Geburtstagsplan funktioniert. Bis am Wochenende sollte eigentlich das meiste geregelt sein und ich bin hoffentlich wieder mehr im erfüllten Hier und Jetzt. Gracias Ahora!

Info: Das Ipsacher Paar Sascha Biedermann (47) und Karin Steiner (49) ist mitten in der Pandemie auf ihren Segelkatamaran Ahora ausgewandert. Hier bieten sie Kite-, Surf- oder Paddle-Ferien an.

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