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Yukon

Wie unter einemRegenbogen

Die Winter in Whitehorse sind lang und dunkel. Höchste Zeit, etwas Farbe reinzubringen, fand Christine Mäders Kollegin Jackie. In ihrem Garten hat sie für ihre Kinder ein buntes Iglu errichtet. Die Behausung sorgt weit über die Stadt hinaus für Furore.

Bild: Christine Mäder
  • Dossier

Christine Mäder

Iglus sind eine Jahrhunderte alte Tradition der Inuit und werden normalerweise aus kompakt gepressten Schneeblöcken errichtet. Und genau das hat meine ehemalige Arbeitskollegin Jackie Zinger vor drei Jahren getan, um ihren Zwillingen Mya und Aiden Donohue im winterlichen Garten ein die Fantasie anregendes Freizeitabenteuer zu ermöglichen. 

Wie ein solches Schneehaus gebaut wird, hat sich die junge Mutter mit Youtube-Videos zu Gemüte geführt und dann flugs in die Tat umgesetzt. Am weissen Baumaterial mangelt es in unseren langen Yukon-Wintern ja absolut nicht. «Letztes Jahr versuchte ich eine neue Variante, um während der dunklen Pandemietagen etwas Farbenfreude in den Alltag zu bringen: ein Iglu aus Eisblöcken», erzählt Jackie bei meinem Besuch vor Ort. 

403 farbenfrohe Eisblöcke

Nach einigem Experimentieren mit verschiedenen Farben und Cakeformen, die sich als zu klein erwiesen, entpuppten sich Kunststoffbehälter in Schuhschachtelgrösse als ideal. «2021 baute ich das Iglu erst im Februar, weshalb wir unser buntes Eishaus nicht sehr lange geniessen konnten, ehe es unter den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne zu schmelzen begann», sagt Jackie. 

Diesen Winter nahm sie ihr Projekt schon im November in Angriff: «Jeden Morgen und jeden Abend füllte ich draussen im Garten meine Behälter mit Wasser, in die ich einige Tropfen Lebensmittelfarbe träufelte. Zum Glück war es schön kalt.» Trotzdem dauerte es rund drei Wochen, bis all die 403 benötigten Bausteine gefroren waren.

Bei idealen Temperaturen um die minus 20 Grad Celsius und Mithilfe ihres Ehemanns nahm der eigentliche Bau des Iglus nur rund 14 Stunden in Anspruch, allerdings erstreckt über mehrere Tage. «Aaron ist ein Perfektionist und für mich muss es einfach schön aussehen», lacht Jackie, die zu Recht stolz ist auf ihr Kunstwerk im Garten. 

Lesen, Filme schauen und schlafen

Die ganze Familie hat den Plausch an ihrem Iglu, das im Innern erstaunlich warm und geräumig ist. Oft gucken sie hier alle zusammen Filme. Die Kinder lesen gerne unter der farbigen Kuppel und übernachten an den Wochenenden darin – sogar bei Aussentemperaturen um minus 25 Grad. 

Kuschelig warm in Daunenjacken und eingemummelt in je zwei Schlafsäcke, geniessen Mya und Aiden ihre zeitweilige Autonomie. Und werden natürlich von all ihren Schulkameraden beneidet – vor allem seit kürzlich die ganze Klasse bei ihnen im Garten zu Besuch war! Aber auch sonst geniesst das Iglu mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus Bekanntheit: Radio, Facebook und Twitter berichteten über die originelle Behausung.

Freizeit am liebsten im Freien 

Die Donohue-Zinger Familie ist sehr sportlich und verbringt ihre Freizeit mit einer Vielzahl von Outdoor-Aktivitäten. Einige Meter neben dem Iglu sehe ich je zwei Kicksleds, also Tretschlitten, für
Erwachsene und für Kinder. 

«Wir haben damit angefangen, als die Zwillinge dreijährig waren. Sie hatten damals Mini-Kicksleds. Noch jünger, haben wir sie mit unseren Schlitten oder unseren Winterfahrrädern gezogen und so allerlei Ausflüge unternommen», sagt Jackie. Nun machen die vier oft mehrtägige Trips in die Natur des Yukons: Im Sommer gehen sie wandern, fahren Kanu oder mit dem Zodiac auf einen See; im Winter campen sie im Zelt, das mit einem Holzofen beheizt wird.

Gut gelaunt nach einer farbigen Nacht 

Nordamerikanische Kinder verbringen laut Studien pro Jahr mehr als 1000 Stunden vor dem TV-Bildschirm anstatt sich draussen zu bewegen. Eine Mutter aus Michigan wollte diesem Trend Gegensteuer geben und lancierte nach Erfolg mit ihren eigenen fünf Kindern unter zwölf Jahren im Internet die «1000 Hours Outside Challenge». 

Eine Herausforderung, die Jackie ihren Zwillingen mühelos schmackhaft machte: «Unsere Familie sitzt nicht sehr viel vor dem Fernseher, aber ich war neugierig, wie viel Zeit wir in einem Jahr effektiv im Freien verbringen.» Im Februar 2021 begannen Mya und Aiden Buch zu führen. «Schon im Frühsommer hatten wir die 1000 Stunden erreicht und beschlossen, herauszufinden, ob wir es auf 2000 Stunden schaffen können», sagt Jackie.

Im Januar waren sie ganz nahe dran und die Kinder seien motiviert gewesen, ihr Ziel zu erreichen. Im Iglu zu schlafen, gab ihnen die nötigen zusätzlichen Stunden. «Meine Tochter ist morgens viel besser gelaunt nach einer Nacht im bunten Eishaus», so Jackie. Als sie ihr das gesagt habe, habe Mya erwidert, ganz von Farben umgeben zu sein sei, wie mitten in einem Regenbogen zu schlafen.

Info: Christine Mäder, in Biel geboren und aufgewachsen, war von 1977 bis 1993 Journalistin und Redaktorin beim «Bieler Tagblatt». 1996 wanderte sie in den spärlich besiedelten Yukon aus. Nach abwechslungsreichen Jobs in der Tourismusbranche und in der Finanzadministration von Parks Canada geniesst sie nun seit Juli 2021 ihren neuen Lebensabschnitt als weitgehend Pensionierte.

 

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