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Ziegen mögen Denksport

Ziegen kommen ursprünglich aus dem Hochgebirge und sind Kletterkünstlerinnen. Zum Ruhen liegen sie bevorzugt an erhöhten Stellen. Klettermöglichkeiten lieben sie.

Sabine Kronenberg

Die Beweglichkeit von Ziegen macht sie zu geborenen Ausbrecherinnen. Aus dem Stand springt eine Ziege eineinhalb Meter. Ziegen sind neugierig, intelligent und haben einen ausgeprägten Geschmacks- und Geruchssinn, ausserdem sind sie lernfähig und wählerisch.

Nun beweist auch die Forschung: Ziegen sollten zukünftig in einer Art Denksport-Vita-Parcours-Umgebung gehalten werden. Eine Nationalfonds-Studie weist nach, dass Ziegen Denksport mögen. Steht eine Belohnung in Aussicht haben Ziegen verschiedener Rassen ein Verhalten gezeigt, das nahelegt, dass die Tiere gern eine Belohnung mit einer Anstrengung verdienen.

Bei Agroscope in Tänikon, Thurgau, wurden insgesamt rund 50 Tiere und ihr Verhalten getestet. Ungefähr die Hälfte waren Milchziegen, die für eine hohe Milchleistung gezüchtet sind, eine andere Hälfte waren Zwergziegen. Zwergziegen sind nicht auf Produktivität gezüchtet. Damit die Versuchsanordnung nicht durch Hunger verfälscht wurde, hatten alle Tiere freien Zugang zur Nahrung. Auch kannten sie bereits die Bewegung, mit welcher sie eine Schiebetür öffnen konnten. Eine Bewegung, welche einem natürlichen Verhalten, dem «Büschestöbern» der Ziegen, entspricht. Beim Durchstöbern von Büschen versuchen Ziegen, an wohlschmeckende Blätter zu kommen. Im Versuch ging es aber um eine andere Ziegen-Feinschmeckerei. In den Stallungen gab es verschiedene Türen, hinter denen abwechselnd ein Stück ungekochte Pasta (offenbar eine Ziegen-Leckerei) versteckt war. Manche Tiere brauchten zwar länger, um die Knobelaufgabe zu lösen, letztlich lösten aber alle Ziegen die Aufgabe immer wieder motiviert. Und nicht nur das. Wenn die Belohnungspasta frei zugänglich war und die Ziegen als zweite Option die Pasta auch verdienen konnten, wählte die Hälfte der Tiere die zweite Option. Ziegen stellen sich also gern Herausforderungen. Eine der Studienleiterinnen und Spezialistin für tiergerechte Haltung, Nina Keil, fasst zusammen: «Wir nehmen an, dass die Tiere diese Verhaltensweise an den Tag legen, weil das Lösen einer Aufgabe und die damit verbundene Kontrolle über ihre Umwelt positive Gefühle auslösen. Sie ziehen daraus wohl eine Befriedigung, die die zusätzliche Anstrengung aufwiegt.»

Mit dieser Studie könnte man beratungsresistenten oder auf Produktivität fixierten Tierhalterinnen und Tierhaltern nahelegen, was meiner Meinung nach keine Studie nachweisen musste: Die Tiere sollten artgerechter gehalten werden, in einer anregenden Umgebung, die ihre Neugier befriedigt. Man kommt an keinem Ziegengehege vorbei, ohne die besondere Neugier zu bemerken, die diesen Tieren so eigen ist. Ziegen sind aufgeweckte Kerlchen. Aber nicht nur Ziegen. Tiere weisen oftmals komplexe kognitive Fähigkeiten auf, die teilweise erst mit neueren Messmethoden oder Versuchsanordnungen nachgewiesen werden können. Und dabei ist Intelligenz ein komplexes Phänomen, das sich nur schwer messen und noch schwieriger vergleichen lässt. Raben planen ihre Zukunft, Kraken bauen sich Rüstungen und von Orang-Utans weiss man, dass sie sich über die Vergangenheit «unterhalten».

Info: Sabine Kronenberg ist Historikerin und 
Ausbildnerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Biel. 
kontext@bielertagblatt.ch

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