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BLS-Skandal

Grosser Rat liest Neuhaus die Leviten

Aus Sicht des Parlaments hat die Berner Regierung bei der Aufsicht über die BLS versagt. Das Problem bleibt, dass der Regierungsrat sich nicht zuständig fühlt.

Bild: Franziska Rothenbühler

Quentin Schlapbach

Ganz am Ende seines Votums wandte sich Peter Siegenthaler (SP), Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK), nach hinten und suchte den direkten Blickkontakt mit Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP). Es war der Moment, in dem jeder im Berner Rathaus spürte, dass es hier um mehr ging als blosse Sachpolitik. Es war der Ausdruck einer persönlichen Enttäuschung.

In seiner bisherigen Amtszeit als GPK-Präsident habe er es noch nie erlebt, dass jemand die Arbeit seiner Kommission derart «diffamiert» habe, sagte Siegenthaler. Neuhaus hatte den Bericht der GPK zur Aufsicht des Kantons über die BLS in der Zeitung «Der Bund» im Vorfeld als «Schauprozess» und «Vorwahlgeplänkel» abgekanzelt – obwohl der Bericht von Mitgliedern aller Fraktionen, auch der SVP, verfasst und mitgetragen worden war.

«Dieser Bericht hat nicht im Geringsten etwas mit Wahlen zu tun, sondern dient allein der Findung von Wahrheiten», sagte Siegenthaler zu Neuhaus. Den Blickkontakt konnte er dabei aber nicht herstellen. Neuhaus schaute in die Gegenrichtung.

 

BLS stellt sich quer

Diese Geste passte zum Vorwurf, welchem Neuhaus sich im Bericht ausgesetzt sieht. Der Baudirektor und mit ihm der Gesamtregierungsrat hätten bei der BLS jahrelang weggeschaut, Warnungen von Fachstellen ignoriert und die Führungsetage des Bahnunternehmens schalten und walten lassen. Und dies, obwohl der Kanton Bern mit seiner Mehrheitsbeteiligung von 55,8 Prozent am Ende das finanzielle Risiko für die Verfehlungen des Unternehmens trägt.

Solche Verfehlungen – zwei Subventionsaffären, der Bauskandal am Lötschberg – gab es in den letzten Jahren einige. Zwar zog der BLS-Verwaltungsrat aus diesen Skandalen auch Konsequenzen. So musste Geschäftsführer Bernard Guillelmon vor einem Jahr gehen. Am grundlegenden Problem änderte sich in dieser Zeit aber herzlich wenig. Weil der Regierungsrat sich trotz Mehrheitsbeteiligung letztlich nicht in der Verantwortung sieht, lässt er der BLS-Führungsriege – die sich ansonsten kaum erneuert hat – weiterhin freie Hand.

Das Bahnunternehmen kooperierte wohl auch deshalb zuerst nur widerwillig, dann gar nicht mehr mit der GPK. Es verweigerte den Kommissionsmitgliedern die Einsicht in Dokumente respektive wollte diese nur unvollständig und unter teils schikanösen Bedingungen gewähren. Die Kommission reichte daraufhin eine Klage zur Herausgabe der Akten ein – laut GPK-Präsident Siegenthaler ist das Verfahren noch beim Verwaltungsgericht hängig.

Kam hinzu, dass auch die Bau- und Verkehrsdirektion von Christoph Neuhaus sich bei der Aufarbeitung der BLS-Affären querstellte. Die GPK brach ihre Untersuchung deshalb vorzeitig ab, verfasste aber dennoch einen 39-seitigen Bericht, der für den Regierungsrat – und insbesondere Neuhaus’ Direktion – entsprechend vernichtend ausfiel.

Auch wenn die Ratslinke den Baudirektor in ihren Voten in der Debatte deutlich schärfer angriff, stellten sich letztlich auch alle andere Parteien und Fraktionen klar hinter die Arbeit der GPK. Der Bericht wurde mit 150 Stimmen einstimmig angenommen. Einzig FDP-Grossrat Adrian Haas enthielt sich seiner Stimme.

Auch Baudirektor Christoph Neuhaus äusserte sich am Ende der Debatte noch zum Bericht. Im starken Kontrast gegenüber seinen vorherigen Äusserungen in den Medien dankte er der GPK «für den grossen Aufwand und das Engagement».

 

Neuhaus weist Kritik zurück

Von der bisherigen Haltung der Berner Regierung, welche sie erst letzte Woche abermals in Form eines Auftragsgutachtens untermauerte, wich er aber keinen Zentimeter ab. «Wir weisen den Vorwurf der Passivität klar zurück», so Neuhaus. Letztlich habe die Regierung halt einfach eine andere Auffassung, was ihre Aufsichtspflichten gegenüber der BLS betreffe, als der Grosse Rat das gerne hätte.

Die langfristige und bisher ungeklärte Frage bleibt aber nach wie vor bestehen: Kann der Kanton Bern das finanzielle Risiko für ein Unternehmen tragen, für welches sich die Regierung letztlich nicht zuständig fühlt und das sich gegenüber kantonalen Kontrollorganen wie der GPK – aber auch der kantonalen Finanzkontrolle – nicht kooperativ zeigt? Diese Problematik wird spätestens wieder aufkommen, wenn sich die BLS neue Verfehlungen leisten sollte.

Der neue Geschäftsführer Daniel Schafer hat letzte Woche das Ruder übernommen.

 

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