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BLS-Chef

«Jeder will ÖV, niemand die Werkstätte»

Daniel Schafer treibt den Werkstatt-Neubau bei Burgdorf statt in Bern voran. Der BLS-Chef sagt, wie die Entscheidung zustande kam – und weshalb es die richtige sei.

Bild: zvg

Interview: Carlo Senn

Das Bahnunternehmen BLS lässt den Standort Chliforst Nord in Berns Westen für den geplanten Neubau einer Werkstätte fallen. Gründe sind der breite Widerstand gegen den Standort und drohende juristische Auseinandersetzungen. Die BLS will neu auf eine bestehende Werkstätte in Oberburg setzen und diese ausbauen. BLS-Chef Daniel Schafer äussert sich zu den Gründen für die Entscheidung.

 

Daniel Schafer, Sie sind seit rund einem halben Jahr Chef der BLS. Seit wann ist klar, dass die Werkstätte im Westen Berns nicht realisiert werden kann?

Daniel Schafer: Der Neue darf Fragen stellen, die andere Leute im Unternehmen unter Umständen nicht mehr stellen. Dieses Recht habe ich mir herausgenommen. Ich habe festgestellt, dass wir Gefahr laufen, in eine Servicelücke zu geraten. Das Risiko eines langwierigen Rechtsstreits mit unklarem Ausgang beim Chliforst Nord ist stark gestiegen. Es musste also eine Lösung für das blockierte Bauprojekt her.

 

Was hat letztlich den Ausschlag für Oberburg gegeben?

Es war der Moment, als ich die Zeichnung von Bauplänen und den Gleisübersichten des Standorts Oberburg auf meinem Schreibtisch liegen hatte. Unsere Spezialisten hatten diese angefertigt, um die Möglichkeit für einen Neubau in Oberburg vertieft zu prüfen. Dabei war insbesondere ausschlaggebend, dass auch unsere Züge, die über 150 Meter lang sind, künftig dort gewartet werden können. Unsere Experten hatten die Pläne des Chliforsts auf den Standort Burgdorf übersetzt.

 

Was ist in der letzten Zeit im Hintergrund abgelaufen? Hat Burgdorf den ersten Schritt auf Sie zugemacht oder umgekehrt?

Das lief ein Stück weit parallel. Im November habe ich erfahren, dass ein Vorstoss der SP Burgdorf hängig ist. Dieser forderte, dass die Stadt mit der BLS betreffend die Werkstätte Kontakt aufnehmen solle. Dies ist dann auch geschehen. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits dabei, diesen Standort weiter zu prüfen. Als wir spürten, dass wir grosse Unterstützung vonseiten der Stadt erhalten, sind wir auf den Landschaftsschutz und die Anwohner zugegangen. Auch hier waren die Reaktionen positiv.

 

War also ein politischer Vorstoss der SP Auslöser für Ihre Entscheidung?

Nein, aber es war auf jeden Fall wie ein Katalysator. Somit wussten wir, dass wir die Weichen für den Standort Oberburg stellen können und so das blockierte Projekt voranbringen.

 

Zurück zum Standort Chliforst: Hat nicht die vorhergehende Leitung Fehler gemacht? Schliesslich war der Widerstand gegen den Standort auf der grünen Wiese von Beginn weg sehr stark.

Ich will meinem Vorgänger nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Schauen Sie, die BLS ist seit elf Jahren daran, aus 42 Standorten einen Favoriten rauszusuchen. Mit den damaligen Anforderungen war dies die richtige Entscheidung, damals war das Risiko noch ein anderes. Ich habe nun meine Entscheidung aufgrund neuer Voraussetzungen getroffen.

 

Nochmals: War es im Nachhinein nicht grundsätzlich ungeschickt, eine Überbauung auf der grünen Wiese zu planen?

Ungeschickt war es sicher nicht, nach wie vor wäre der Standort Chliforst der beste. Verstehen Sie, jeder will heute einen guten öffentlichen Verkehr, jedoch sind viele nicht bereit, mit den Konsequenzen zu leben. Jeder Zug der BLS muss einmal wöchentlich in die Wartung: Der Zug wird gereinigt, die WCs werden entleert oder Klimageräte repariert, Rollmaterial wird ersetzt, so ist das nun mal. Die Anlagen, um das zu erfüllen, haben eine bestimmte Grösse, unter Umständen muss man sie deshalb auch auf die grüne Wiese stellen – schlicht weil woanders der Platz fehlt.

 

Der Teufel liegt noch im Detail: Zahlreiche Abklärungen muss die BLS noch treffen beim Standort Burgdorf. Besteht hier nicht die Gefahr, dass das Unternehmen auch diesen Standort nicht realisieren kann?

Ich bin ein grenzenloser Optimist, aber so wie ich das sehe, sind wir auf gutem Weg. Wir ­haben sehr gut gearbeitet. Wir konnten und können bereits mit zahlreichen wichtigen Akteuren sprechen, weshalb ich zuversichtlich bin.

 

Der Zeitplan ist eng: Bis 2027 muss die neue Werkstatt ­stehen, sonst können nicht mehr alle BLS-Züge fahren. Ist es wirklich realistisch, bis dahin fertig zu werden?

Ich glaube daran, dass das reicht. Es ist im Zeitplan sogar möglich, dass wir Zeit für allfällige Gerichtsverfahren investieren. Doch davon gehe ich Stand heute nicht aus, das Projekt ist einfacher bewilligungsfähig als im Chliforst, weil weniger Fläche überbaut werden muss, es handelt sich in Oberburg eher um eine Erweiterung.

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