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Privatkliniken

Kanton will kein spezielles «Corona-Spital»

In Freiburg hat die Regierung eine Privatklinik geschlossen, um das Personal im Kantonsspital einzusetzen. In Bern wählt Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg eine andere Strategie, um die anstehende Corona-Welle zu bewältigen.

Das Berner Lindenhofspital kann die Anzahl Intensivpflegebetten mehr als verdoppeln. Bild: Franziska Rothenbühler
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Marius Aschwanden

Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) geht vom Schlimmsten aus. Er rechnet mit einem regelrechten Sturm, der diese Woche über den Kanton Bern hereinbrechen wird. Ein Sturm an Corona-Patienten, die in den Spitälern künstlich beatmet werden müssen. Ob dafür längerfristig genügend Intensivpflegebetten und genügend ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen, ist unklar.

Im Kanton Freiburg hat sich die Regierung zu einem radikalen Schritt entschieden. Kurzerhand hat sie eine Verordnung erlassen, die ihr erlaubt, über das Personal und Material von zwei Privatkliniken zu verfügen.

Das hat unter anderem zur Folge, dass die Clinique Générale von Swiss Medical Network geschlossen wird und die rund 40 Pflegefachleute im Kantonsspital eingesetzt werden. Gleichzeitig werden die Geburtenabteilung und die Chirurgie vom Kantonsspital ins Privatspital Daler transferiert. Auf diese Weise wird die Zahl der Intensivbetten von 12 auf 50 erhöht.

Anzahl Betten erhöhen

Wäre ein solches Szenario auch in Bern denkbar, wo eine relativ hohe Dichte an Privatspitälern existiert? Gundekar Giebel verneint. «Es gelten für alle Listenspitäler dieselben Regeln», sagt der Kommunikationsverantwortliche der kantonalen Gesundheitsdirektion.

Alle Kliniken könnten und müssten sich an der Bewältigung der Krise beteiligen und an Covid-19 erkrankte Personen aufnehmen, so Giebel. Ein «Corona-Spital» wie in Freiburg sei in Bern nicht geplant. Die genaue Verteilung der Patienten wird durch den Kanton sowie ein Expertengremium mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Spitälern koordiniert.
Anders sieht die Situation bei den Geburtshäusern, Psychiatrien und Rehabilitationskliniken aus. In einem Informationsschreiben an diese Institutionen hält die Gesundheitsdirektion fest: «Bei Bedarf werden Personal und Schutzmaterial für akutsomatische Spitäler und Kliniken zur Behandlung von Covid-19-Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt.» Bis jetzt habe der Kanton aber noch nicht auf diese Option zurückgreifen müssen, sagt Giebel.

Giebel ist überzeugt, dass mit dieser Strategie die Anzahl Intensivpflegebetten im Bedarfsfall am stärksten aufgestockt werden kann. «Würden wir beispielsweise im Inselspital eine ganze Abteilung leerräumen, fehlten dort die ganzen Gerätschaften.» Viel einfacher sei es deshalb, wenn die einzelnen Unternehmen die Anzahl Notfallbetten an ihren eigenen Standorten erhöhten.

Wie das in einem Privatspital gehen kann, zeigt das Beispiel Lindenhofgruppe. Dort wurde ein Pandemiekonzept mit einem stufenweisen Ausbau der Kapazitäten erarbeitet, das in den Grundzügen der «Berner Zeitung» vorliegt. Fragen dazu liess das Unternehmen unbeantwortet. Es ist aber ersichtlich, dass in vier Phasen die Anzahl Intensivpflegebetten von 12 auf 26 erhöht werden kann. Um das zu erreichen, muss etwa die Intensivstation in den Aufwachraum ausgeweitet werden. Letzterer wird dann in einem Operationssaal eingerichtet. Sowohl Anästhesiebeatmungsgeräte wie auch Personal aus anderen Teams werden in die Intensivabteilung verschoben, der OP-Betrieb auf absolut dringliche Eingriffe und Notfalloperationen reduziert.
Mit solchen und ähnlichen Konzepten sei es möglich, die Anzahl Intensivpflegebetten im Kanton in «kürzester Zeit» zu verdoppeln, sagt Gundekar Giebel. Zudem teilen die Spitäler intern Personal um oder setzen auf Studierende und ehemalige Pflegefachleute, um den Grossandrang bewältigen zu können.

Spitäler warten auf Arbeit

Auch der Bund hat reagiert und das Arbeitsgesetz für das Gesundheitspersonal ausser Kraft gesetzt. Und das nationale Zentrum für Infektionsprävention schliesslich hat die Empfehlungen für Ärzte oder Pflegefachpersonen mit milden Corona-Symptomen angepasst. Sie sollen mit Masken weiterarbeiten, bis ein positives Testergebnis vorliegt. Haben sie sich mit dem Virus angesteckt, sollen sie bereits nach 48 Stunden zurück an die Arbeit, sofern sie nur leichte Symptome verspüren, kein Fieber haben und eine Maske tragen. Das alles mit dem Ziel, möglichst einen Personalengpass zu vermeiden. Unbekannt ist aber nach wie vor, wie viele Intensivpflegebetten aktuell im Kanton Bern zur Verfügung stehen. Zahlen dazu gibt die Gesundheitsdirektion nicht bekannt. Für den Moment seien aber genügend solcher Plätze vorhanden, sagt Giebel. Von den aktuell 57 stationär behandelten Corona-Patienten lägen sieben auf der Intensivstation (Stand Dienstagnachmittag).

Der Sturm, mit dem Regierungsrat Schnegg rechnet, ist das noch nicht. Wann die Welle nun tatsächlich über den Kanton hereinbrechen wird, kann Giebel nicht sagen. Es sei aber klar, dass es geschehen werde. «Momentan befinden wir uns in der Ruhe vor dem Sturm», sagt er. Dank dem Verzicht auf Wahleingriffe sei es aber gelungen, die Spitäler so weit möglich «leerzuräumen».

Manche Kliniken würden nun quasi auf Arbeit warten. Entsprechend angespannt dürfte die Stimmung in den Spitälern sein.

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Spitäler melden Kurzarbeit an

Es klingt paradox: Alle reden wegen der Coronakrise von der der drohenden Überlastung der Spitäler. Die Krise verursacht aber den Spitälern riesige finanzielle Einbussen. Denn viele Häuser stehen derzeit halb leer – in Erwartung der grossen Welle. Viele Kliniken der Hirslanden-Gruppe (dazu gehört auch die Bieler Klinik Linde) haben deshalb jetzt Kurzarbeit angemeldet. Die Spitäler müssen im Auftrag des Staates Vorhalteleistungen erbringen. Sie müssen Intensivpflegebetten, Beatmungsgeräte und genügend Personal bereitstellen, um die schwerkranken Coronapatienten zu behandeln. Der Bundesrat hat Anfang letzter Woche vorsorglich alle nicht dringlichen Wahleingriffe untersagt. Nun stehen viele Betten leer, und ein Teil des Personals ist zu Hause. Und dies nicht nur in den Privatkliniken, sondern auch in den öffentlichen Spitälern. Gemäss Regierungsrat Pierre Alain Schnegg steht der Kanton Bern bereit, wenn nötig die Liquidität der Kliniken sicherzustellen. an/mab

Stichwörter: Spital, Coronavirus, Bern

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