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Bildung

Monopol von «Mille feuilles» beendet

Bildungsdirektorin Christine Häsler reagiert auf die Kritik am ungeliebten Französisch-Lehrbuch «Mille feuilles». Ab Sommer 2022 lässt sie Alternativen zu.

Das Frühfranzösisch-Lehrmittel "Milles feuilles" dürfte bald aus einigen Berner Klassenzimmern verschwinden. Bild: zvg

Stefan von Bergen

Der Entscheid hatte sich längst abgezeichnet. Das Monopol der umstrittenen Französisch-Lehrmittel «Mille feuilles» (3. bis 5. Klasse) und «Clin d’œil» (ab der 7. Klasse) wird in den Berner Schulen beendet. Das teilte gestern die kantonale Bildungsdirektion (BKD) in einem Communiqué mit. Auf das kommende Schuljahr werden ab Sommer 2022 nun in der Berner Volksschule alternative Französisch-Lehrmittel zugelassen.

Die Schulen und Lehrkräfte können allerdings nicht frei entscheiden, mit welchem Lehrmittel sie Französisch unterrichten. Künftig gilt ein sogenanntes Wahlobligatorium. Die BKD gibt mit einem Lehrmittelverzeichnis drei mögliche Schulbücher vor. Eines davon ist weiterhin «Mille feuilles». Als Alternativen sind das neu für die Unterstufe konzipierte «Ça roule/ça bouge» aus dem Klett-Verlag sowie «Dis donc» des Schulverlags Zürich aufgeführt.

Lehrmittel vom Start an
in der Kritik

Laut dem Communiqué sollen die Schulleiter bei einem Schulbuchwechsel in einer Schule oder auf einer Schulstufe für eine zentrale Kommunikation und Koordination sorgen. So soll «die pädagogische Kontinuität des Französischunterrichts zu gewährleistet werden».

Mit ihrem Entscheid beendet Bildungsdirektorin Christine Häsler (Grüne) eine langwierige und leidige Debatte um das Französisch-Lehrmittel.

Kaum hatte der Passepartout-Verband der Kantone Bern, Solothurn, Basel-Stadt, Baselland, Freiburg und Wallis «Mille feuilles» 2011 lanciert, wurde Kritik von Lehrkräften und Eltern laut: Die darin angewandte Pädagogik des Sprachbads funktioniere in den paar wenigen Französisch-Lektionen der Unterstufe nicht, das Lehrmittel habe überdies keine strukturierte Grammatik und kein zeitgemässes Vokabular. Der herausgebende Schulverlag Plus mit Sitz in Bern nahm darauf diverse Verbesserungen an «Mille feuilles» vor, die einen Teil der Lehrkräfte beruhigten.

Grosser Rat rannte
offene Türen ein

Im März 2020 hatte der bernische Grosse Rat zwei Motionen gutgeheissen, die Alternativen zu «Mille feuilles» forderten. Das Kantonsparlament rannte damit offene Türen ein. Denn schon Ende 2019 reagierte Bildungsdirektorin Häsler auf die Kritik und berief eine Arbeitsgruppe mit Fachkräften, die seither Alternativen diskutierten. «Ich bin offen, alternative Lehrmittel zuzulassen», erklärte Häsler schon 2019 im BZ-Interview.

Dass die Arbeitsgruppe ziemlich lange tagte, hat damit zu tun, dass das Alternativlehrmittel «Ça roule» 2019 für die Unterstufe noch nicht bereit war und nun erst in Berner Schulklassen getestet wurde.

Was bedeutet das Ende des «Mille feuilles»-Monopols im mit Abstand grössten Passepartout-Kanton für den Schulverlag Plus? «Wir nehmen den nicht überraschenden Entscheid der BKD zur Kenntnis», sagt Verwaltungsratspräsidentin Irene Frei. Der Schulverlag unterstütze die Liberalisierung im Lehrmittelmarkt, sei sie doch ein Haupttreiber für Innovation und Effizienz. Sie ermögliche die Wahlfreiheit und erhöhe die Transparenz für Lehrpersonen und Schulleitungen. Der Verlag habe sich entsprechend ausgerichtet und seine Französisch-Lehrmittel unter Einbezug von Fachpersonen weiterentwickelt.

Wie viele Lehrkräfte 
springen nun ab?

Fürchtet der Verlag nun finanzielle Einbussen? «Kurz- und mittelfristig erwarten wir keinen signifikanten Einbruch, zumal auch die Weiterentwicklung der Lehrmittel vom Markt gut aufgenommen wurde», antwortet Irene Frei. Wie viele Berner Schulen und Lehrkräfte nun vom «Mille feuilles»-Zug abspringen und umsteigen, ist schwer vorauszusagen. Einen Hinweis gibt der Kanton Baselland. Ende 2019 entschieden sich dort die Stimmberechtigten mit einem Ja-Anteil von 84 Prozent dafür, alternative Französisch-Lehrmittel zuzulassen. Anfang 2021 konstatierte dann die «Aargauer Zeitung», dass nur noch 68 Prozent der Fünftklässler und 45 Prozent der Lehrkräfte im Halbkanton «Mille feuilles» verwenden. Nach Baselland haben auch Basel-Stadt und Solothurn schon Alternativ-Lehrmittel zugelassen.

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