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Kantonswechsel

Moutier muss sich noch ein wenig gedulden

Bis Moutier zum Kanton Jura wechselt, dürfte es noch fünf Jahre dauern. Beschwerden könnten den Prozess verzögern.

Eine euphorische Menge auf dem Dorfplatz am letzten Abstimmungssontag. Vor dem Wechsel müssen sie jedoch noch ein wenig Geduld beweisen. Bild: Keystone

374 Stimmen gaben am Ende den Ausschlag. Am Sonntag haben die Einwohner von Moutier mit 54,9 Prozent im zweiten Anlauf Ja zu einem Wechsel zum Kanton Jura gesagt. Die Erleichterung in der Separatistenhochburg war gross: Nach der Bekanntgabe des Resultats brachen Hunderte Menschen auf dem Bahnhofplatz in Jubel aus.

Am Tag danach ist in Moutier bereits wieder Ruhe eingekehrt. Gestern am Morgen erinnerten dort vor allem noch ein übermaltes Jurawappen am Boden sowie der liegen gebliebene Abfall an die historische Abstimmung vom Vortag. Sonst nahm das Leben seinen gewohnten Gang. Es ist quasi wie bei einer neuen Heirat: Die Verlobung ist unter Dach und Fach und wurde entsprechend gefeiert. Jetzt geht es ans Organisieren der Hochzeit. Das ist Knochenarbeit. Im Falle der Vermählung Moutiers mit dem Kanton Jura kommt noch die Scheidung von Bern dazu. Deshalb wird die Planung Jahre in Anspruch nehmen.

Während die jurassische Regierung davon ausgeht, dass der Kantonswechsel per 1. Januar 2026 vollzogen werden kann, schliesst der Berner Staatsschreiber Christoph Auer auch 2027 nicht aus.

Klar ist: Die Gespräche zu den Formalitäten des Kantonswechsels beginnen, sobald das Abstimmungsergebnis rechtskräftig ist. Das wird frühestens in knapp 30 Tagen so weit sein. Beschwerden könnten den Prozess jedoch verzögern. Nach dem Störmanöver vom Samstag ist das alles andere als ausgeschlossen.

Nur einen Tag vor der Abstimmung wurde nämlich bekannt, dass es eine immer noch nicht geklärte Häufung von Personen gebe, die im Stimmregister aufgeführt seien, ihren Lebensmittelpunkt aber nicht in Moutier hätten. Dies bestätigte die Berner Regierung am Samstag in einem Communiqué.

Am Sonntag jedoch, nach dem deutlichen Resultat, spielte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg das Ganze herunter. Er bestritt denn auch, dass es sich um neue, bisher nicht bekannte Fälle handle. Darauf deutet auch eine Antwort von Regierungssprecher Christian Kräuchi von gestern hin. Er sagt auf Anfrage, dass der Kanton keine weiteren Schritte bezüglich des Stimmregisters ergreifen werde. Vorstellbar ist jedoch durchaus, dass Berntreue – angestachelt durch die neusten Gerüchte – auch dieses Mal das Abstimmungsergebnis anfechten werden. Aber: Allein mit Mauscheleien dürfte sich der doch recht deutliche Stimmenvorsprung nicht erklären lassen.Wenn die Abstimmung rechtskräftig ist, geht es ans Eingemachte.

 

Was geschieht mit der Verwaltung?

Dann müssen die bernische und die jurassische Regierung ein interkantonales Konkordat zur Gebietsveränderung ausarbeiten. Dieses muss den beiden Kantonsparlamenten und dem Stimmvolk der beiden Kantone vorgelegt werden. Denn die Bundesverfassung verlangt, dass sich die Stimmberechtigten der betroffenen Kantone zu einer Änderung des Kantonsgebiets äussern können. Wird das Konkordat in beiden Kantonen angenommen, geht es zur Genehmigung an die Bundesversammlung. Sagt hingegen ein Kanton Nein, endet das Verfahren, und die Kantonszugehörigkeit Moutiers gilt als definitiv geregelt.

Im Konkordat sollen die offenen Fragen geklärt werden. Es geht beispielsweise um Liegenschaften des Kantons Bern auf Gemeindegebiet von Moutier. Gehen diese Gebäude an den Kanton Jura über? Zu welchem Preis? Was ist mit den Kantonsstrassen? Gleichzeitig wird Bern auch den Verwaltungskreis Berner Jura neu organisieren müssen. Denn heute ist der grösste Teil der Verwaltung in Moutier angesiedelt – so etwa die Kantonspolizei, das Gerichtswesen, das Gefängnis oder die Steuerverwaltung. Insgesamt geht es um 168 Personen, die in Moutier für die Kantonsverwaltung tätig sind. Hinzu kommen 190 Lehrerinnen und Lehrer.

Die kantonalen Dienstleistungen müssen für die Bernjurassier auch nach dem Wechsel von Moutier zum Jura zur Verfügung stehen. Wie das sichergestellt wird, ist noch unklar. Regierungssprecher Kräuchi lässt sich nicht in die Karten blicken. Denkbar wäre etwa, dass die Verwaltungseinheiten nach St-Imier umziehen oder neu dezentral über den Berner Jura verteilt würden.

Zum Zeitpunkt des Kantonswechsels müssen diese Fragen geklärt sein, sagt Kräuchi. Und weiter: «Ob die Neuorganisation dann vollständig vollzogen sein muss oder ob es Übergangslösungen geben wird, kann heute nicht gesagt werden.»

 

Sagt die SVP doch 
noch Nein?

Das Ja der Gemeinde Moutier ist also nur der erste Schritt in die gemeinsame Zukunft, bei dem es noch diverse Stolpersteine gibt. Rein theoretisch könnte auch der bernische Grosse Rat die Heirat doch noch verhindern. Dass dies geschieht, ist aber ebenfalls unwahrscheinlich. Allerdings werde die SVP ihre Zustimmung zum Konkordat von der Streichung von zwei Artikeln der jurassischen Kantonsverfassung abhängig machen, sagte Kantonalpräsident Werner Salzmann auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

In den beiden Artikeln steht, dass der Kanton Jura weitere Teile desjenigen Gebiets aufnehmen kann, das sich 1974 zur Bildung eines Kantons Jura aussprechen konnte. Zudem kann die jurassische Regierung in einem solchen Fall ein Verfahren zur Schaffung eines neuen Kantons einleiten.

Auch die Berner Regierung hat die Streichung dieser Artikel gefordert. Die jurassische Kantonsregierung sagte bisher, sie sei bereit, die Streichung des Artikels 139 dem Volk vorzulegen. Dies, sobald die Kantonszugehörigkeit von Moutier gemäss der Roadmap aus dem Jahr 2015 geklärt sei. Marius Aschwanden

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