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Musikunterricht

90 Jahre – 90 Kompositionen

Die Musikschule Biel feiert dieses Jahr ihren runden Geburtstag mit einem ganzjährigen Fest der Kreation. Schülerinnen, Dozenten und Ehemalige beschenken die Jubilarin mit neuer Musik.

Elisha Stern hat die Entstehung von Narnia zu einem Orchsterwerk vertont – hier spielt er die abgespeckte Version auf dem Flügel.   copyright: tobias graden/bieler tagblatt

Tobias Graden

Er beginnt leise, aber effektvoll. Es dauert nicht lange, und da haut er voll in die Tasten. Der Flügel erklingt jetzt wuchtig, die Musik ist dramatisch; auch im Bass, der zuvor bloss zurückhaltend grundiert hat, ist jetzt eine Hektik und ein Grollen. Ist das Filmmusik? Dann klingt die Melodie von «Ne partez pas sans moi» an, diesem Schmachtfetzen von Céline Dion, später wankt das harmonische Gerüst kurzzeitig dissonant, als werde es von einem zwar unheimlichen, aber nicht unheilvollen Erdstoss erfasst.
Wahrlich, er hat einiges hineingepackt in seine Komposition, der Maturand und Musikschüler Elisha Stern. Für seine Maturarbeit hat er ein Orchesterwerk geschrieben, das auch in der reduzierten Version für Klavier alleine opulent klingt. Stern hat sich vom Epos «The Chronicles of Narnia» inspirieren lassen, an der Pressekonferenz der Musikschule Biel spielt er jenen Teil, in der es um Schöpfungsgeschichte von Narnia geht, eine Allegorie der Genesis in der Bibel.

Allesamt Uraufführungen
Das ist natürlich kein Zufall. Die Musikschule rückt nämlich in ihrem Jubiläumsjahr – sie feiert heuer ihr 90-jähriges Bestehen – nicht die Vergangenheit in den Mittelpunkt, sondern sozusagen den Moment, in dem die Zukunft geschaffen wird, den Moment der Kreation, der Komposition, wenn man so will: der Schöpfung. Sie tut dies, indem sie die Zahl «90» in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellt – und dabei 90 Uraufführungen darbieten wird. Schüler sowie aktive und ehemalige Lehrpersonen sind angefragt worden, ob sie zum Jubiläumsjahr neue Kompositionen erschaffen und der Schule zur Verfügung stellen.
Das Echo fällt überaus positiv aus, bereits sei die avisierte Zahl gar übertroffen worden, wie Joanne Baratta sagt, Projektverantwortliche und Lehrerin für Akkordeon. Alleine 20 Profis werden Werke zur Verfügung stellen, manche werden ihre neue Musik auch gleich selber aufführen. Die weiteren stammen von den Schülerinnen und Schülern selber, sie werden diese selbständig oder im Unterricht erarbeiten. Das Spektrum wird breit sein, zahlreiche Instrumente und Stile umfassen und von kurzen improvisierten Passagen über Instant Composing bis zum durchstrukturierten, niedergeschriebenen Werk reichen. Die Schüler werden sogar neue Instrumente erfinden und diese spielen.

Alle Anlässe sind öffentlich
Aufgeführt werden diese neuen Stücke an den vielen Konzertterminen, die ein Musikschuljahr ohnehin zu bieten hat – also beispielsweise in Musizierstunden, am Musikschulfest im März und insbesondere am grossen Jubiläumskonzert am 9. September, an dem ausschliesslich Ensemblestücke zur Darbietung kommen. Alle Anlässe sind öffentlich.
Die Musikschule wird dabei jede Uraufführung aufnehmen und auf ihrer Website publizieren – die Pandemie hat auch an der Musikschule einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Sie wird auch eine schriftliche Dokumentation erarbeiten. Das Budget für dieses Jubiläumsprogramm beträgt ungefähr 90000 Franken, es ist durch Eigenmittel und Unterstützungsbeiträge von Stiftungen und Privaten gedeckt.
«Es gibt an unserer Schule ein grosses kreatives Potenzial», sagt Direktor Lionel Zürcher – das Beispiel von Elisha Stern zeigt es. Der junge Pianist hat in den letzten Monaten aber auch gelernt, dass es mit der Kreativität alleine nicht getan ist. «Eine Komposition ist nicht etwas, das direkt kommt, sondern ein Prozess.» Und der bedeutet viel Aufwand: Während eines halben Jahres hat sich Stern seinem Werk gewidmet, hat Kreativtechniken ausprobiert und erkundet, wo er Inspiration finden kann. Entstanden ist dabei mehr als  «nur» ein Werk: «Ich habe viel über mich gelernt.»
Link: www.musikschule-biel.ch
 

Gebühren werden nicht erhöht

Im letzten Sommer hat der Kanton die Lehrpersonen auf Primarschulstufe in eine höhere Lohnklasse eingeteilt. Sie erhalten somit 4,5 Prozent mehr Lohn. Lehrpersonen an Musikschulen werden gleich behandelt. Das bedeutet für die Musikschule Biel: Die Lohnkosten steigen. Manche Musikschulen im Kanton haben deswegen die Gebühren erhöht.
In Biel ist dies aber nicht der Fall – jedenfalls noch nicht. «Wir konnten die Lohnerhöhung innerhalb der Gesamtfinanzierung auffangen», sagt Thomas Minger, Präsident des Stiftungsrats der Musikschule Biel, «es ist aber eine finanzielle Herausforderung.» Grundsätzlich begrüsse er die Besserstellung des Lehrpersonals: «Das ist eine Anerkennung der pädagogisch-künstlerischen Arbeit.» Gleichzeitig sei es für die Musikschulen unbefriedigend, wenn der Kanton zwar höhere Löhne verfüge, aber nichts auf der Einnahmenseite verändere. In Biel machen die Schulgelder etwa 30 Prozent der Einnahmen aus, die Beiträge der öffentlichen Hand (Kanton und Gemeinden) etwa 70. Dies bei einem Gesamtbudget von 5,6 Millionen Franken im Jahr 2020.
Minger kann darum nicht ausschliessen, dass die Schulgelder künftig doch erhöht werden müssen. Heute betragen sie 800 Franken pro Semester, für Einkommensschwache gibt es einen Sozialtarif. Laut Minger laufen Gespräche zwischen den Musikschulen und dem Kanton mit dem Ziel, den Grundfinanzierungsschlüssel anzupassen. tg

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