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Accessoire: Ameisenbär

Manch ein Hund liegt im Mausoleum, ein anderer wird nach dem Tod zum Bucheinband: Artistinnen und Artisten schmücken sich mit exzentrischen Tieren und exzentrischem Benehmen.

Tierischer Auftritt: Der spanische Maler Salvador Dalí 1965 mit einem seiner zahmen Ozeloten. Bild: zvg/Library of Congress
  • Dossier

Clara Gauthey

Der Surrealist Salvador Dalí liess sich für die Illustrierte «Paris Match» vor der Pariser Métro beim «Gassi-Gehen» mit einem seiner Ameisenbären ablichten, derer er, eigenen Angaben zufolge, sechs besessen haben soll. Ein PR-Gag des ansonsten zurückgezogen Lebenden, damals 65-Jährigen. Einen Ameisenbären aus einem Zoo nahm er auch in eine Fernsehshow mit, in welcher der Moderator Dalí mit dessen eigenen Worten vorstellte: «Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Irren ist, dass ich nicht irre bin.» Am liebsten aber führte der spanische Maler wechselweise seine Ozelote namens Babou und Bouba mit sich, wohl vor allem für einen gewissen Glamour-Faktor. Das Tier als Accessoire. Als exzentrischer Schmuck und Spiegel eines verschrobenen Egos?

Ein Tier auf dem Autositz, 
ein anderes als Autositzbezug

Sängerin und Tänzerin Josephine Baker schmückte ihren Geparden Chiquita mit einem Diamanthalsband. Er begleitete sie schon mal an Diners oder ins Bett. In Berlin zeigte sie sich mit einem Vogelstrauss als Kutschtier. Mit Flamingofedern oder Bananenröcken peppte sie ihre Bühnenoutfits auf, wohl auch, um das Klischee der ungezügelten Exotin zu zementieren. Die Sitze ihres Sportwagens liess sie mit Schlangenleder beziehen. So viel Extravaganz vertrugen wohl nur die «Roaring Twenties» und die Avantgarde. Grosskatzen oder andere exotische Wildtiere zu halten, ist heute eher ein Statussymbol im Rotlichtmileu und, zum Wohl der Tiere, nur unter diversen Auflagen und Bewilligungen erlaubt.

Ein Grabmal für den Hund – oder mit ihm gemeinsam

Allerdings hatte es unter gewissen Künstlern schon lange zuvor Tradition, sich mit ungewöhnlichem Getier zu umgeben. Der britische Dichter Lord Byron (1788-1824) soll einen zahmen Bären ans Trinity College in Cambridge mitgebracht haben, «weil Hunde dort nicht erlaubt waren». Auf die Frage, was das solle, sagte er, dass Tier solle sich hier «einen Magister ersitzen». Seinem Neufundländer Boatswain, um den er trauerte wie um einen guten Freund, liess Byron ein Grabmal errichten und verfasste für ihn das Gedicht «Epitaph to a Dog». Darin lauten die letzten Zeilen: «Diese Steine bedecken die Gebeine eines Freundes; ich kannte keinen ausser einem – und er liegt hier.» Angeblich soll er den Wunsch geäussert haben, neben ihm begraben zu werden. Das Gedicht stellt die Treue eines Hundes der «abscheulichen Natur» des Menschen gegenüber. Denn «seine Liebe ist Lust, seine Freundschaft Betrug, seine Zunge Heuchelei». In dieselbe Kerbe haut auch Autor Thomas Mann, als er seinem Tagebuch gegenüber bekennt, dass der Anblick eines hübschen Setters oder Pudels sein Herz weit mehr erfreue als derjenige des Homo sapiens. Ein Grabmal im Garten für zwei seiner verstorbenen Neufundländer liess auch Richard Wagner errichten. Mittlerweile überlegen Friedhöfe, gemeinsame Bestattungen von Hund und Herrchen zu erlauben, die Nachfrage ist da. Schon Friedrich der Grosse wollte nach seinem Tod 1786 gemeinsam mit seinen Windhunden begraben lassen.

Viele Tiere, ein Name: Der Spleen in der Tierbenennung

Ein besonderer Spleen ist es offenbar, Haustiere wie austauschbare Dinge mit demselben Namen zu taufen. So soll Charles Dickens drei Raben gehabt haben, welche allesamt Grip geheissen haben. Allerdings konnte nur der erste Namensträger «Halloa old girl!» sagen und zudem verblüffend echt das Knallen von Champagnerkorken imitieren. Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) suchte seit seiner Studentenzeit die Gesellschaft von Pudeln, welche er allesamt nach dem Wort der Buddhisten für die Seele, nämlich Atman nannte.

Ein wahrer Hundeverrückter muss Thomas Mann gewesen sein. Im Laufe seines Lebens soll er neun Hunde besessen haben, immerhin hiessen sie unterschiedlich: Percy, Bauschan, Billy, Tobby, Jimmy, Nico, Micky, ein Schäferhund namens Boris war es zuletzt.

Architekt Le Corbusier hatte ebenfalls mehrere Hunde. Seinen Schnauzer namens Pinceau soll er auf ziemlich besondere Weise für die Nachwelt erhalten haben: Sein Fell hat nach seinem Ableben als Einband einer Ausgabe seines Lieblingsbuchs «Don Quijote» gedient.

Max Frischs Haustier: 
Ein schnurrender Jaguar

Der romantische Dichter Lord Byron pflegte nicht nur einen ausschweifenden und kostspieligen Lebenswandel, sondern besass auch viele Tiere in einer Art Zoo mit Bär, Wolf, Affen, Fuchs, Pfauen, Dachsen und einem Krokodil bestückt. Friedrich Dürrenmatt zeigte sich da bescheidener, mit Nymphensittich Shakespeare oder dem Kakadu Lulu. Es hiess, er kokettiere gewissermassen damit, einen Vogel zu haben, also nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Überdies hielt er sich Hunde und einen Ziegenbock. Während sein Landsmann Max Frisch einen schnurrenden Jaguar lediglich als motorisierte Ausgabe mit Baujahr 1967, besass, hatten nicht wenige Kulturmenschen ganze Privatzoos à la Byron. Frida Kahlos mexikanische Caza Azul wurde bevölkert von Affen, Rehen, Vögeln, Katzen oder Hunden, welche auch immer wieder in ihren Gemälden und Selbstporträts auftauchen. Elvis Presley umgab sich mit einer nicht enden wollenden Reihe von Pferden, Hunden, Pfauen, Enten, einem Truthahn, dänische Doggen, Esel ... «Little Farm» wäre untertrieben. Sein Lieblingspferd «Rising Sun» ist auf dem Anwesen Graceland begraben. Michael Jackson schliesslich setzte dem Zoobesitzertum mit der Neverland Ranch die Krone auf. Hier hielt er vom Elefanten über Alligatoren, vom Lama bis zum Nilpferd, vom Zebra bis zur Riesenschildkröte ziemlich alles, inklusive Giraffen und Schimpansen. Mit Affe Bubbles liess er sich mehrfach, auch im Partnerlook, fotografieren, liess ihn seinen Moonwalk nachahmen und US-Künstler Jeff Koons fasste beide in einer kitschig-goldenen Porzellanstatue zusammen.

Aggressive Affen, unartige Hunde, trunkene Elche

Immer wieder kam es auch zu Problemen mit den Haustieren, gerade mit exotischen. Einer von Dalís Ozeloten soll in einer Galerie in Paris wertvolle Stiche aus dem 17. Jahrhundert zerkratzt haben, woraufhin der Künstler ungerührt sagte, das mache sie nur noch wertvoller als zuvor. Elvis Presley, der von seinem Agenten ein kleines Känguru geschenkt bekommen hatte, musste dieses 1957 dem Memphis Zoo übergeben, weil das Tier, je grösser es wurde, desto mehr Probleme bereitete. Und auch Richard Wagners Hunde zeigten sich mitunter unartig: Sie rupften den Pfauen die Schwanzfedern aus, rissen Hühner, Katzen und Fische im Garten, zerfetzten den Pelzmantel des Herrchens.

Der dänische Astronom Tycho Brahe soll einen zahmen Elch gehabt haben, den er einem Mentor schenken wollte. Doch das Tier erklomm auf einer Party im Schloss Landskrona eine Treppe, stiess auf ein Bierfass, trank es aus und stürzte im trunkenen Zustand die Treppe hinunter, wobei es sich ein Bein brach. Trotz bester Pflege starb der Elch. Und auch Jacksons Affe Bubbles, der in einem medizinischen Labor geboren wurde und mit ihm auf Welttournee ging, wurde eines Tages Menschen gegenüber zunehmen aggressiv. Jackson gab ihn daraufhin weg, weil er Angst hatte, das Tier verletze seine Kinder. Nach der Trennung soll Bubbles angeblich einen Suizidversuch begangen haben.

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