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Auf dem Gurten bleibt es erneut still

Die schlechte epidemiologische Lage und die fehlende Planungssicherheit haben den Ausschlag gegeben: Auch in diesem Jahr gibt es auf dem Berner Hausberg Gurten kein Festival.

Auch Lo & Leduc brauchen noch ein weiteres Jahr Geduld, bis sie am Gurtenfestival wieder so auftreten können wie 2019. Bild: Keystone

Martin Burkhalter

Die schlechte Nachricht ist wenig überraschend, und gleichzeitig fühlt sie sich doch wie ein gebrochenes Versprechen an: Das Gurtenfestival findet nicht statt. Irgendwie wollte man ja auf einen kleinen Festivalsommer hoffen, gleichzeitig schien schon länger klar, dass es ihn nicht geben wird – trotz der Impfung, die Hoffnung macht. Trotz der Aussicht auf wärmere Tage.

Die Unsicherheiten sind zu gross. Es fehlt an Gewissheiten, an Zuspruch. Die epidemiologische Lage ist weiterhin schlecht. Bei Grossanlässen wie dem Gurtenfestival kommt irgendwann ein Punkt, an dem es ohne Sicherheit oder zumindest Zugeständnisse nicht mehr geht. Und dieser ist jetzt erreicht. Oder wie es das Festivalteam in seiner Mitteilung formuliert: «Eine Ansage seitens Behörden über mögliche Rahmenbedingungen, Auflagen und Kapazitätsobergrenzen für Grossveranstaltungen im Sommer sind nicht in Sicht. Somit stolpern wir über die allseits bekannte fehlende Planungssicherheit.» Kurz: Die Zeit ist abgelaufen.

 

Verschiedene Szenarien

Die Festivalmacher haben bis zuletzt daran glauben wollen, dass das Gurtenfestival irgendwie wird stattfinden können. Mediensprecherin Lena Fischer spricht von etlichen durchgespielten Szenarien mit Hygiene- und Schutzkonzepten und sogar mit Testzentren vor Ort. Doch das alles erwies sich stets als zu teuer und zu komplex. «Man stelle sich vor, wir müssten jeden Tag rund 20 000 Besucherinnen und Besucher testen. Dies wäre für uns logistisch, zeitlich und finanziell ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.» Lena Fischer weiss, wovon sie spricht, schliesslich hat das Team kurzerhand das Schnelltestzentrum in Belp organisiert.

Nur eine Option gab es laut Lena Fischer nicht: das Festival zu verkleinern. Zum einen, weil Konzerte an einem Ort wie dem Gurten sehr viel kosten und sich erst ab einer gewissen Publikumsgrösse rechnen. Zum andern: Die DNA des Gurtenfestivals sollte beibehalten werden. «Es wäre sonst ein komplett anderer Anlass geworden, der nichts mit dem Gurtenfestival zu tun gehabt hätte. Das wollten wir nicht.» Es gebe in Bern ja ganz viele Veranstalter, in deren Kernkompetenz die eher kleineren Anlässe lägen. «Wir wollen niemanden etwas wegnehmen.»

Dabei gab es letzte Woche sogar noch Grund zur Zuversicht. Das Parlament hatte einer Art von Pandemieversicherung für Grossveranstaltungen, einem finanziellen Schutzschirm, zugestimmt. Laut dem Gesetz will sich der Bund an nicht gedeckten Kosten von «Veranstaltern von Publikumsanlässen von überkantonaler Bedeutung» beteiligen. Abgedeckt sein sollen Anlässe, die zwischen dem 1. Juni diesen Jahres und dem 30. April 2022 stattfinden und dafür eine kantonale Bewilligung haben, aber wegen behördlicher Anordnung zur Covid-19-Bekämpfung abgesagt oder verschoben werden.

Das schienen sehr gute Nachrichten für die Gurtenfestivalmacher zu sein. Es sah danach aus, als könnten sie vorläufig weiterplanen. Die Krux an der Sache ist aber die kantonale Bewilligung. Der Kanton Bern konnte laut Fischer schlicht keine Bewilligung in Aussicht stellen. «Der Schutzschirm für coronabedingte Absagen greift erst, wenn die Veranstaltung eine Bewilligung für ihren Anlass hat. Dies haben wir Stand heute nicht. Wir haben da natürlich vollstes Verständnis. Auch die Behörden haben keine Kristallkugel, mit der sie in die Zukunft blicken können.»

 

Traurig und erleichtert

Anders als letztes Jahr haben Lena Fischer und ihre Kolleginnen und Kollegen dieses Mal auch nicht auf ein behördliches Verbot gewartet. Eine wichtige Klausel hat die Entscheidung begünstigt. Denn eigentlich gibt es ohne ein offizielles Verbot auch keine Ausfallentschädigungen.

Die Berner Bildungs- und Kulturdirektion habe in einem Vorgespräch aber auf die «Pflicht zur Schadensminderung» verwiesen, sagt Lena Fischer. Diese besagt, dass ein Geschädigter die Pflicht hat, einen möglichen Schaden abzuwenden oder auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Unter diesen Voraussetzungen habe die Bildungs- und Kulturdirektion ihre Absage akzeptiert, so Fischer. Somit kann das Gurten-Team wohl mit Ausfallsentschädigungen rechnen.

Zur Höhe der bereits getätigten Ausgaben will sich Lena Fischer nicht äussern. «Wir haben aber so wenig wie nur irgendwie möglich ausgegeben», sagt sie. Ein Programm für die diesjährige Ausgabe gab es bereits. «Rein theoretisch würden wir die Gagen schulden, aber da es auf der Welt allen gleich geht, gehen wir nicht davon aus, dass irgendwer auf seiner Gage beharren wird», sagt sie.

Lena Fischer ist beides gleichzeitig: unendlich traurig und erleichtert. Die Entscheidung ist gefallen. Jetzt braucht es kein kraftraubendes Werweissen mehr. Jetzt könne auch etwas Ruhe einkehren, sagt sie. Und irgendwann beginnt dann die Planung für 2022. Denn, wie heisst es in der Medienmitteilung so schön: «Zwei Jahre hintereinander kein Güsche gibt im Folgejahr ein mindestens zehnmal so tolles Festival.»

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