Sie sind hier

Abo

Tierserie

Auf den Hund gekommen

Chantale Demierre malt Hunde und manchmal auch Wölfe. Wie sie dazu gekommen ist und was Hunde mit der Pandemie zu tun haben: Ein Besuch in ihrem Atelier in Biel.

Chantale Demierre: "Menschen jagen das Glück, Wölfe Kaninchen." Bild: Tanja Lander
  • Dossier

Helen Lagger

Hier wird Bier gebraut, Musik gemacht, genäht und gemalt. Das Atelier der Künstlerin Chantale Demierre in Biel befindet sich in kreativer Nachbarschaft. In Demierres Räumen hängen zahlreiche Ölgemälde von Hunden. Ein Sujet, das die 39-jährige Künstlerin schon längere Zeit beschäftigt. Demierre hat an der Hochschule der Künste in Bern Kunst studiert und später ihren Master an der Fachhochschule für Gestaltung und Kunst in Basel abgeschlossen.

In Rahmen ihrer Masterarbeit hat sie sich mit Hunden beschäftigt, die so gezüchtet werden, dass sie wie Wölfe aussehen. Es handelt sich um die Rasse Tamaskan aus Finnland. Sie malte Porträts dieser Hunde und schmuggelte einen echten Wolf darunter, den man kaum von den anderen Exemplaren unterscheiden kann. «Ich nehme auf, was um mich herum geschieht und habe das Gefühl, dass sich die Dinge manchmal auf fast magische Weise zusammenfügen.» In einer Basler Brockenstube stiess sie zufällig auf das Buch «The Philosopher and the Wolf» von Mark Rowland. Der 1963 in England geborene Tierethiker und Professor habe interessante Thesen aufgestellt, so Demierre. So spreche er ohne falschen Romantizismus davon, was er selbst vom Wolf gelernt habe. «Menschen jagen dem Glück hinterher, Wölfe Kaninchen», laute etwa eines seiner Bonmots.

An Hunden und seinen Vorgängern interessiert die Künstlerin nebst der ansprechenden Ästhetik auch die jahrtausendealte Beziehung zum Menschen. «Hat der Mensch den Wolf domestiziert oder umgekehrt? Ganz so sicher sei man sich da nicht», sagt sie. Der Hund ist in ihrem Atelier in unterschiedlichster Gestalt präsent: als Tierschädel, Spielzeug oder auf Buchdeckeln.

Corona auf der Spur

Die Künstlerin selbst hat zurzeit aus zeitlichen Gründen keinen Hund. Dafür nutzt sie den einstigen Strassenhund aus Mazedonien eines Freundes als Modell. Schlafend in sich zusammengerollt hat sie den braunweiss gescheckten Mischling auf eine quadratische Leinwand gebannt. Wie nützlich der Hund dem Menschen sein kann, hat sie auch in grösseren Gemälden zum Teil mit Menschen darauf festgehalten. Verschiedene Hunde stecken ihre Nasen in Trichter. Die Künstlerin hat sich von Medienbildern inspirieren lassen. «Ich habe Corona-Spürhunde gemalt, die man trainiert, um die Krankheit anhand des Geruches bei einem Menschen festzustellen», erklärt sie. Der Titel des ersten Bildes zu diesem Thema lautet «HVM, his Master’s Virus» in Anlehnung an das Plattenlabel «His Masters Voice». Diese riechenden oder manchmal auch neben einem Grammophon horchend dargestellten Hunde erinnern uns auch ein wenig an uns selbst während der Pandemie: Was kommt? Wann kommt der nächste Öffnungsschritt?

«Auch wir Menschen waren in den letzten Monaten in Alarmbereitschaft», sagt die Künstlerin. Stilistisch erinnern die Gemälde, denen trotz ihres Realismus auch etwas Eigentümliches anhaftet, der Malerei der Leipziger Schule. Manchmal platziert Demierre die Hunde in angedeuteten Zimmern, manchmal nur in Farbräumen, was den Szenerien etwas Unwirkliches und Suggestives verleiht.

Das letzte Nashorn

Demierre ist als eine von zwei Töchtern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Dass sie Künstlerin werden wollte, war exotisch. «Doch man liess mich machen.» Ihre Schwester, eine Sozialpädagogin, unterstütze sie sehr und helfe auch mal beim Aufbau einer Ausstellung. Es sei nicht immer einfach gewesen, sich während der Ausbildung als Künstlerin zu behaupten. «Wenn du figurativ malst und dann auch noch Tiere, musst du aufpassen, ernst genommen zu werden.» Doch sie sei selbstbewusster geworden. Mittlerweile konnte sie an zahlreichen Gruppenausstellungen in Biel und darüber hinaus teilnehmen. So sah man ihre Werke im Rahmen der Cantonale oder am Joli Mois de Mai. Aktuell malt Demierre keinen Hund, sondern ein Nashorn. Sie sah eine Dokumentation über das letzte Männchen vom nördlichen Breitmaulnashorn. «Es hiess Sudan und hat seine letzten Jahre in einem Park in Kenia verbracht, wo auch die Touristen kamen, um ein Selfie von sich und dem Tier, das bald aussterben wird, zu machen. «Das Nashorn ist 2018 gestorben, es gibt mittlerweile nur noch zwei Weibchen dieser Art», erklärt Demierre, die das letzte männliche Exemplar nun in Öl unsterblich gemacht hat.

Stichwörter: Kultur, Hund, Wolf, Malerei, Tiere, Kunst

Nachrichten zu Kultur »