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Kunst

«Aus dem gewohnten Orbit gehen»

Der Kunstverein Biel belebt leerstehende Geschäftsräume mit nicht kommerziellen Ausstellungen. Die erste Adresse der «Aktion Satellite» befindet sich an der Dufourstrasse.

Kleines Feuer im grossen Raum: Objekte von Maya Hottarek. Bild: matthias käser/bieler tagblatt

Alice Henkes

Hinter den Schaufenstern der ehemaligen französischsprachigen Abteilung des Buchhaus Lüthy tut sich Geheimnisvolles. Hinter dem Seiteneingang der Collègegasse steht seit einiger Zeit ein Ledersofa, einladend breit und knautschig. Und davor ein Bildschirm, auf dem gepinselt steht «Coming soon». Hinter der breiten Schaufensterfront an der Dufourstrasse kann man im dunklen, weiten Raum hier und dort Keramikobjekte in leuchtenden Farben erkennen.

Die junge Bieler Künstlerin Maya Hottarek hat die Objekte geschaffen, die kleine Farbakzente in dem weiten, leeren Raum bilden. Eingeladen wurde sie vom Kunstverein Biel, der, so erzählt Kuno Cajacob, «schon länger mal einen Schritt nach aussen machen wollte». Also: Raus aus den leidlich bekannten Kunsträumen und Kulturzirkeln, den üblichen Vernissagen-Zirkeln und Ausstellungs-Konventionen. Dafür rein in die Stadt und ins Getümmel. Oder besser gesagt: Dorthin, wo eigentlich geschäftige Bewegung sein sollte, wo zur Zeit aber nur Leerstand zu finden ist.

Lockfenster oder schwarze Löcher

Das grosse Ladenlokal an der Dufour-strasse, in dem sich früher die librairie française von Buchhaus Lüthy befand, steht seit einigen Monaten leer. Für Kuno Cajacob ist das ein Gräuel. Cajacob ist nicht nur Vorstandsmitglied im Kunstverein Biel, er ist auch Mitinhaber von «Spoerri Optik» an der Nidaugasse. Bieler Flaneurinnen und Flaneuren ist das Optiker-Geschäft für seine kreativen Schaufenstergestaltungen bekannt. «Schaufenster sind sehr wichtig», sagt er denn auch. Und Schaufenster, hinter denen nichts zu sehen ist, sind so etwas wie schwarze Löcher für die urbane Lebensfreude.

So entstand die Idee, leer stehende Ladenräume mit Kunst zu beleben. Gemeinsam mit Valerie Hashimoto und Maria Beglerbegovic, beide ebenfalls Mitglieder des Kunstvereins-Vorstands, plante er die Schaffung eines Kultur-Satelliten, mit dem die Kunst «aus dem gewohnten Orbit rausgehen» soll, wie Cajacob sagt.

Nichtkommerzielle Verkaufsräume

Die Idee hat etwas Verblüffendes: Räume, die normalerweise dem Verkauf von Waren dienen, sollen in einer Zwischennutzung zu nicht kommerziellen Kunsträumen werden. Wo es sonst um Geschäfte geht, soll mal nur das Vergnügen an der Kunst zählen.

Diese Idee überzeugte nicht nur einige Unterstützer wie die Stadt Biel, sondern auch die Liegenschaftsverwaltung, die den Satellit-Organisatoren die Geschäftsräume an der Dufourstrasse in Gebrauchsleihe übergab. Das heisst, Miete müssen die Kunstvereins-Mitglieder nicht bezahlen, aber die Nebenkosten, die durch die Nutzung der Räume entstehen.

Die erste Künstlerin, die den Satelliten bespielen darf, ist die junge Bielerin Maya Hottarek. In ihrer Arbeit lotet sie gern die Grenzen zwischen hoher Kunst und angewandter Kunst, Kulturobjekten und Gebrauchsgegenständen aus. Damit passen ihre Keramik-Objekte ganz vorzüglich in den einstigen Buchladen, der sich nun vorübergehend in einen Off-Space verwandelt. Maya Hottarek gestaltet Keramik-Objekte, von denen einige funktionalem Teegeschirr zum Verwechseln ähnlichsehen. Und manchmal benutzt die Künstlerin ein Kannenobjekt auch als Teekanne und stellt es hinterher auf seinen weissen Museumssockel zurück.

Für Maya Hottarek steckt in der Doppeldeutigkeiten ihrer Objekte auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Alltagserfahrung an der Hochschule der Künste Bern. «Die Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht, ist an einer Kunstschule allgegenwärtig», sagt sie.

Maya Hottarek hat jedoch nicht nur die Objekte geschaffen, welche die weitläufige Ladenfläche locker mit Farbe sprenkeln. Sie hat auch ein kleines Veranstaltungsprogramm organisiert, das ihre Ausstellung zusätzlich beleben soll. Am Sonntag, 20. März findet zwischen 14 und 18 Uhr eine Schreibperformance mit Livio Casanova statt. Zur Finissage am 2. April gibt es ab 14 Uhr Live-Musik mit King C und Bmon. Zwischen diesen Veranstaltungen ist der Satellit nur sporadisch geöffnet. Als Faustregel kann man sich merken: Wenn Licht brennt, ist der Laden offen.

Wander-Satellit

Eine Woche später übernehmen dann Studierende der Schule für Gestaltung das Ladenlokal. Sie werden vielleicht auch Workshops im einstigen Buchgeschäft durchführen. Der Satellit ist offen für viele Formen der Belebung.

Und wenn die Geschäftsräume an der Dufourstrasse wieder vermietet werden, dann «kann der Satellit auch wandern», sagt Kuno Cajacob. Das klingt verheissungsvoll nach einem Kunstprojekt, das sich locker mal hier mal dort andockt und ein bisschen buntes Leben in leerstehende Ladenlokale bringt.

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Aktion Satellite

  • Eine Aktion des Kunstvereins Biel zur Belebung leerstehender Ladenlokale.
  • Organisatoren: Kuno Cajacob, Valerie Hashimoto und Maria Beglerbegovic.
  • Raum: Dufourstrasse 17 (ehemals Buchhaus Lüthy). Dieser Raum wird voraussichtlich bis Ende Juni 2016 bespielt.
  • Aktuelle Ausstellung: Maya Hottarek. Die Bieler Künstlerin zeigt Keramik- Objekte.
  • Performance: Sonntag, 20. März, 14 bis 18 Uhr, Schreibperformance von Livio Casanova.
  • Finissage: Samstag, 2. April, 14 bis 17 Uhr mit Live-Musik.
  • Kontakt und weitere Infos: www.kunstverein-biel.ch ahb

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