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Biel

Bei ihnen kann man Töne schauen

Fünf Menschen widmen sich in Ben Jegers «Trallalabor» den Klängen, Bildern und Schwingungen. Spielend auf Maschinen machen sie Töne sichtbar.

Morgen präsentieren die fünf ihr Werk zum ersten Mal, und zwar im «Le Singe» in Biel. Matthias Käser
  • Dossier
Vera Urweider
 
Eigentlich ist da diese klassische Basso Continuo-Konstellation: Bass, Cello und Cembalo. Tiefe, dunkle, tragende Klänge. Eigentlich. Denn der Komponist selber, Ben Jeger, spielt neben des Cembalos auch Elektronik. Das geschieht auf der einen Hälfte der Bühne. Auf der anderen Hälfte geht es noch weiter weg von der klassischen Basso Continuo-Konstellation. Dort stehen klingende Maschinen, wie sie Jeger nennt. «Nein, das sind schon Instrumente», sagt jedoch der Maschinen-Spieler dazu. «Ich bringe die ja zum klingen. Und das muss ich üben», so Philipp Läng über seine Instrumente. Maschinen. Instrumaschinen?
 
«Trallalabor» nennt sich Jegers Komposition. Eine Komposition, die morgen im Bieler «Le Singe» ihre Uraufführung findet. Endlich. «Es ist der dritte Anlauf, den wir nun nehmen», so Jeger, zu den gefühlt endlosen pandemiebedingten Verschiebungen und Absagen. Geplant war «Trallalabor» ursprünglich für Oktober 2020. Da wurde auch schon mal zünftig geübt. Anfang Frühling dieses Jahres hatte man dann schon dazugelernt, «da hat nur das Trio seinen Teil geübt», so Läng. Und nun, «kurz bevor es Staub ansetzt», wie Jeger scherzt, traf man sich zweimal im Proberaum, um die Puzzleteile definitiv zusammenzusetzen, bevor es morgen Abend zur Premiere vor Publikum kommt.
 
Die Puzzleteile: Neben dem Basso Continuo-Trio (Ben Jeger, Martin Birnstiel, Christian Weber) gemischt mit Elektronik, sind da eben noch die Instrumaschinen. Dann gibt es noch eine Leinwand mit Videos und eine Überraschung. Doch eines nach dem anderen. Philipp Läng ist ja bekannt für seine Installationen. Maschineller und künstlerischer Art, er wird auch schon mal mit Tinguely verglichen – doch eben, seine Konstrukte sind nicht darstellende Kunst, sondern Instrumente. Klanginstallationen. Diese haben Jeger fasziniert und inspiriert. «Philipps Klanginstallationen haben mich dazu gebracht, rundherum zu komponieren», sagt er. Es sei Jegers Projekt, er sei eine Art Bandleader. Doch am Anfang standen Längs Arbeiten.
 
«Es ist Physik»
Die beiden kennen sich noch gar nicht so lange. Obwohl sie sich beide – unter anderem – in der zeitgenössischen und improvisativen Musik bewegen. «Irgendwann spielten wir am selben Anlass», so Läng, «dann lud ich ihn in die Voirie zu einer meiner merkstatt-Wochen ein.» Da war auf einmal dieses gegenseitige Interesse. Eine Verbindung. Dann eine Idee, eine Komposition und nun eben ein etwa einstündiges Klangerlebnis. Ein Stück, das konzeptuell komponiert ist. Konkrete Musik. Momente der ausgeschriebenen Komposition werden durch Improvisationsblöcke abgelöst, bis diese wieder in die ausgeschriebenen Stücke münden.
 
«Es ist Physik, was er da macht», so Jeger über Längs Klangarbeit. Musik sei immer Physik, kontert Läng. «Ich mache vielleicht die Physik sichtbar. Also anschaulich», fährt er fort. Ja, es sei definitiv ein Stück «zum luege», so Jeger weiter. «Zum luege», das ist eben auch Puzzleteil Nummer drei. Das Video. Weil drei Instrumente, viele Instrumaschinen und vier Musiker reichen nicht aus für «Trallalabor». Der fünfte im Bunde ist Videokünstler Janosch Perler. «Leider sehen wir auch nicht genau, was er filmt.» Läng lacht. Der Filmer sei wie ein fünfter Musiker in «Trallalabor» integriert, heisst es. Er werde auf der Bühne herumschleichen und die Klänge visuell einfangen, die wiederum live auf die Leinwand produziert werden. Nur in einem Moment wird Perlers Übertragung unterbrochen, dann nämlich, wenn Läng selber eine Projektion startet. Bilder der klanglichen Schwingungen im Wasser. Anschauliche Physik eben.
 
«Dinge haben Funktionen»
Doch wie sehen nun eigentlich Längs Instrumaschinen aus? Was nimmt er mit ins «Le Singe»? «Da ist zum einen ein Laubsägeli», sagt er. Es trägt den schlichten Titel «Sägen für die Menschheit». Ein Laubsägeli? Auf einer Konzertbühne? In einer Klanginstallation? Ok! Für Läng sei es das Bindeglied zwischen der Improvisation und der Perkussion, wo er eigentlich ursprünglich herkommt. Das Läubsägeli ist verantwortlich für den Groove in «Trallalabor». «Ich gebe den Dingen neue Funktionen», sagt er. So spielt er schon auch mit «klassischen» Instrumenten, doch behandelt er diese anders. Eine Gitarre beispielsweise kann auch ein Trümeli sein. «Egal was es ist, meine Einstellung ist stets instrumental», sagt er weiter. Und eben nicht maschinell.
 
Neben dem Laubsägeli besteht «Trallalabor» noch aus einem uralten Hackbrett, einem Klangteppich aus Tonbändern und einem Walfisch. Seinem Walfisch. Der Walfisch ist eines seiner ganz frühen Instrumente und sieht so überhaupt nicht wie ein Walfisch aus. Es ist vielmehr ein Stock mit einer Art Saite. Den Stock kann man perkussiv bespielen, die Saite streichend. Der Klang dann, das könnte einem Walfisch-«Wuuuu» ähnlich kommen.
 
So viel sei verraten. Und vielleicht noch dies: Es gibt nochmals ein Puzzleteil mehr auf der Bühne. In der Person der Bildhauerin Esther Schmelcher. «Doch das ist ein bisschen eine Art Überraschung, glaub ich», sagt Jeger. Läng nennt es «Structure tricotée», was sie machen wird. Stricken? Sich verstricken? Bildhauen? Videobildhauen? Man weiss es nicht. Vielleicht hilft sie die Basso Continuo-Truppe, die Instrumaschinen und das Video zusammen zu flechten zu einem Ganzen, was laut Läng «nämlich noch schwierig zu beschreiben» sei. «Bestimmt sogar», so Läng weiter. Aber der Rest, bleibt eben Überraschung und soll bei einem vielleicht letzten Konzert vor dem drohenden erneuten Kulturwinterschlaf selber vor Ort entdeckt werden.
 
Info: Trallalabor – Klanginstallationskonzert. Le Singe, morgen, Türöffnung 20 Uhr.
www.lesinge.ch

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