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Oper

Chorprobe in den Hängenden Gärten

Den Gefangenenchor haben sie schon drauf: Der Konzertchor Biel Seeland probt für zwei konzertante Aufführungen von Verdis «Nabucco». Der Übungsbesuch zeigt: Das wird etwas.

Der Dirigent als lebendes Metronom: Beat Ryser Firmin probt mit dem Konzertchor Biel Seeland und stampft, klatscht, schnippt. Bild: Nico Kobel

Peter König

Montagabend, im Fernsehen spielt Susanne Kunz «Einer gegen hundert». In der Primarschule Neumarkt läuft derweil «Einer mit hundertfünfzig»: Dirigent Beat Ryser Firmin probt mit dem Konzertchor Biel Seeland Giuseppe Verdis Erfolgsoper «Nabucco». Boden und Wände in der oberen Turnhalle sind zwar hellgrün, aber es braucht Fantasie, sich hier die Hängenden Gärten Babylons vorzustellen.

An den Ufern des Euphrat singen die gefangenen Hebräer den berühmtesten aller Opernchöre, diesen Evergreen, dessen politische Bedeutung Mitte des 19. Jahrhunderts wir kaum mehr erahnen können. Wie bei Laienchören üblich, sind es mehr Frauen als Männer, aber Chor und Zusatzchor sind in allen Registern ausreichend besetzt. Allerdings, meint Ryser Firmin, sei die Personaldecke bei den Männern eher dünn.

Er ist kein Pult-Tyrann
Trotzdem reicht es trotz schwieriger Probenbedingungen für einen satten Klang; man hat in die Neumarkt-Schule ausweichen müssen. Das Klavier steht an der Seite, die Akustik ist eher spröde. Trocken ist bald auch die Luft, der Dirigent greift des Öfteren zur Wasserflasche.

Und trocken kann Rysers Humor sein, er ist nie um einen Spruch verlegen. Beat Ryser Firmin ist kein Pult-Tyrann: Leise Ironie ja, wohlwollender Sarkasmus vielleicht, aber immer Respekt für seinen Chor. Und Sachkunde; er weiss, was er will. Er fordert es ein durch aufmunternde Bilder. Man solle sich vom Tempo nicht fortziehen lassen wie ein Vierspänner über den Gotthard. Hier müsse es holzschnittartig klingen, staccato – man denke an Lötschentaler Masken. Und da bitte nicht auf den Tönen absitzen: hilfreich für den Chor und unterhaltsam für den Zaungast.

Neue Sportart
In der Pause gibt es dann doch auch noch Sport in der Turnhalle, und erst noch eine neue Disziplin: Plakatrollenwerfen. Die Rollen fliegen durch den Saal und werden geschickt aufgefangen, man hat offenbar Übung. «Schwadernau! Ligerz! Müntschemier! Neumarkt! Bahnhofplatz! Altstadt!», tönt es. Konzertchor Biel Seeland, das verpflichtet. Stadt und Region wollen beklebt werden, «aber nicht zu früh», wie Kassier Peter Schott anmahnt. Die Kampagne wird ihren Zweck nicht verfehlen. Kleiderfragen werden erörtert: Schwarz, aber Krawatte für die Herren nicht nötig. Die Damen bitte ohne auffälligen Schmuck. Der Dirigent gibt noch einige Anweisungen zu den Auf- und Abgängen am Konzert, zum Aufstehen und Absitzen. Beides dürfe nicht zu militärisch wirken. Auch das wird geübt und klappt schon ganz gut.

Riesige Chorpartie
Der Chor hat im «Nabucco» unglaublich viel zu singen, in elf von sechzehn Nummern ist er gefragt. Viel Text und sehr viele Noten. Den Text verstünde man oft lieber nicht, da wird in einem fort verdammt, verraten und verkauft. Aus normalen Mitmenschen werden Babylonier, Jungfrauen, Krieger und gefangene Hebräer. Die Männer und Frauen aus dem Seeland sind bei der Sache. Ryser Firmin weiss sie zu motivieren, auch als lebendes Metronom: Mit Stampfen, Klatschen, Fingerschnippen gibt er Takt und Tempi vor. Er verweist auf Zweischlagnoten, Sottovoce-Vorgaben und andere Finessen und lässt auch mal was wiederholen. Von Fenena über Ismaele bis Nabucco singt er alle Soli; hier und da wird oktaviert, aber was solls.

Mutsumi Arai, die Korrepetitorin, geht hellwach mit, das Surfen im Klavierauszug scheint sie gewohnt. «Vier Takte vor 183», und präzise setzt sie ein. Ihr Piano ersetzt ein ganzes Opernorchester, Klangwogen wechseln ab mit feinziseliertem Accompagnato.
Es ist erst eine Chorprobe, aber bereits ein Hörgenuss. Schon jetzt lässt sich voraussagen, dass der «Nabucco» in einem Monat etwas wird. Anstelle des Klaviers wird dann das Sinfonieorchester Biel Solothurn spielen, und Dirigent Beat Ryser Firmin kann sich voll auf seine Kernaufgabe konzentrieren: Die Solopartien sind dann Sache eines erstklassigen Ensembles. Beide Aufführungen könnten bald ausverkauft sein.

Info: Freitag, 3. Mai, 19.30 Uhr, Sonntag, 5. Mai, 17 Uhr, Kongresshaus, Biel. Informationen und Tickets unter www.konzertchorbielseeland.ch

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