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«Das Festival gehört nach Biel»

63 Werke, 14 500 Zuschauer. Das Festival du Film Français d’Helvétie ist gestern zu Ende gegangen.

Über 14 000 Zuschauerinnen und Zuschauer, 63 Filme und 30 Gäste, Bild: copyright: tanja lander / bielertagblatt

14 500 Zuschauerinnen und Zuschauer. Man kann die Zahl von zwei Seiten betrachten: Sie ist kleiner als im vergangenen Jahr, aber über zahn Prozent höher als 2013. Im letzten Jahr hat das Festival du Film Français d’Helvétie (FFFH) den zehnten Geburtstag gefeiert. Es war klar, dass die Besucherzahl von 2014 nicht ganz erreicht werden würde. Trotzdem zeigte sich Festivaldirektor Christian Kellenberger gestern Abend gegenüber dem BT zufrieden: «Es ist hervorragend gelaufen. Die Organisation hat reibungslos funktioniert. Wir spüren nach elf Jahren eine Ruhe im Team.» Eines hat Kellenberger besonders gefreut: «Die Reaktionen der Bielerinnen und Bieler geben uns Energie. Das Festival gehört nach Biel und bleibt auch hier.» Nichtsdestotrotz streckt das FFFH seine Fühler 2016 nach Bern aus. Biel verliere aber dadurch nichts, so der Festivaldirektor. Es werde für Bern auch nichts Neues erfunden. Aber einige der Filme dort zu zeigen, eine «sanfte Expansion», sei wünschenswert.

Kino unter freiem Himmel auf dem Bieler Zentralplatz, coyright: patrick weyeneth / bieler tagblatt

Erneut ein Erfolg war «Bienne Ciel Ouvert», die kostenlosen Filmvorführungen unter freiem Himmel. Von den Begegnungen zwischen den Filmemachern und dem Publikum bleiben besonders die Auftritte von Regisseur Xavier Giannoli («Marguerite») und das «Rencontre» mit Jean-Pierre Améris am gestrigen Nachmittag in Erinnerung. Mehrfach wurde das FFFH von den Gästen als «Familie» bezeichnet. Für Kacey Mottet Klein trifft diese Bezeichnung am besten zu. Der junge Schauspieler aus Lausanne war bereits zum siebten Mal in Biel - im Interview spricht er über seine Beziehung zum FFFH und über seine Angst vor der Zukunft. Im FFFH-Trailer erklärt Patrick Bruel, dass es in Biel um den Film geht und nicht um Schokolade. Trotzdem lassen sich Vergleiche ziehen. raz

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Biel ist Kino ist Schokolade
Bienne, c’est du cinéma, pas du chocolat», sagt Patrick Bruel im Trailer zum Festival du Film Français d’Helvétie (FFFH). Ja, Biel ist Kino, nicht Schokolade. Aber: Kino ist wie Schokolade – mal süss,  mal klebrig, mal bitter, mal gesalzen, mal dunkel, mal hell, mal nur Couverture, mal tröstend, mal vergeht es auf der Zunge und manchmal gibt es auch einiges zu beissen. Am FFFH war von allem etwas zu sehen. Und so gut die Schweiz im Herstellen von Schokolade ist, so gut ist Frankreich im Machen von Filmen. Praktisch alle gezeigten Werke waren von hoher Qualität. Das ist nicht nur ein Beweis für das Können der französischen und Westschweizer Filmemacher, sondern für jenes der Organisatoren des Festivals. Sie haben die Pralinen herausgepickt, damit sie das Bieler Publikum kosten konnte. So waren etwa alle fünf Filme, die es in Frankreichs Vorausscheidung für die Oscarverleihung geschafft haben, in Biel zu sehen.

Die neue Ruhe
Es ist eine Freude, dieses frankophone Kinoschaffen Jahrgang 2015, und es ist ein Privileg, hier in Biel mit dem Festival den Zugang zu diesen Werken zu haben. In den letzten Tagen ist ein Füllhorn an originären und originellen Geschichten ausgeschüttet worden. Die Werke bejahen das Leben mit allen Höhen und Tiefen – und sie berühren.

Auch organisatorisch hat das FFFH überzeugt:Ablauf, Betreuung, Ticketbuchung, Podien, der Einsatz der Mitarbeiter – es ist alles reibungslos gegangen. Eine Sicht, die auch Festivaldirektor Christian Kellenberger teilt: «Wir haben eine neue Ruhe entdeckt, eine positive Routine.» Weiter erfreulich: Die Verantwortlichen haben es verstanden, ihre Informationen und Aktionen regelmässig auch auf den sozialen Kanälen zu veröffentlichen. Facebook und Twitter wurden rege bedient. Nur bei der direkten Interaktion mit Freunden und Followern ist noch Luft nach oben.

Der alte Wunsch
Im Vorfeld des Festivals gab es einige Unsicherheiten, weil das Hotel Elite nicht mehr zur Verfügung stand. Im Nachhinein gewinnt Kellenberger diesem Umstand Positives ab: «Ja, wir hatten unsere Befürchtungen. Doch die Veränderungen, zu denen wir gezwungen wurden, haben uns gut getan. Früher war alles an einem Ort zentriert. Nun haben wir neue Lokale entdeckt, wir sind verstreuter über die ganze Stadt präsent. Biel wird so mehr belebt. Das fördert den ‹Festivalcharakter›». Seinen «schönsten Moment» hatte Kellenberger gestern, als er in einem vollbesetzten Kino Apollo stand:«Um 11 Uhr an einem Sonntag wollen fast 400 Menschen einen Film sehen – und das bei schönem Wetter und obwohl die Komödie von Jean-Pierre Améris bereits am Vorabend gut besucht war.»

Für Kellenberger und sein Team ist klar.Es gibt auch eine zwölfte Durchführung des FFFH in Biel: «Die Stadt ist und bleibt das Herz dieses Festivals». Trotzdem wird 2016 nach Bern expandiert. Sanft, wie Kellenberger betont. «Biel verliert nichts. Wir möchten einfach einige Werke auch in Bern zeigen.»

Apropos Bern: Gegenwärtig (2014-2016) unterstützt der Bund neun Filmfestivals – das FFFH gehört nicht dazu. Noch nicht. Der Besuch von Bundesrat Alain Berset sei sicher keine Garantie, so Kellenberger, aber doch ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass das Festival zur Kenntnis genommen wird. Bald werden die neuen Verträge ausgehandelt. Das FFFH wird ein Dossier einreichen.

Biel ist Kino ist Schokolade – und vielleicht wird das Festival bald vom Bund unterstützt. 

Simone Tanner, Sven Weber, Simon Dick und Raphael Amstutz

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Stichwörter: FFFH, Film, Kino, Biel, Festival, Filmfestival

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