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Popmusik

«Das Jungfraujoch ist magisch»

Für sein «Discover»-Album hat sich Zucchero auf dem Jungfraujoch fotografieren lassen. Morgen Abend stellt er sein Hausmittel gegen den Pandemie-Blues in der SRF-Show «Happy Day» vor.

Bild; Daniele Barraco/zvg

Interview: Reinhold Hönle

Zucchero, die Musik auf Ihrem neuen Album wirkt ebenso mystisch wie die Fotos von 
Ihnen auf dem Cover und im Booklet. Wie sind diese entstanden?

Zucchero: Als ich in diesem Sommer ein Konzert oberhalb von Bern (er meint beim Grindelwald Terminal, Anm.d.Red.) gegeben habe, bat ich einen sehr guten Fotografen, mit dem ich befreundet bin, meine Lieblingsdecke bei mir zuhause abzuholen und mir nachzureisen. Um afu den Gletscher zu gelangen, wo wir die Bilder gemacht haben, mussten wir auch noch einen Zug besteigen, eine Gondel nehmen und durch einen Eistunnel fahren, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Der Ort ist magisch und die Aussicht fantastisch!

 

Es sieht aus, als wäre es auf dem Jungfraujoch sehr kalt und windig gewesen ...

Allerdings, deshalb mussten wir uns auch beeilen! Wir haben diese Fotos in nur zehn Minuten gemacht. Weil sie mir so gefielen, haben wir sie für das Album-Artwork verwendet. Sie passen sehr gut zum Albumtitel, weil auch das Wort «cover» (zudecken, Anm. d. Red.) drinsteckt.

 

Wenn man ihn «Disc over» liest, bezeichnet er auch ein Problem so vieler Musiker ...

(Lacht laut) Daran hatte ich gar nicht gedacht! Bald wird es keine CDs mehr geben. Dafür explodiert momentan die Nachfrage nach Vinylplatten, den Tonträgern, mit denen meine Karriere begann. Schauen wir mal, wohin die Entwicklung führen wird.

 

Wollen Sie mit Ihrem Cover auch ausdrücken, dass es auf unserem Planeten angesichts von Pandemie und Klimawandels frostig geworden ist?

In einer Zeit der vielen Unsicherheiten und Veränderungen, wo alles in der Schwebe ist und die Menschheit die Kontrolle verloren hat, gefällt mir der Gedanke, dass mich etwas umarmt, erwärmt und beschützt.

 

Haben Sie – wie viele andere Künstler – momentan Mühe neue Songs zu schreiben und deshalb Coverversionen aufgenommen?

Als Corona kam, probten wir gerade für meine Welttournee mit 150 Konzerten, dank der 80 Personen ein Jahr lang Arbeit gehabt hätten. Der Lockdown war ein Schock für uns alle. Einige Mitarbeiter mussten den Beruf wechseln, um ihre Familien ernähren zu können. Meine Krise dauerte zwei bis drei Monate. Dann habe ich wieder Songs zu schreiben begonnen und mir überlegt, was ich sonst noch tun könnte. Da ich schon seit einigen Jahren an ein Album mit Coverversionen dachte, beschloss ich, diese Idee nun umzusetzen.

 

Haben Sie während dem 
Lockdown viel in Ihrer 
Plattensammlung gestöbert?

Ja, sicher, ich bin ein grosser Vinyl-Fan! Ich liebe diesen Sound. Ich hörte Alben von Genesis, Pink Floyd, Aretha Franklin und vielen anderen Künstlern, die mich in meiner Jugend beeinflusst und geformt haben. Musik aus einer Zeit, in der es Stücke gab, die zehn Minuten oder länger dauerten, und wo man nicht so einfach von einem Song zum nächsten hüpfen konnte. Sie war damals noch etwas ganz Wichtiges und die Musiker mussten sehr, sehr gut sein. Nun ist das ein wenig anders ...

 

Wie haben Sie die Lieder 
ausgewählt?

Es gibt afroamerikanische Musik, die mich schon immer inspiriert hat, Lieblingspopsongs wie «Follow You Follow Me» oder «The Scientist», und Canzoni mit typisch italienischen Melodien, die zu meinen Wurzeln gehören.

 

Gibt es auf dem Album auch Songs, die Sie erst während der Vorbereitung für sich entdeckt haben?

Ja, auf die Lieder von Bono und Michael Stipe bin ich zufällig auf Youtube gestossen. Ich dachte: Wow, die sind echt toll! Das sind wirkliche Songs und nicht nur rhythmische Musikstücke. Lieder mit einem poetischen Text und einem aktuellen Inhalt, denn sie sprechen von der Pandemie und der heutigen Welt. Deshalb bat ich auch, sie auf Italienisch übersetzen zu dürfen.

 

Wie sind die Duette 
entstanden?

Mit Bono habe ich online gearbeitet. Er war in Dublin und ich in der Toskana. Elisa habe ich persönlich getroffen, weil ich mit ihr befreundet bin, seitdem wir das Lied «Luce», mit dem sie vor 20 Jahren das San Remo Festival gewann, gemeinsam geschrieben haben. Bei «Lost Boys Calling» gab mir Ennio Morricones Sohn die Erlaubnis, die Originalpartitur seines Vaters zu verwenden.

 

Was hat Ihnen Bono über die Entstehung seines nur auf Facebook veröffentlichten «Let Your Love Be Known» erzählt?

Er sei von der Reaktion der Italiener auf Corona beeindruckt gewesen, wie die Leute auf den Balkonen gesungen und gemeinsam versucht hätten, auf eine Katastrophe mit etwas Positivem zu reagieren. Als ich dies hörte, fühlte ich mich tief berührt und wollte, dass die Italiener durch «Canta la vita» Bonos Gedanken kennenlernen.

 

Coldplays «The Scientist» 
postuliert, dass die Liebe viel schwieriger zu lernen und zu verstehen ist als jede Wissenschaft. Sind Sie einverstanden?

Ja, Chris Martin hat so recht! (Lacht laut) Aber man kann ja trotzdem nicht sein ohne Liebe, oder? Ich hoffe einfach, dass wir für sie nie ein Covid-Zertifikat brauchen werden.

 

Wobei es manchmal besser wäre, wenn man sich gegen die Liebe impfen lassen könnte …

Ja, gegen toxische Beziehungen. Aber sprechen wir nicht darüber, habe ich doch schon einige Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht, schlechte Erfahrungen! Viele meiner Partnerinnen haben nicht verstanden und akzeptiert, dass die Musik meine grosse Liebe ist und immer bleiben wird. Sie reagierten eifersüchtig, betrachteten die Musik als Konkurrentin, und versuchten sie auszustechen. Gott sei Dank habe ich nun eine Schweizer Partnerin, die sehr unabhängig ist und nicht ständig meine Aufmerksamkeit braucht.

 

Wahre Liebe ist auch, einander viel Freiheit zu lassen.

Genau. Erinnern Sie sich? (Leise singend) «If you love somebody, set them free …» Wenn man es nicht tut, wird die Liebe zu einem Gefängnis und das macht niemanden glücklich.

 

Bisher haben wir über Ihre 
Coverversionen gesprochen. Wer hat die schönsten Coverversionen eines Zucchero-Songs gemacht?

«Hey Man» von B. B. King und «Miserere» von Andrea Bocelli haben mir sehr gut gefallen. Und «Senza una donna» von U2. Ich sass bei ihrem Konzert in Rom auf der Tribüne des Stadio Olimpico, als Bono mein Lied sang. Ich war geschockt, weil es so völlig unerwartet kam.

 

Am Samstag sind Sie in der Schweizer Fernsehshow «Happy Day» zu Gast. An welchen besonderen Glückstag Ihres Lebens erinnern Sie sich?

(Überlegt lange) Eine sehr schöne und intensive Erfahrung war, als ich mit meiner Partnerin und meinem Sohn Blu auf der Route 66 von St. Louis nach Santa Monica gefahren bin. Auf dieser langen Reise hat mir mein Sohn von seiner ersten Liebe erzählt, seinen Zweifeln und seinen Träumen.

 

Als Oldtimer-Fan haben Sie für diesen Trip sicher ein ungewöhnliches Auto gemietet …

Nein, wir haben einen modernen Van vorgezogen. Entscheidend war die Bequemlichkeit und, dass er noch einen CD-Player hatte.

Info: Zucchero: «Discover» (Universal Music)

 

 

Zur Person

Der am 25. September 1955 in der Poebene geborene Bauernsohn Adelmo Fornaciari, der von einer Lehrerin den Spitznamen Zucchero bekam, schaffte den Durchbruch 1987 mit seiner vierten LP «Blue’s». Duette mit Paul Young, Randy Crawford und Luciano Pavarotti machten ihn auch international bekannt. Während andere Alben mit Coverversionen oft beliebig wirken, geht bei ihm auch «Discover» unter die Haut. Das zeitliche Spektrum reicht vom Folksong «High Flyin‘ Bird» (1963) bis zu den Corona-inspirierten Songs von Bono und Ex-R.E.M.-Sänger Michael Stipe. Konzerte: 5. Juni Zürich, Hallenstadion; 19. Juli Locarno, Moon & Stars. Morgen tritt Zucchero in der Sendung «Happy Day» auf (SRF 1, 20.10 Uhr). rhö

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