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Espace libre

Das Kind im Hinterhof wird frech

Das Projekt «Invasion» im Espace libre zeigt derzeit die letzte Installation. Seit letztem März verwandelte sich der Off-Space hinter dem Centre Pasquart vier Mal - und scheute dabei auch die Konkurrenz zum «grossen Bruder» nicht.

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Clara Brachvogel

Klein, versteckt, verstaubt liegt der Kunstraum Espace libre hinter dem modernen Betonriesen Centre Pasquart. Wie eine Hütte für Bedienstete im Schatten eines Schlosses schmiegt er sich in den Schatten des Grossen. Scheint schüchtern zu murmeln: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, verzeiht!

Doch das Schattendasein des Kleinen hat mit dem Projekt «Invasion» der jungen Kuratorinnen Manon Engel und Laura Sanchez ein Ende. Die vier Installationen von vier Schweizer Künstlern, die seit April zu sehen waren, steigerten sich Monat für Monat in puncto Frechheit und Präsenz gegenüber dem grossen Nachbarn - und finden nun würdigen Abschluss mit dem knallgelben Bretterbau des Künstlers Reto Steiner, der noch bis zum 2. September den Eingang zum Kunstraum äusserst charmant versperrt.

Pasquart öffnet sich

Angefangen hatte das Projekt Ende März eher harmlos-verträumt mit einer Installation aus weissen Luftballons von Carol May aus Zürich. Die Bälle bedeckten den ganzen Raum, verhielten sich dabei aber brav.

Invasiver war die Performance zur Eröffnung von Daniela da Maddalena und Bernhard Gerber. Sie schufen mit ihren fallenden Dominosteinen aus Beton eine Kette zwischen Kunsthaus und Off-Space. Sowas gab es früher nicht und ist wohl als Zeichen einer offeneren, spielerisch-freundschaftlichen Verbindung vom Kunsthaus zum Off-Space zu deuten. Pasquart-Direktorin Felicity Lunn hat wenig Berührungsängste.

Das zeigt auch das Sommerfest, bei dem am 25. August das Kunsthaus mit allen Partnern gemeinsam feiert - mit Photo-forum, Filmpodium, Visarte, Kunstverein und der Stiftung Kunsthaus - das Ganze geht bis zwei Uhr nachts. Das Programm «Invasion» ist mutiger als manch frühere Ausstellung, die Künstler kommen nicht aus der Region. Raumgreifende, mit dem Pasquart in Kontakt tretende Installationen wollten die jungen Kuratorinnen. Der zweite Künstler, Andreas Marti, platzierte im Rauminneren Holzpfähle zwischen die Wände, die aussen durch die Mauer traten, inva- siv hinein ins fremde Terrain. Zwischen die zerteilten Stäben klemmte er Scherenschnitte aus Papier.

Herb-schöne Arroganz

Invasionen von aussen wehrte Künstler Jonas Etter, Dritter im Bunde, anders ab. Er zeigte ein erhaben verspiegeltes Espace libre. Der Raum mutierte, verkleidet an Fenstern und Türen mit Plexiglas-Scheiben, zum abweisenden Fremdkörper. Und der warf das zurück, was ihm gegenüberlag: das Centre Pasquart und der Betrachter. An die Ästhetik von Wolkenkratzern mit verspiegelten Fenstern erinnernd, gewann der Bau so eine herb-schöne Arroganz und wurde zum ganz neuen, wenn auch stillen Hintergrund des Pasquart.

Manon Engel legte beim Aufbau selbst noch mit Hand an. Normales Glas liess sich vor den Fenstern nicht fixieren, also wählte Etter Plexiglas. «Das wurde beim letzten Fenster mit Klettband befestigt», erinnert sie sich, damit man später wieder hereinklettern konnte, um die Gläser abzunehmen. An den übrigen Maueröffnungen klebten die zwei Plexiglas mit Silikon auf eine Holzkonstruktion und befestigten diese mit Kabelbindern an den Fenstergittern.

Und dann ist da seit Samstag also noch Reto Steiner (34) aus Frutigen mit seinem knallgelben Bretterbau. Er nimmt das Prinzip des Vorgängers bewusst auf und hat den Holzquader so vor dem Off-Space errichtet, dass er den Eingang blockiert. Der gelbe Raum vorm Raum bildet ein tolles Puzzleteil im Gesamtkunstwerk Pasquart-Espace libre und erinnert, zusammen mit der geometrisch-kantigen Betonschale des Pasquarts, an ein Tetris-Spiel.

Die leuchtenden Bretter fügen sich nahtlos an die unregelmässige Steinwand, kleben an ihr. Wer um das Pasquart herumgeht, sieht den Quader durch die Pasquart-Fenster mitten ins Kunsthaus hinein gespiegelt. Mehr «Invasion» geht nicht. Nur durch ein kleines Fenster in der Bretterwand kann der Besucher in den dahinterliegenden Raum des Espace libre blicken. Dabei erliegt er vielleicht der Illusion, der Holzbau sei ein massives Ding - bis er die Treppe hoch zum Filmpodium erklimmt.

 

 

Und nun?

Die Zukunft des Espace libre nach der Installation von Reto Steiner (Finissage am 2. September):

- Im September bespielen die Bieler Fototage den Raum

- Im Oktober kommt evtl. das Damen-Trio «Zarin Moll» (Kunst, Harfe und Gesang); ob Manon Engel danach weitere Ausstellungen kuratiert, ist unklar; Laura Sanchez wird wohl andere Projekte im Ausland verfolgen.

- Wie Visarte-Präsident Robert Schüll sagt, ist vorgesehen, dass der Visarte-Vorstand einige Monate bis Anfang 2013 kuratiert, bis eine längerfristige Lösung gefunden ist. Dabei sollen wieder regionale Künstler zum Zuge kommen.

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