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Bieler Filmpodium

Den Schweizer Film sichtbar machen

Wie präsentiert sich das einheimische Filmschaffen? Der Zyklus im Bieler Filmpodium Biel zeigt es. In den nächsten Wochen gibt es Premieren wie «Il mio corpo» zu sehen und Werke, die in der Pandemie untergegangen sind, erhalten eine zweite Chance.

Träume helfen durch die schwierigen Tage: Oscar in «Il mio corpo». 

von Raphael Amstutz

Sizilien. Staub, Hitze, Müllhalden am Strassenrand, die tägliche Suche nach Altmetall, ein Schrottplatz und die ständige Angst, zu wenig Geld zum Leben zu haben. Trist würden viele von uns das wohl nennen. Für Oscar ist es aber:Alltag, alles, was er hat. Der Junge möchte sich emanzipieren von seinem autoritären Vater, der ihn ständig kritisiert, möchte seinen eigenen Weg finden.

Wenige Meter neben dieser Familie lebt Stanley. Der Nigerianer hat es geschafft. Er hat das Mittelmeer überquert und hofft nun auf eine bessere Zukunft. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Sechs Monate darf er vorderhand bleiben.

Eigentlich haben die beiden Menschen so gar nichts gemeinsam. Oder eben ganz vieles:Das Gefühl, dass über sie entschieden wird.

Regisseur Michele Pennetta, Absolvent der Ecal, der Kunsthochschule Lausanne, erzählt in seinem fiktionalisierten Dokumentarfilm «Il mio corpo» mit wachem Blick vom Leben zweier einsamer Menschen. Das Genre ist umstritten und führt immer wieder zu Diskussionen. Die Mischung aus Dokumentation und Inszenierung verunsichert das Publikum. Hier ist es gelungen und ergibt ein stimmiges Ganzes.

Die italienisch-schweizerische Co-Produktion ist einer der etwas mehr als zehn Filme, die in den nächsten vier Wochen im Bieler Filmpodium zu sehen sind (siehe Übersicht unten). «Le nouveau cinéma suisse» zeigt das aktuelle einheimischeFilmschaffen, einigeWerke als Bieler Premieren.

Wie das Programm zusammengestellt wurde, erklärt Rosalia Blum, fachliche Mitarbeiterin des Filmpodiums: «Viele Filme wurden pandemiebedingt verschoben oder nach kurzer Laufzeit im Herbst nicht mehr gezeigt.» Die Solothurner Filmtage seien nun auch schon länger her und hätten ja praktisch nur online stattgefunden. «Mit dieser Form sind einige Filme etwas untergegangen», so Blum. «Nun haben wir die Gelegenheit und wollen einige davon auf die grosse Leinwand holen, ihnen mehr Sichtbarkeit schenken.» Mit diesem Zyklus wolle das Filmpodium dem Schweizer Filmschaffen, das eine sehr schwierige Zeit hinter sich habe, etwas zurückgeben.

Oscar und Stanley versuchen derweil, durch die Tage zu kommen. Pennetta findet dafür starke Bilder.

Mit der Wiedereröffnung vor Kurzem hat sich das Filmpodium verändert:Es gibt ein Mittagskino und Onlinetickets (das BT berichtete). Wie kommen diese Neuerungen an? «Gerade nachdem wir unsere Türen wieder öffnen durften, hatten wir sehr gute Besucherzahlen, waren sogar einige Male ausverkauft», so Blum. Aktuell dürfen pro Vorstellung 25 Tickets verkauft werden. Sie spricht von «sehr schönen Reaktionen des Publikums». Der Online-Ticketverkauf und das bargeldlose Bezahlen seien offenbar ein Bedürfnis, würden diese Möglichkeiten doch rege genutzt. «Es kann aber natürlich immer noch mit Bargeld bezahlt werden», ergänzt Blum. Das Mittagskino sei noch zu wenig bekannt, «aber diejenigen Menschen, die die Vorstellungen besuchen, geben uns sehr positive Rückmeldungen».

Ganz am Schluss treffen Oscar und Stanley dann doch noch aufeinander. Und diese Begegnung fällt anders aus, als dies die meisten wohl erwartet hätten.

Alle Filme in der Übersicht
· «Schwesterlein»
(3. bis 18. Juni)
Ein Schauspieler stirbt. Seine Schwester will das nicht hinnehmen. Starkes Drama mit Lars Eidinger und Nina Hoss.
· «The Bubble»
(3. bis 24. Juni)
Seniorinnen und Senioren unter sich. In den «Villages» in den USA sieht auf den ersten Blick alles aus wie die Erfüllung eines Traums. Der Dokfilm blickt aber genauer hin.
· «Luana»
(3. bis 27. Juni)
Ein junger Lehrer macht sich auf, um in Bhutan an der abgelegensten Schule der Welt zu unterrichten.
· «Il mio corpo»
(4. bis 20. Juni)
Siehe oben.
· «Das neue Evangelium»
(6. bis 15. Juni)
Milo Rau fragt, was Jesus im 21. Jahrhundert predigen würde und verbindet die Aktualität mit der biblischen Botschaft. Eben als bester Dokumentarfilm der Schweiz ausgezeichnet.
· «Aalto»
(6. bis 22. Juni)
Das Porträt von Alvar Aalto, einem Meister der Architektur und des Designs, das auch den Menschen zeigt.
· «Sous la peau»
(17. Juni bis 3. Juli)
Drei Teenager leiden darunter, im falschen Körper zu stecken. Der Genfer Regisseur Robin Harsch hat sie begleitet.
· «Amazonen einer Grossstadt»
(17. Juni bis 3. Juli)
Wo sind sie, die Amazonen der Gegenwart?Regisseurin Thaïs Odermatt auf Spurensuche.
· «The Wall of Shadows»
(19. Juni bis 5. Juli)
Eine Sherpa-Familie in Nepal steht vor einem Dilemma:Geld verdienen oder auf ihren Glauben und ihre Spiritualität achten.
· «Arada»
(19. Juni bis 6. Juli)
Drei türkischstämmige Männer werden straffällig und aus der Schweiz in die Türkei ausgewiesen. Nun leben sie in einem Land, das nicht das ihre ist.
· «Body of Truth»
(20. Juni bis 3. Juli)
Vier Künstlerinnen verwandeln erlebte Konflikte, Gewalt und Unterdrückung in Kunst. Ihr Ausdrucksmittel:der eigene Körper.
· «Beyto»
(21. Juni bis 2. Juli)
Der türkischstämmige Beyto hat eine vielversprechende Zukunft vor sich – doch dann verliebt er sich in seinen Schwimmtrainer und wird verheiratet.
· «Anche stanotte le mucche ...»
(21. Juni bis 6. Juli)
Ein Mann, eine Frau, eine Alp im Süden der Schweiz. Ziegen, Kühe und viele Träume und Hoffnungen. Doch nicht alles ist so friedlich, wie es scheint.

Info: Alle Spielzeiten und mehr zu den einzelnen Filmen unter www.filmpodiumbiel.ch

Stichwörter: Kino, Film, Bieler Filmpodium

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