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Der Buckel der Veranstalter

Mitte August bekam Daniel Schneider, Betreiber des Clubs Le Singe in Biel, Post von einem Mitglied.

Tobias Graden
  • Dossier
Sie wolle das Geld für ihr Saisonabonnement zurück, schrieb die Person, weil das Konzertprogramm nur noch mit Covidzertifikat besucht werden kann. Wer sich Rock, Pop, Jazz und Funk in einer Atmosphäre zu Gemüte führen will, die fast so ist wie früher, muss also entweder geimpft, genesen oder getestet sein. Es ist dies derzeit allenthalben üblich, es gibt gar börsenkotierte Firmen, die ihre Halbjahreskonferenzen so gestalten. Was dem Finanzanalysten recht ist, sollte der Kulturliebhaberin billig sein, könnte man denken, zumal man lange genug auf solche Anlässe verzichten musste. 
 
Ist es für die meisten auch, für einzelne aber eben nicht. Sie stören sich daran, dass sie wie letzten Freitag eine Rockband in stimmungsvollem Ambiente, aber nur mit Zertifikat erleben können. Mit Bedauern sei festzustellen, so eine Rückmeldung an Schneider am Montag, dass das Le Singe «bei dieser absurden Gesellschaftsteilung» mitmache, man hätte das nie gedacht. Natürlich geht dann in den sozialen Medien, wo Schneider diese Meldungen publik gemacht hat, umgehend die leidige Impfdiskussion los. 
 
Was die Kritiker offenbar nicht bedenken: Sie tragen eine gesamtgesellschaftliche, politische Debatte auf dem Buckel eines Veranstalters aus, der nichts für die zweifellos erschwerten Umstände kann und sie auch nicht gross beeinflussen kann. Vergleiche mit Veranstaltungen, die ohne Zertifikat besucht werden können, hinken sehr. Das Lucerne Festival beispielsweise hat Maskenpflicht, nutzt nur einen Teil seiner Kapazität, um die geforderten Abstände einhalten zu können, die Konzerte finden ohne Pause statt und es gibt keinen Barbetrieb – das alles an einem Premium-Klassikfestival, bei dem es auch ohne Corona eher gesittet zu und her geht und das sich dies wohl vor allem dank grosszügiger Sponsoren und nicht eben tiefen Ticketpreisen leisten kann. Dass dagegen Rock-Konzerte in einem Bieler Club derzeit schon finanziell gar nicht anders möglich sind als mit Zertifikat, sollte eigentlich einleuchten. Hingehen ist natürlich freiwillig, doch etwas mehr Weitsicht stünde den Kritikern gut an – aber das gilt ja nicht nur für die Debatte ums Le Singe.
 
Stichwörter: Le Singe, Biel, Klub, Kultur

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