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Musik

«Der Hip-Hop ist immer weniger mein Ding»

Die Bernerin Hip-Hop-Queen Steff La Cheffe (31) öffnet sich auf ihrem dritten Album "Härz Schritt Macherin" auch anderen Musikstilen. Am kommenden Freitag tritt sie an der Braderie auf. Im BT-Interview erzählt sie, weshalb ihre Texte nachdenklicher und persönlicher gewoden sind.

Ganz neue Töne: Die Berner Hip-Hop-Queen Steff la Cheffe zeigt sich auf ihrem neuen Album nachdenklich und musikalisch vielseitig. 
zvg

Interview: Reinhold Hönle

Stefanie, Steff oder Ste – wie möchten Sie angesprochen werden?
Steff La Cheffe: Das frage ich mich auch immer wieder. Als ich Mitte 20 war, habe ich mir mal vorgenommen, mich wieder mit Stefanie vorzustellen, wenn ich über 30 bin. Soweit bin ich mittlerweile. 
Altersmässig. Aber ich habe damit noch nicht angefangen. Es wäre vielleicht mal an der Zeit. Steffi klingt so kindlich... (Lacht)
 

Ste ist der Kompromiss?
Nein, Ste nennen mich meine besten Freunde.
 

Weshalb hat es fünf Jahre gedauert, bis Sie den Schritt zu Ihrem Herz machen konnten?
Ich bin ein extremer Kopfmensch und musste zuerst zur Erkenntnis gelangen, dass das Herz der Schlüssel zu einem erfüllten Leben ist. Was bringen dir gutes Aussehen, Gesundheit, ein toller Beruf, ein krasser Lohn oder intellektuelles Prestige, wenn du mit dir selbst nicht im Reinen bist?
 

Nach Ihrer ersten Tournee hatten Sie einen Burnout – was ist nach «Vögu zum Geburtstag» passiert?
Ich hatte mich extrem verausgabt. Weil die Musik meine Leidenschaft ist, habe ich über meinen Energiehaushalt nie Buch geführt. Früher war das auch noch nicht nötig, aber dann habe ich gemerkt, dass ich etwas verändern muss, weil ich energietechnisch auf Pump lebte. Ich war sehr ehrgeizig, zielorientiert und perfektionistisch. Die Musik stand immer im Zentrum und alles andere habe ich darum herum gebüschelt. Nun liegt die Priorität auf meinem Wohlbefinden, weil sonst alles andere zerbricht und zusammenfällt.
 

Was hat Sie zu dieser Erkenntnis gebracht?
Die Liebe. Die Liebe im Leben, freundschaftliche und romantische Liebe. Dabei habe ich teilweise strube Erfahrungen gemacht. Als die romantische Liebe schliesslich eine unerfüllte blieb, wurde mir klar, dass ich bei mir selbst aufräumen muss. Ich hatte zu viel auf andere projiziert. Viele Verletzungen hatten nichts mit dem Gegenüber zu tun.
 

Sondern?
Er hat einfach Triggerpunkte getroffen, die vielleicht mit meiner Kindheit oder früheren Beziehungen zu tun haben. Ich bin noch gar nicht bereit für eine längere, ernsthafte Beziehung, in der ich mich voll auf jemanden einlasse. Ich muss mich erst selbst lieben lernen.
 

Wie gut gelingt es Ihnen schon?
Wenn du dich mit 30 umschaust und siehst, wie manche deiner Freunde schon verheiratet sind oder sogar Kinder haben, und du noch immer Single bist, fragst du dich schon: Was, wenn ich nie Kinder 
haben werde, mein Erbe nie weitergeben kann und allein irgendwo in einem 
Altersheim lande? Das hat mich zuerst gestresst, aber nun bin ich gerne allein und verbringe Zeit mit mir selbst. Ich brauche Raum für mich, muss mich in meine Fantasiewelt zurückziehen 
können, um dort Schätze zu bergen, aus denen dann zusammen mit meinen 
eigenen Erfahrungen und Bildern Texte entstehen.
 

Sie geniessen dieses Künstlerleben?
Ja, ich kann mir sogar schon vorstellen, im Alter allein zu sein und meine Unabhängigkeit und Freiheit zu geniessen! 
Alles im Leben hat seine Vor- und Nachteile, auch eine Zweierbeziehung. Ich kann meine Liebe auch der Familie, Freunden, meiner Musik oder meinen Pflanzen geben. Ich koche gut für mich, zünde Kerzen an, kaufe mir Blumen und gehe mit mir ins Kino oder in die Ferien. Ich habe mich mit mir selbst verlobt. Wenn ich mit jetzt auf jemanden einlasse, ist das schon fast wie Fremdgehen! (Lacht)
 

Ist Ihnen der Glaube an den «richtigen Mann» abhanden gekommen?
Eine Weile bin ich an diesem Frauen-Männer-Ding beinahe verzweifelt. Dann begann ich mich mit der weiblichen Energie auseinanderzusetzen und habe extrem meine Frauenfreundschaften gepflegt. Ich habe meine Freundinnen oft zu mir nach Hause eingeladen, zum 
Essen oder auf ein Glas Wein und zum Reden. Das gab mir damals sehr viel Kraft, nun ist es nicht mehr so zentral.
 

Wie wohl fühlen Sie sich im Hip-Hop, in dem das Machotum besonders gross geschrieben wird?
Der Hip-Hop ist nicht sexistischer als die Gesellschaft an sich, aber er versteckt es nicht. Machotum und Körperlichkeit werden zelebriert. Rapper stehen offen hin und sagen: «Ich bin der Mann und ich habe die Hosen an!»
 

Hip-Hop ist momentan in den Schlagzeilen – wegen dem Pulitzerpreis für Kendrick Lamar und dem Echo-Skandal um Kollegah und Farid Bang ...
Ja, es ist eine extrem spannende Zeit! Lamar finde ich sehr inspirierend. Er ist einer der letzten Künstler, die mich an den Hip-Hop binden. Es gab letztes Jahr schon zwei, drei Momente, in denen ich dachte, nun hätte ich ganz die Schnauze voll, aber dann tauchte wieder jemand oder etwas auf. Fazit: Es gibt in jeder Szene tolle Leute und Arschlöcher. Der Hip-Hop ist jedoch auch aus anderen Gründen immer weniger mein Ding.
 

Weshalb?
Viele Acts lassen bei ihren Konzerten nicht nur ihre Musik ab Band laufen, 
sondern sogar ihre Vocals. Live machen sie nur ihren eigenen Backup und ihre Show. Als ich mit dem Hip-Hop begann, musste man noch beweisen, dass man sein Handwerk beherrscht. Als Kendrick Lamar vor drei Jahren beim Hip-Hop-Openair in Frauenfeld auftrat, kam er mit Band und zeigte seine Skills. Er hat mit diesem Auftritt mein Wochenende gerettet! Mit der verkommerzialisierten Form des Hip-Hop, die von der Undergroundkultur kaum mehr was übrig lässt, kann ich jedoch nicht mehr viel 
anfangen.
 

Was passt zur heutigen Steff La Cheffe?
Hip-Hop ist ein cooler Sneaker. Im 
Moment trage ich jedoch öfter diesen 
Lederstiefel (sie zieht ihr Bein unter dem Tisch hervor und streckt es mir 
entgegen) und fühle mich darin fast wohler. Aber manchmal habe ich noch Lust, die alten Turnschuhe aus meinem Schuhregal zu nehmen. Es kann aber auch sein, dass ich ganz aus ihnen herauswachse.
 

Sie interpretieren auf Ihrer neuen CD sogar ein Volkslied. Wie kamen Sie auf das «Guggisbärglied»?
Auf einer Wanderung mit Freunden in Norditalien haben wir hin und wieder gesungen, Songs von Bob Marley bis Mani Matter. Als die anderen das «Guggisbärglied» sangen, dachte ich: «Shit, was ist denn das für ein Lied? Ich kenne das nicht, aber es ist mega schön und 
tragisch, hat aber eine wahnsinnige Kraft.»
 

Sie hatten die Version von Stephan Eicher noch nie gehört?
Nein, erst als wir im Studio Skizzen von meiner Interpretation aufgenommen 
haben, habe ich das erfahren. Und nun singe ich es jeden Abend mit ihm und der Blaskapelle Traktorkestar auf seiner Tournee durch das Welschland und Frankreich! (Lacht)
 

Wie hat man sich diese Konzerte vorzustellen?
Traktorkestar machen den Anfang, holen dann Eicher auf die Bühne und ich komme nach einigen Songs als Überraschungsgast dazu. Vorher stehe ich
inkognito am Lichtpult. Während einer wilden Jam-Session, bei der sie total durchdrehen und Konfetti durch die Luft fliegen, trete ich auf die Bühne und spiele – meine Arme in die Hüfte gestützt – die genervte Nachbarin. Danach beatboxe ich und singe Backing Vocals, aber auch mein «Ha ke Ahnig».
 

Parallel zu Ihnen sorgt eine andere Bernerin, die sehr eigenständige Musik macht, für Furore. Wie gut kennen Sie Sophie Hunger?
Wir sind uns noch nie begegnet, aber sie macht sehr spannende, feine Musik. Ich habe erst mit diesem Album Zugang zu dieser Subtilität gefunden. Wenn ich die Wahl zwischen Trauer und Wut hatte, interessierte mich vorher immer das Laute, Explosive, das dich anschreit und nach Aufmerksamkeit hascht, mehr als das Ruhige, Stille, weil das mehr meinem energiegeladenen Naturell entsprach. Nun will ich jedoch ausloten, woher die Trauer bei mir kommt.
 

Können Sie sich vorstellen, statt auf Berndeutsch auch in anderen Sprachen zu singen?
Völlig easy, aber Lieder zu schreiben? Eher Popsongs. Da geht es mehr ums Erzählen einer Geschichte. Im Rap, wo das das Spiel mit der Sprache viel wichtiger ist, das Verschieben, Verdrehen und Erfinden von Wörtern, kaum.
 

Ihr neues Album begeistert auch, weil die Musik vielfältig und hochkarätig ist. Wie haben Sie Ihre Kreativpartner gefunden?
Benjamin Noti kannte ich durch die Zusammenarbeit mit Greis und als Gast des Projekts The Rumours. Als er mir vor zweieinhalb Jahren ein paar Ideen schickte, klickte es sofort. Als ich im folgenden Sommer mit Ben Mühlethaler einen Song für ein Matter-Tribute-Album aufnahm, war das der Anfang einer magischen Zeit im Studio.
 

Was war anders als mit Dodo als Produzent?
Heute bin ich weiter als damals. Ich konnte alles, was ich mit und von ihm gelernt habe, anwenden. Ich wartete nicht mehr auf einen Beat und habe darauf 
reagiert, sondern agierte. Ich brachte auch Ideen und die Jungs halfen mir dann, darum das Grundgerüst zu bauen, mit dem ich weiterarbeiten konnte. 
Dabei sind wir alle gegen starre Stilgrenzen.
 

Sie haben sich kürzlich sogar als 
Co-Autorin und Schauspielerin des Emanzipations-Stücks «Alice» 
betätigt. Muss man befürchten, dass Sie uns als Musikerin verloren gehen?
Nein, Ben, Benjamin und ich sind ein starkes Team und werden wohl noch lange zusammenbleiben. Bei den Bandproben dachte ich: «Wow! Es hat so eine Kraft, wenn du Texte mit Musik transportieren kannst.» Momentan bin ich wieder richtig am Aufblühen. Ich hatte schon fast vergessen, wie es sich im Übungsraum anfühlt. Aber hat nicht Nietzsche gesagt, ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum?
 

Bern befindet sich dank YB im Freudentaumel. Berührt Sie das?
Ich selbst habe keinen emotionalen 
Bezug zum Sport. Als ich an jenem Samstag zuhause am Lesen war und plötzlich eine Welle der Euphorie durchs Fenster hereinschwappte, habe ich mich trotzdem gefreut. Für die Fans und unsere Stadt ist es schon geil, nach 32 Jahren wieder Meister zu sein! (Lacht)
 

Welchen Bezug haben Sie zum Sternzeichen, von dem das letzte Lied «Orion» handelt?
In meinen Ferien in Thailand bin ich nachts im Meer baden gegangen und untergetaucht. Plötzlich habe ich eine Art Reflexion wahrgenommen, fand aber die Lichtquelle nicht. Dann realisierte ich, dass ich mich im Plankton befand, das leuchtet, wenn man sich bewegt, weil es fluoreszierend ist. Zusammen mit der Schwerelosigkeit im Wasser erzeugte diese spezielle Erfahrung in mir eine euphorische Stimmung. «So muss sich ein Gott fühlen, wenn er durchs Weltall fliegt», schoss es mir durch den Kopf. Und als ich auftauchte, sah ich, dass Orion über mir am Himmel stand.

* * * * *

Zur Person

  • Steff La Cheffe wurde als Stefanie Peter am 4. April 1987 in Bern geboren.
     
  • Mit 13 schrieb sie erste Texte, begann mit Beatboxing und legte sich ihren selbstbewussten Künstlernamen zu.
     
  • 2009 verpflichtete sie Harfenvirtuose und Grammy-Gewinner Andreas Vollenweider als Schlagzeuger-Ersatz für seine Welttournee.
     
  • Mit ihrem Debütalbum «Bittersüessi Pille» stieg sie in die Top-10 der Hitparade auf und wurde mit dem Swiss Music Award als grösstes Schweizer Talent ausgezeichnet.
     
  • 2013 katapultierte sie die CD «Vögu zum Geburtstag» mit der Hit-Single «Ha ke Ahnig» an die Spitze der Hitparade.
     
  • Nach einer Auszeit, in der sie auf Reisen ging, für ein KMU Käse pflegte und verkaufte, schafft Steff La Cheffe mit ihrem dritten Album «Härz Schritt Macherin» wieder den Sprung auf Platz 1.
     
  • Nächsten Freitag tritt sie in Biel an der Braderie auf.
     
  • Am 11. Juli spielt sie am Gurten-Festival in Bern. Und sie ist bis 2019 auf grosser Frankreich-Tour mit Stephan Eicher. rhö

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