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Bern

Der Maler und seine Frau

Die Galerie da Mihi präsentiert mit der Ausstellung «Martin Ziegelmüller – Hommage à Ruth» Porträts, 
die der Maler Martin Ziegelmüller (86) von seiner Frau während fast 60 Jahren realisiert hat.

Ende der 50er-Jahre zogen sie nach Vinelz: Ruth und Martin Ziegelmüller vor einem Porträt von Ruth in der Galerie da Mihi in Bern. Bild: Carole Lauener

Helen Lagger

Ruth Ziegelmüller (84) läuft in die Galerie hinein und sieht zum ersten Mal die Ausstellung «Martin Ziegelmüller – Hommage à Ruth», die zurzeit in der Berner Galerie da Mihi zu sehen ist. Überall hängen Bilder von ihr, gemalt von ihrem Mann Martin Ziegelmüller. Alle Bilder tragen den Titel «Ruth». Das älteste ist mit 1958 datiert, das Jüngste mit 2008. Neugierig blickt sich Ruth Ziegelmüller um und stellt fest: «Ich kann kaum sagen, wann welches Bild gemalt wurde». Erkennen, das täte sie sich eigentlich auf allen Bildern. «Ich dachte, es würde mich schockieren, so viele Köpfe von mir zu sehen, aber es beeindruckt mich nicht in einem negativen Sinne», so das Modell über ihren ersten Eindruck der Ausstellung.

Den speziellen Moment hielt das Galeristenpaar Barbara Marbot und Hans Ryser auf Video fest und teilte den Film auf Instagram. Dass die Porträts so zeitlos wirken, liegt auch an ihrem fehlenden Kontext. Ziegelmüller hat Ruth meist auf einen diffusen Hintergrund gemalt und auf Mobiliar oder Requisiten verzichtet.

 

Sie glaubte an ihn

Auch anhand der meist schlichten Kleidung kann man kaum sagen, wann das jeweilige Bild gemalt wurde. Bei unserem heutigen Besuch sind Martin Ziegelmüller und Ruth beide vor Ort. Wie sie sich kennengelernt hätten, dürfte er eigentlich nicht mehr erzählen, sagt Ziegelmüller verschmitzt. «Ruth meint, ich hätte diese Story schon zu oft zum Besten gegeben.» Natürlich erzählt Ziegelmüller dann doch. Die beiden besuchten dieselbe Sekundarschule in Herzogenbuchsee. «Der Turnlehrer liess uns Knaben wissen, dass ein Mädchen im Weitsprung besser sei, als wir. Fast fünf Meter weit spränge sie». Darauf habe er wissen wollen, wer diese Ruth sei. Ruth hingegen erinnert sich daran, dass Martin zu Schulzeiten gerne Theater spielte und lustige Sketche aufführte. «Später absolvierten wir tatsächlich in der gleichen Strasse unsere jeweilige Lehre», erinnert sich Ruth. Sie arbeitete in einer Buchhandlung, Martin Ziegelmüller machte auf Wunsch seiner Eltern eine Bauzeichnerlehre. Beide kamen aus einem einfachen, ländlich geprägten Elternhaus. «Man stand unter Beobachtung als junges Paar», so Ruth.

Die beiden heirateten und zogen Ende der Fünfzigerjahre nach Vinelz, wo sie fünf Kinder aufzogen. «Wie gingen ins Seeland, weg von allen, die alles besser wissen», sagt Martin Ziegelmüller. Das Geld sei oft knapp gewesen, doch Ruth habe an ihn und seine Malerei geglaubt.

Im Dorf seien damals alle verrückt nach Albert Anker gewesen. «Sie liessen kaum etwas anderes gelten.» Ziegelmüller blieb ein Exot. In einem anonymen Brief habe man ihn als «Depp, der nicht malen könne», bezeichnet. Später, als er längst anerkannt war, druckte Ziegelmüller die Schmähschrift aus Jux in einem Katalog ab.

 

Wie er sie sieht

Die 21-jährige Ruth blickt einem in einem Porträt von 1958 entgegen. Das mit Öl auf Leinwand gebannte Gesicht blickt freundlich, ein Lächeln umspielt den Mund. Ziegelmüller hatte das Bild einem Sammler verkauft und es später wieder zurückerstanden. Einige Bilder, seien ihr näher als andere, sagt Ruth und fasst zusammen, was Ziegelmüllers spätimpressionistischen Stil, die Übermittelung subjektiver Eindrücke ausmacht: «Er sieht mich so.»

 

Porträts und Landschaft

Der fleckige Farbauftrag Zieglmüllers kommt nicht von ungefähr. Ziegelmüller gilt als letzter Schüler von Cuno Amiet (1868-1961), den man oft als Bonnard der Schweiz bezeichnete. Als 17-jähriger stellte er sich auf der Oschwand, wo der Meister sich zurückgezogen hatte, vor. Er durfte seine Zeichnungen präsentieren und ging schliesslich regelmässig an Samstagen bei Amiet vorbei und zeichnete draussen, wobei ihm Amiet öfters über die Schulter blickte. Es sind nicht Porträts, sondern Naturdarstellungen, die den grössten Teil von Ziegelmüllers Werk ausmachen.

Zu den elf Ruth-Porträts, die im Hauptraum der Galerie zu sehen sind, präsentiert da Mihi auch Landschaftsbilder. Es ist das Seeland, das Ziegelmüller inspiriert, die St. Petersinsel, der Jurasüdfuss oder die Hofmannsfluh. Doch wie bei den Porträts von Ruth, malt er nicht realistisch, sondern bannt im Atelier auf Leinwand, was er bei seinen Spaziergängen in der Umgebung empfunden hat.

«Dämmerung», «Neblig» oder «November» sind auf Leinwand gebannte Stimmungen, die auf Naturerfahrungen basieren. Landschaften hielten das Auge und die Phantasie des Malers auf Trab, sagte der Künstler einst gegenüber dieser Zeitung.

Stichwörter: Kunst, Biel, Bern, Vinelz, Porträt

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