Sie sind hier

Abo

Kunst

Der Strand der Sehnsucht

Die Bieler Gewölbegalerie präsentiert Bilder, Skulpturen und Objekte von Gianni Vasari und 
Vero Kallen. Das Künstlerpaar hat mit viel Sand einen beziehungsreichen «Strand» geschaffen.

"Chugele ou presque": Gianni Vasari und Vero Kallen haben die Gewölbegalerie in eine Art Ferienlandschaft verwandelt. Bild: Helen Lagger

Helen Lagger

Schuhe ausziehen erlaubt: In der Gewölbegalerie werden die Besucherinnen und Besucher zurzeit dazu aufgefordert, durch Sand zu waten. Die Kunstschaffenden Gianni Vasari und Vero Kallen, die privat ein Paar sind, haben jede Menge Sand in das Antiquitätengeschäft von Martin Jegge gekarrt.

Wer das Experiment wagt, kann hier seine eigenen Spuren hinterlassen. Eine Liege aus Holz lädt zum Verweilen ein. Sie wurde von Ismael Huber, dem Sohn von Vasari geschaffen. «Er ist ein gelernter Schreiner und fungiert in dieser Ausstellung als Zaungast», verrät der Galerist Martin Jegge, der selbst einst das Schreinerhandwerk erlernt hat. Im Sand liegen grosse Kugeln aus Holz, die der Künstler Giovanni aus Weisstannenholz gesägt hat. «Chugele ou presque», nennt er diese Werke, die in diesem Kontext ein wenig an riesengrosse Boccia-Kugeln denken lassen.

Touristen und Charakterkopf

Warum ein Strand? «Corona hat in letzter Zeit das Reisen verunmöglicht. Es geht bei unserem Strand um die Sehnsucht, um das Gefühl, wie es war sich den Sand durch die Finger rieseln zu lassen», so Vasari. Er und seine Partnerin haben zahlreiche Objekte speziell für diese Ausstellung geschaffen.

Vasari der in unmittelbarer Nähe zur Galerie wohnt, stellt in regelmässigen Abständen bei Jegge aus. In der Ausstellung «Rundum – ou presque» entfachen Vasari und Kallen gemeinsam ein Feuerwerk. Vasari hat viele Gerüste und Sockel aus Holz geschaffen auf denen die Tonfiguren – sie erinnern an Touristen oder Freizeitausflügler – von Kallen sitzen.

In Form einer grossen Büste hat Kallen Vasaris Charakterkopf mit Zigarette im Mund porträtiert. «Ich wusste nicht ob er dem Ofen standhält, oder ob es ihn verjagt», so Kallen über das kürzlich geschaffene Werk lachend. «Ja, manchmal verjagt es mich», kontert Vasari. «Falls es die Figur in Stücke gesprengt hätte, hätte ich die Scherben ausgestellt», so die Künstlerin.

Oben wird es düster

Während es im ersten Kellergewölbe mit dem Sand, den Liegen und verschiedenen Hockern verspielt zu und her geht, nutzen die Künstler das zweite Gewölbe für eine düsterere Szenerie. «Gewedelt» werden in einer gemeinsamen Installation nicht nur Holzstücke, sondern auch Menschen, die Kallen aus schwarzem Ton geschaffen hat. Es sei ein Sinnbild für Normen, in die Menschen zunehmend gepresst würden, wie Vasari meint.

Die für Vasari typische farbenfreudige und lichtdurchflutete Malerei ergibt einen starken Kontrast zu den teils düsteren Werken. «Fröhliches und Trauriges gehören zusammen», so die Künstler unisono. In Selzach, dem Wohnort von Kallen, haben die beiden ein gemeinsames Atelier. Während der Coronazeit haben sie mit «Rundum» eine Publikation zusammengestellt, wobei sie die unterschiedlichsten Menschen darum baten, von Positivem während der Pandemiezeit zu berichten. «Corona hat den Blick auf unsere Kinder gerichtet» oder «Ich hatte heute beim Einkaufen so viele interessante Gespräche wie noch selten», wird da etwa berichtet.

Das Paar wollte damit den permanenten Negativschlagzeilen etwas entgegensetzen. Soziales Engagement liegt dem Künstlerpaar am Herzen. So unterstützt man mit dem Kauf von einigen, meist auf Sockeln sitzenden Figuren, das Kinderhospiz Allani.

Hüterin der Erde

Wer 2020 Vasaris Ausstellung in Büren in der Artis Galerie sah, trifft im zweiten Teil der Ausstellung auf einen alten Bekannten: Das mit der Motorsäge gestaltete Antlitz des Journalisten Niklaus Meienberg (1940-1993). Vasari traf den unbequemen Literaten zwar nie persönlich, liest aber dessen Texte immer wieder aufs Neue und arbeitet sich weiterhin künstlerisch an ihm ab. «Ich wünschte es der Welt, dass es mehr solche Menschen gäbe», sagt er nachdenklich.

Die Erde und wie sie ausgebeutet wird, ist ein Thema, das sowohl Vasari wie Kallen beschäftigt. Die Kugel – stellvertretend für unseren Planeten – ist ein Motiv, das mehrfach in der Ausstellung vorkommt. Einmal sind es Figuren, die eine Kugel stützen, einmal sitzt eine Frauenfigur als «Hüterin der Erde», auf einem Globus. Auf einer Halbkugel – aus Holz von Vasari geschaffen – sitzt eine ganze Figurengruppe von Kallen, gewissermassen am Abgrund und ein wenig in Schieflage. In diesem apokalyptischen Teil der Ausstellung liegt kein Sand, dafür gibt es hier jede Menge Holzspäne. Es ist das Material, das nach der Arbeit mit der Kettensäge übrigbleibt.

Nachdenklich oder kokett?

Doch auch in diesem nachdenklichen Teil der Schau regiert das Humorvolle und Poetische. Auf einem regelrechten Hügel aus Spänen sitzt eine Frau in einem schönen Kleid und Pumps. Ist diese von Kallen geschaffene Tonfigur nachdenklich oder kokett? Das bleibt dem Betrachter überlassen. Rundum um die Figur herum «tanzen» wilde Kerle – es sind aus Holz geschaffene Figuren von Vasari.

Info: Ausstellung bis am 10. Juli, Gewölbegalerie, Obergasse 4, Biel.

Stichwörter: Kultur, Gewölbegalerie, Kunst, Sand

Nachrichten zu Kultur »