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Der Style steht über allem

Ich habe die B-Girls und B-Boys immer benieden – und tue es bis heute.

Moritz Bill
  • Dossier
Diese Kombination aus Style und Können, die die Tanzmoves zwar einfach aussehen lassen, doch gleichzeitig eine Schwierigkeit zu erkennen geben, haben mich schon immer fasziniert. Vielleicht ist diese Ehrfurcht dafür verantwortlich, dass Breakdance das einzige Element der Hip-Hop-Kultur ist, an dem ich mich nie versucht habe. Kein. Einziges. Mal. 
 
Und ich bereue es. Wie gerne hätte ich manchmal um 3 Uhr morgens im «Chessu» locker-flockig zwei, drei schnelle Schritte aufs Parkett gelegt. So, wie es befreundete DJs, Graffiti-Künstlerinnen oder Rapper manchmal taten und ich nur staunend und anerkennend daneben stand. Die unmittelbare Rückmeldung auf das soeben Gezeigte ist einmalig. Gut, eine Rapperin erhält vom Publikum auf einen Freestyle auch sogleich ein Feedback. Doch existiert zwischen ihr oben auf der Bühne und den Leuten unten im Saal eine gewisse Distanz. Der B-Boy performt hingegen oft in einem Kreis und kann die Antwort des Publikums auf seine Darbietung regelrecht fühlen. Als DJ begleiteten mich immer Zweifel, wem nun die euphorische Reaktion galt: Meiner Kunst, wie ich das eine Lied in das nächste gemischt habe oder nur dem nun laufenden Lied an sich? 
 
Natürlich wäre es für mich als mittlerweile pensionierten DJ nach wie vor möglich, Verpasstes nachzuholen und ein paar Grundlagen zu erlernen. Nur könnte ich diese aufgrund meiner arg dezimierten Ausgehlust kaum je anwenden. Und wenn ich ehrlich bin, weiss ich nicht so recht, ob ich mich das überhaupt trauen würde. 
 
Denn einerseits ist auch ein noch so kleiner Kreis in seinem Urteil gnadenlos. Andererseits ist der Level heutzutage immens hoch. Schaue ich mir Videos von Battles an, wähne ich mich manchmal mehr an einem Kunstturnwettkampf. «No disrespect», wie man es im Jargon nennt – dahinter steckt zweifelsohne enorm viel Training. Aber fehlt mir halt bei der einen oder dem anderen die Einzigartigkeit, der eigene Style, dem ich im Hip-Hop alles unterordne. Er ist das Höchste, was man erreichen kann. Weil ihn zu finden und für sich selbst zu definieren so schwierig ist. Bleibt zu hoffen, dass wenn 2024 erstmals Olympische Medaillen im Breakdance vergeben werden, die Jury den Style angemessen gewichtet.
 
Stichwörter: Breakdance

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