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Film

Die geraubten Kinder

Das lateinamerikanische Kino ist in der Schweiz nicht stark vertreten. Nun widmet ihm das Bieler Filmpodium gleich einen ganzen Zyklus. Eines der Werke: «Cancíon sin nombre». Darin wird von Ungeheuerlichem erzählt.

Was für ein Einstand: Pamela Mendoza gibt, es ist kaum zu glauben, als Georgina ihr Filmdebüt. Bild: zvg
Raphael Amstutz
 
«Wo ist sie? Ich will sie sehen!»
 
Georgina (Pamela Mendoza) schreit und wimmert, die Tränen laufen ihr über das Gesicht.
 
Sie wiederholt diese beiden Sätze. Immer und immer wieder. Die junge Quechua-Frau aus den Anden, die sich an der Stadtgrenze zu Lima mit dem Verkauf von Kartoffeln durchzuschlagen versucht, ist ausser sich. Es ist die Horrorvorstellung einer jeder Mutter: Nach der Geburt des eigenen Kindes wird es einem weggenommen. Als Begründung heisst es in der Geburtsklinik, Untersuchungen müssten gemacht werden. Doch das Kind taucht nicht wieder auf – und es ist nicht das Einzige.
 
Kaum zu ertragen
Diese Szene in «Cancíon sin nombre» («Das Lied ohne Name») beschert einem einen Kloss im Hals, der während des ganzen Filmes nicht verschwindet. 
Georgina gibt nicht auf, geht zur Polizei und erlebt kafkaeske Momente:Endlose Gänge mit unzähligen Türen, Beamte, die ihr sagen, dass sie genau hier nicht am richtigen Ort sei. Das Leiden der Mutter, ihre absolute Hoffnungslosigkeit ist kaum zu ertragen. 
 
In ihrer Not wendet sich Georgina an eine Regionalzeitung. Auch dort scheint niemand sonderlich interessiert zu sein am Schicksal dieser mittellosen Frau. Bis der Journalist Pedro (Tommy Párraga) auf den Fall aufmerksam wird.
 
Kein alltäglicher Film
Filme wie dieser, er spielt 1988, als sich Peru mitten in einer politischen Krise befindet, sind dieser Tage nicht mehr häufig zu sehen: Ganz in schwarz-weiss gedreht, im alten, fast quadratischen Format und mit oft unscharfen Bildern, nimmt sich das Werk alle Zeit der Welt: Es gibt lange Kameraeinstellungen, wenig Text und viel Volksmusik. Die Atmosphäre ist düster, auf alles drückt eine unglaubliche Schwere – und auch am Schluss gibt es keine Erlösung.
 
Es ist ein filmischer Aufschrei, der die Verzweiflung der Mutter, das politische Chaos und die Korruption auf eine Weise zeigt, die lange haften bleibt.

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