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Ausstellung

Die Macht der fotografischen Bilder

Fototheoretische Diskussionen hinter glänzenden Oberflächen präsentiert die aktuelle Doppelschau im Photoforum Pasquart in Biel. Zu sehen sind Arbeiten von Dorothée Elisa Baumann und Adrian Sauer.

Spiegel mit einem Band Objekte von Adrian Sauer. Bild: zvg

Alice Henkes

«Man wird sich nie einig darüber werden, ob der Apparat oder der Fotograf den grösseren Anteil am Entstehen einer Fotografie hat», so lautet eine der Sentenzen, die Adrian Sauer auf Plakate gedruckt hat, die im Photoforum Pasquart in einem Präsentationsständer entdeckt werden können. Die grossen, grundsätzlichen Fragen nach dem Autor, dem Wahrheitsgehalt, der Zeitverwobenheit des fotografischen Bildes werden in diesen Kurztexten reflektiert. Fragen, die die Fotografie seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert begleiten.

Die aktuelle Doppelausstellung im Photoforum Pasquart, die noch von der scheidenden Direktorin Nadine Wietlisbach eingerichtet wurde, kommt mit grossem Theoriegepäck daher. Das macht sie aber durchaus nicht unsinnlich. Sowohl der deutsche Künstler Adrian Sauer wie auch Dorothée Elisa Baumann, die zwischen Biel und Genf pendelt, untersuchen in ihren Arbeiten die Funktionsweisen und Möglichkeiten der Fotografie.

 

Woher kommt das Etwas?
Adrian Sauer, Jahrgang 1976, setzt sich mit den Grundlagen der digitalen Fotografie auseinander. Eines der zentralen Werke der Ausstellung ist eine Installation aus zweiflügeligen Spiegeln, die, in der Mitte des Ausstellungsraumes angeordnet, diesen vervielfachen. Nun ist dieses Spiel mit Spiegelflächen und der Multiplizierung des sie umgebenden Raumes alles andere als neu – und doch ist es immer wieder reizvoll. Im Umhergehen scheint sich der Raum in eine Art grosses Kaleidoskop zu verwandeln, in dem sich zwar immer die gleichen, recht banalen Farbplättchen befinden, die aber immer wieder zu neuen Mustern zusammengefügt erscheinen.

Nicht nur die Besucherinnen und Besucher, die Fenster und Wände werden von den Spiegelflächen vervielfacht, auch die Bilder an den Wänden, die nicht mehr und nicht weniger zeigen als Ausschnitte eines Parkettbodens.

36 Aufnahmen sind es. Zusammengesetzt ergeben sie das Abbild eines zimmerfüllenden Parkettbelags. Was unterscheidet Abbild und Vorbild? Ist ein rein objektives Abbild des Realen überhaupt möglich – oder schleicht sich am Ende doch immer etwas ein, das objektiv nicht fassbar ist? Und wenn dem so sein sollte: Woher kommt dieses Etwas? Aus der Kamera wohl kaum. Die ist pure Technik und macht einfach das, wofür sie konstruiert ist. Bei einer Digitalkamera kann das schon eine ganze Menge sein. Und jeder blutige Laie weiss: Das, was die Kamera macht, ist möglicherweise nicht genau das, was man selber machen möchte. Und hier ist nicht die Diskrepanz zwischen ersehntem und realem Ergebnis gemeint, die auf Bedienungsfehler der Kamera zurückzuführen wären. Gerade in der Detailgenauigkeit und Makellosigkeit der Digitalfotografie liegt etwas, das von manchem als widernatürlich empfunden wird. Die renommierte Zürcher Fotokünstlerin Cécile Wick sagte einmal, sie misstraue allzu glänzenden Fotoflächen, die ihr wie versiegelt erschienen.

Mit einem gewissen Unbehagen macht sich auch Dorothé Elisa Baumann ans Werk. Die Schweizer Fotografin Jahrgang 1972 hat die Fotografie unter einem eher soziologischen Gesichtspunkt betrachtet. Eine eher humoristische Fotoserie zeigt sie selbst als eifrige Fotografin in verschiedenen «typischen» Fotografierposen: In der Hocke, nahe am Objekt oder ins Weite zielend.

 

Der Fotofreund
Welche Vorstellungen wir mit Fotografie verbinden und welche Ideen mithilfe der Fotografie vermittelt werden, das interessiert Baumann. Nicht immer ist das Ergebnis so harmlos wie in ihrer bereits beschriebenen «Typologie Operator».

So hat die Fotografin sich zum Beispiel eingehend mit der Zeitschrift «Photo» beschäftigt. Das französische Monatsmagazin für den Fotofreund verkauft sich mit dem Untertitel «Referenz der Fotografie seit 1967». Nicht zufällig wird hier der Fotofreund nur im Maskulinum angeführt. Das Cover des Fachmagazins ziert, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, meist die Fotografie eine wenig bekleideten, erotisch-verlockenden Frau. Das Fotografieren wird hier zu einem voyeuristischen Akt, der gängige Geschlechterklischees zementiert: Hinter dem technischen anspruchsvollen Fotoapparat steht der Mann. Vor dem Objekt räkelt sich das Weib.

Das Musée Suisse de l’appareil photographique in Vevey verwahrt in seinem Depot eine ganze Sammlung der Zeitschrift «Photo». Dorothé Elisa Baumann hat die Coverbilder sowie einige Werbeanzeigen aus der Zeitschrift reproduziert und auf Plakatgrösse gedruckt und zeigt diese Bilder nun im Photoforum.

Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. Natürlich kann man diese Fotos als Bilddokumente einer sexistischen Gesellschaft betrachten. Das fügt sich geradezu perfekt in die MeToo-Debatten ein. Die allerdings, und da liegt die Krux, bei manchem Leser, mancher Internet-Userin schon erste Ermüdungserscheinungen erzeugt.

Den «Photo»-Coverbildern haftet zudem ein eindeutiger 70er-Jahre-Look an, der geeignet ist, auch nostalgische Gefühle zu erwecken. Diskutiert wurde auch damals schon über diese Art Frauendarstellungen. Gezeigt wurden sie dennoch überall. Nicht nur auf dem Cover der «Photo». Und dass sie jetzt Eingang in ein Ausstellungshaus finden, verdanken sie einer kritisch denkenden Fotografin. Das ist die Ironie der Geschichte. Denn über die Bilder zu diskutieren, ohne sie zu zeigen, wäre lächerlich. Ob ihre Präsentation aber einen Diskurs anregt, das muss sich zeigen.

Info: Beide Ausstellungen sind bis zum
15. April im Photoforum Pasquart zu sehen. www.photoforumpasquart.ch

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