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Ökologie

«Die Produktion eines Films
 kann schon sehr umweltbelastend sein»

Was würde das bedeuten, ein klimaneutraler Film? Und wie bewegt man Filmschaffende zum ökologisch nachhaltigen Arbeiten? Nachgefragt bei Susa Katz von der Zürcher Filmstiftung. Zweiter Teil der Serie Ökologie und Film.

Bild: Keystone

Dominic Schmid

«Wir wissen nicht genau, wie umweltschädlich eine Filmproduktion ist. Dazu fehlen uns momentan noch die richtigen Werkzeuge.» Das sagt Susa Katz von der Zürcher Filmstiftung, die sich trotz dieser ernüchternden Antwort besser mit Fragen der Nachhaltigkeit auskennt als die meisten Menschen im Schweizer Film. Das Thema hat sie schon seit über zehn Jahren auf der Agenda. Sie hat verschiedene Arbeitsgruppen mitgegründet, Initiativen gestartet und Manifeste unterzeichnen lassen.

Ursprünglich von der Produktion kommend, war Katz über drei Jahre lang Leiterin der selektiven Filmförderung beim Bundesamt für Kultur; seit 2016 ist sie stellvertretende Geschäftsführerin der Zürcher Filmstiftung. Obige Aussage ergänzt sie damit, dass die Situation bereits nächsten Sommer besser sein wird, wenn ein eigens für die Filmproduktion kreierter Emissionsrechner für alle Filmschaffenden verfügbar gemacht werden soll.

«Das Klimathema ist auch für die Kultur relevant», betont Susa Katz im Gespräch. «Auch wenn man da manchmal ja nicht so genau hinschaut – die Produktion eines Films kann schon sehr umweltbelastend sein.» Wobei die Schweizer Produktionen – auch wenn das Thema etwa in England oder den USA präsenter ist – schon immer relativ effizient und umweltschonend gewesen seien.

«Der Recyclinggedanke sitzt bei uns tief. Zudem sind die Wege eher kurz, es gibt keine grossen Fuhrparks, die Teams sind traditionell kleiner. Und uns liegt es fast schon in der DNA, dass wenn im Wald gedreht wird, man da nicht alles zertrampelt.» Sie sei immer wieder ein bisschen amüsiert darüber, wie stolz jetzt etwa italienische Filmteams darüber seien, dass sie keine Plastikbecher mehr auf dem Set benutzen. «Aber jeder noch so kleine Fortschritt ist gut.»

 

Es betrifft alle

Mit dem Argument, dass eine Filmproduktion im Vergleich zu anderen Industrien viel weniger umweltschädlich sei, kann Susa Katz ähnlich wenig anfangen wie mit jenem, dass die Schweiz als kleiner Staat im globalen Kontext kaum eine Rolle spielt. «Man kann das Thema nicht isoliert betrachten – für einen Menschen, einen Film oder ein Land. Es betrifft uns alle.»

Doch solle weder etwas verboten, noch auf gewisse Filme verzichtet werden. Es gehe auch nicht um die Frage, wie viel CO pro Produktion angemessen sei. «Filmschaffende sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie ihr Film das Klima beeinflusst.» Dafür braucht es Informationen und vor allem harte Daten, die beispielsweise der Rechner liefern soll, oder ein Tool wie die Website sustainablearts.ch, die im Januar an den Solothurner Filmtagen vorgestellt wird. «Ich komme noch vom Zelluloid. Von dem wusste man, was es kostet, und man musste sich jeweils genau überlegen, wann man die Kamera laufen lässt.» Gedreht hat man natürlich trotzdem, denn es war es einem wert. Ähnlich sollte es mit dem CO sein. Die Frage sei viel mehr, ob man im Urwald drehen müsse, wenn es auch im Graubünden ginge. Ausserdem lasse man ein Crewmitglied vielleicht nicht mehr jeden Tag von Berlin in die Schweiz und zurückfliegen, nur weil das weniger kostet als die Übernachtung im Zürcher Hotel. «Wenn man den Verbrauch erst einmal in Zahlen sieht, gibt das automatisch einen Lerneffekt. Man plant besser und es sind gar keine Vorschriften mehr nötig», sagt Katz. Man beginne automatisch damit, Routinen zu hinterfragen. Oder komme auf gute Ideen, wie das Teilen des Sets mit einer anderen Produktion. «Es geht weder um Kritik noch um Bestrafung. Sondern alleine um das Bewusstsein – und darum, sich immer wieder die Frage zu stellen: Ist es uns das wert?»

 

Gibt es eine Wirkung?

Ein anderer Wert lässt sich dann aber selbst mit dem ausgeklügeltsten Programm nur schwer berechnen: die Wirkung der Produktionsinhalte auf unser Verhalten. Der Film ist schliesslich dazu prädestiniert, bestehende Modelle zu hinterfragen und neue vorzuschlagen: «Das muss nicht einmal didaktisch geschehen», so Katz. «Die ‹Tatort›-Kommissarinnen fahren mit dem Velo zur Arbeit. Jemand, bringt in einer Szene statt den Müll den Kompost raus. Und warum sollte der Actionheld eigentlich nicht mit einem elektrischen Auto unterwegs sein?» Der Klimagedanke müsse einfach normalisiert werden. «So wie es für uns auch fast unvorstellbar ist, wenn wir in alten Filmen sehen, wie viel die Leute da geraucht haben.»

Bei den 30- bis 50-Jährigen nimmt Susa Katz demgegenüber einen gewissen Widerstand wahr, weil sie den administrativen und finanziellen Aufwand fürchten. Dasselbe bei der Politik, die einfach «wahnsinnig zögerlich» agiere. Die junge Generation, also jene der 20- bis 30-jährigen, lasse wenigstens etwas Hoffnung schöpfen: «Die haben da weniger Berührungsängste.»

Der Weg zur ökologischen Nachhaltigkeit ist zwar lang, aber er ist eingeschlagen. Denn wenn Susa Katz an die Alternative denkt, wird es dystopisch: «Dann ist am Ende niemand mehr da, der sich den Film anschauen kann.»

Info: Dieser Text von Dominic Schmid, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

Der erste Teil der Serie Ökologie und Film erschien am 11., der letzte folgt am 31. Dezember.

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