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Galerie Art-Etage

Doch, doch: Ici c'est Bienne!

Die Ausstellung «Ici, c'était Bienne» zeigt, wie Biel aus der Sicht von zehn hiesigen Künstlern ist, war, wird. Da töten zwei Damen mit Bieler Wappenbeil einen armen Bären, Autos brennen und Müllberge türmen sich.

Der Mann und das Hochhaus: Künstler Tarkin positioniert sein Männchen selbstbewusst als überlebensgrosses Viech neben dem knapp unter sein Kinn reichenden Kongresshaus. Bild: zvg/Patrick Christe

Clara Gauthey

Es ist eine lustvolle Hymne, weitab von Schweizer Naturschönheiten und der Idylle des blauen Bielersees. Die Galerie Art-Etage stimmt ein Lied an auf die «Dirty Old Town» Biel. Es ist ein Lied, das von Müllbergen handelt, von Cäsium, Uhren und General Motors. Aber auch von kühler Nachkriegsarchitektur und dem etwas gammligen Charme gewisser Frisörsalons und Läden.

 

Der Bär ist tot!

Wer hätte die alte, politische Biel-Phantasie schöner formulieren können als der Künstler Christophe Lambert in seinem Bild «Independenza»? Zwei schlanke Blondinen in Neonstoffen schwingen darin beherzt ihre Beile, um einen dicken, fetten Berner Bären zu erlegen - der sich tödlicherweise in einen Bieler Forst verirrt hatte. Die Sonne scheint zu dem blutigen Spektakel und dem Besucher dürfte schon hier im Eingangsflur klar werden: «Ici c'est Bienne!»

 

Biel ist tot!

Nun heisst die Ausstellung allerdings «Ici c'était Bienne», Vergangenheitsform, in Anspielung auf eine kleine Utopie von Art-Etage-Hausherr Patrick Christe («Nature Strikes Back», 2014). Darin setzt der Grafiker den Fokus auf eine kulturpolitische Botschaft, die man frei übersetzen könnte mit: «Ist die Kulturszene in Biel tot, ist es auch diese Stadt.» Schuld am Kulturverfall ist natürlich, dies die etwas simple Aussage, die Politik, die ihr die Gelder geklaut hat.

Mag diese Botschaft angesichts eines regen Bieler Kulturlebens auch gar zu drastisch wirken, so hat es wohl angesichts der finanziellen Zusammenstreichungen an der Schule für Gestaltung durchaus aktuelle Bezüge.

 

Biel lebt!

Politisch bleibt es auch mit dem skelettierten Motorradfahrer von Eisenplastiker Christian Schmutz, der sich den Sensenmann namens «The End is near» gleich mal vom AKW Mühleberg sponsern lässt, wie Titel und die atomare Marke der Maschine augenzwinkernd bedeuten wollen. Und auch die Installation von Gregor Wyder stimmt brav in den linkspolitischen Reigen ein. Mit «Biel/Bienne» (2014) hat Wyder eine Art kriegerische Carrera-Bahn geschaffen, über die nicht nur beilschwingende Männchen auf Spielautos düsen, sondern auch der Gott Mammon über allem schwebt, als goldener «Investor». Ein Papp-Heli mit Hanfpflanze überwacht die Stadt. Das kann ja nichts werden...

Dass da mal ein Auto brennt, kann einen kaum verwundern. Und wer könnte das schöner in Öl auf Leinwand festhalten als Jerry Haenggli («Ohne Titel», 2013)?

Andere beschränken sich auf ironische Selbstdarstellung wie Chri Frautschi mit seinem Pigmentdruck «Chr.Frautschi» (2014), der einen gleichnamigen Antiquitäten-Salon aus alten Tagen zeigt.

Pat Noser überrascht mit dunklen Bildern, aus denen ein goldenes, fast mystisches Licht schimmert. Ihre Nachtansichten von «Campari» bis hin zu «Omega» und «GM» gefallen; die «Braderie» ist für sie offensichtlich nur das, was von ihr übrigbleibt: «Müll». Künstler Tarkin schliesslich positioniert sein Männchen selbstbewusst als überlebensgrosses Viech neben dem knapp unter sein Kinn reichenden Kongresshaus. Fazit: Doch, doch, hier ist Biel. Recht lebendig.

 

Info: Galerie Art-Etage, Seevorstadt 71, Biel, Gruppenausstellung «Ici c'était Bienne»; offen Mi-Sa, 14-18 Uhr, Finissage am Samstag, 1. Februar, 16-20 Uhr.

 

Zehn Künstler über «ihr» Biel

Jerry Haenggli *1970, Vevey, lebt in Biel, Anderfuhren-Preis 2000, diverse Auslands-Ateliers

Chri Frautschi *1969, Biel, Ehrung für kulturelle Verdienste der Stadt Biel, betreibt den Kunstraum Lokal.int

Christophe Lambert *1970 La Chaux-de-Fonds, lebt in Biel

Pat Noser *1960 Aarau, Preis der Fontana-Gränacher-Stiftung 2013, Einzelausstellung 2011 Kunsthaus Pasquart

Olivier Rossel *1977, lebt in Biel, 2012 Prix Kunstverein, 2004 Grafiker-Diplom SfG Biel

Christian Schmutz *1965 Biel

Rudolf Steiner *1964, Niederbipp, lebt in Biel, u.a. Prix Photoforum, Anderfuhren- und Aeschlimann-Corti-Stipendium

Tarkin, eigentlich Herbert Kracke, *1967 Biel, Graffiti-Artist.

Daniel Turtschi *1962 Biel, Anderfuhren Stipendium

Gregor Wyder *1970 Biel, Anderfuhren Stipendium

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