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Freilichttheater

Dürrenmatt kehrt auf die Festi zurück

Nach «Der Richter und sein Henker» ist nicht Schluss: 2021 inszeniert der Verein Schluchttheater oberhalb des Bielersees mit «Romulus der Grosse» erneut ein Werk von Friedrich Dürrenmatt.

Ein grosser Erfolg: Ermittler Tschanz versuchte 2016 bei der Inszenierung von Friedrich Dürrenmatts «Der Richter und sein Henker» auf der Festi Komissär Bärlach auf eine falsche Spur zu lenken. Bild: Lukas Batschelet/zvg

Lino Schaeren

Die Aufführung von Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman «Der Richter und sein Henker» als Freilichttheater auf der Festi oberhalb von Ligerz wurde 2016 zu einem grossen Erfolg: Sämtliche 20 Vorstellungen waren komplett ausverkauft. Es ist nicht zuletzt das Publikumsinteresse, das den Verein Schluchttheater diesen Frühling nun zum Entscheid bewogen hat, Dürrenmatt noch einmal an jenen Ort zurückzuholen, an dem er einige seiner grossen Klassiker geschrieben hat. Im Spätsommer 2021 wird auf der Festi die Komödie «Romulus der Grosse» gespielt.

Nach «Der Richter und sein Henker» blieb es die letzten beiden Jahre ruhig um den Verein Schluchttheater. Man habe nach diesem Effort etwas durchatmen müssen, sagt Präsident Urs Schmid. Die Inszenierung inmitten der steilen Rebberge am Bielersee war vor allem eine logistische Herausforderung. Werner Könitzer, 2016 noch Vizepräsident des Vereins und im Stück als der ermordete Polizist Ulrich Schmied zu sehen, sagt: «Es gibt keinen schöneren, aber auch keinen dümmeren Ort, um ein professionell inszeniertes Freilichttheater aufzuführen.» Trotzdem kam für die Veranstalter bei einer allfälligen Fortführung des Erfolgsprojekts ein Ortswechsel nicht infrage (siehe auch Zweittext). Zu gross ist die Verbundenheit mit jenem Ort, an dem Friedrich Dürrenmatt einst lebte und wirkte. Und so kommt es, dass der Verein wieder aktiv wird und die Festi in jenem Jahr, in dem der 1990 verstorbene Schriftsteller 100 Jahre alt geworden wäre, erneut zum «Tatort» macht.

Budget von 600 000 Franken
Man sei voller Elan, sagt Schmid, und fahre die Organisation langsam wieder hoch. Noch bleiben mehr als zwei Jahre: Von Mitte August bis Mitte September 2021 soll «Romulus der Grosse» 19 Mal gespielt werden, der Vorverkauf startet im Dezember 2020. Das Vereinsteam ist nach «Der Richter und sein Henker» zusammengeblieben, einzig Werner Könitzer ist aus dem Vorstand ausgetreten. Im Wissen darum, dass der Verein Schluchttheater kaum die einzige Organisation sein wird, die «100 Jahre Friedrich Dürrenmatt» zum Anlass nehmen wird, den Schriftsteller hochleben zu lassen, steht jetzt bereits die Sponsorensuche an: Mit dem Ticketverkauf werde man voraussichtlich nur die Hälfte des Budgets von rund 600 000 Franken decken können, sagt Schmid.

Unterstützung zugesichert hat bereits die Gemeinde Twann-Tüscherz: Sie will 10 000 Franken aus dem Kulturfonds beisteuern, teilte sie am Dienstag mit. Auch der Verein Bielersee Tourismus hat Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert. Die Gemeinde Ligerz wurde ebenso erneut um Mithilfe gebeten, ein Entscheid steht aber noch aus. Schmid sagt: «Die Unterstützung durch Twann-Tüscherz und den Tourismus-Verein ist ein Beweis dafür, dass die Fortsetzung des Projekts lokal getragen wird.» Das sei auch deshalb wichtig, da eine Defizitgarantie durch den Kanton ohne die Unterstützung der Standortgemeinden undenkbar sei.

Hühner als Herausforderung
Nicht nur die Finanzierung von «Romulus der Grosse» ist noch offen, auch die Rollen sind in diesem frühen Stadium noch nicht verteilt. Klar ist, dass die Hauptrollen erneut mit professionellen Schauspielern besetzt werden. «Wir brauchen vor allem zwei Charakterköpfe, einen typisch römischen und einen germanischen», sagt Urs Schmid. Die «ungeschichtliche historische Komödie», wie Dürrenmatt sein eigenes Stück betitelte, spielt im 5. Jahrhundert nach Christus.

Der letzte römische Kaiser Romulus bringt seine Untertanen zur Verzweiflung, indem er nichts gegen das Vorrücken der Germanen unter der Führung des Feldherrn Odoaker unternimmt und sich stattdessen auf seinem Landsitz voll und ganz der Hühnerzucht widmet. Romulus sehnt den Einmarsch des Feindes herbei, damit das grausame römische Imperium ein Ende finden möge. Als der germanische Fürst dann aber endlich vor den Türen der kaiserlichen Villa steht, kommt alles anders als gedacht.

Schmid sagt, man habe bereits einen bekannten Regisseur für die Inszenierung gewinnen können. Um wen es sich dabei handelt, will er aber noch nicht verraten. Für die Produktion wird der Verein nebst den Profis erneut auf etliche Laienschauspieler angewiesen sein. Der Vereinspräsident macht sich aber auch bereits Gedanken über die Hühner: Diese in dem Theaterstück auftreten zu lassen, werde eine grosse Herausforderung, sagt er und lacht.

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Leid und Not vor der Juragewässerkorrektion
Werner Könitzer war Vizepräsident des Vereins Schluchttheater, als 2016 in Schernelz «Der Richter und sein Henker» aufgeführt wurde, Jürg Markus Fankhauser führte Regie. Aufgrund des Erfolgs des Projekts dachten die beiden über eine Fortsetzung des Freilichttheaters in der Region nach – aufgrund der ungünstigen Erschliessung allerdings nicht mehr auf der Festi oberhalb von Ligerz, sondern im Schlosspark in Nidau. Weil der Verein einem neuen Spielort nicht zustimmen konnte und nicht sofort wieder ein neues Theaterprojekt angehen wollte, wurde der Verein Schlosspark-Theater gegründet.

Dieser will bereits im Spätsommer 2020 das Freilichttheater «Uswandere» spielen. Das Stück spielt vor der Juragewässerkorrektion im Seeland und zeigt das Schicksal einer fiktiven Familie, die geplagt vom versumpften und nicht mehr kultivierbaren Land, entscheidet, nach New York auszuwandern. «Uswandere» ist ein professionell inszeniertes Theaterstück aus der Feder von Fankhauser, der auch die Regie übernimmt. Fankhauser ist auch bei «Romulus der Grosse», das ein Jahr später in Schernelz gespielt wird, in der Regie engagiert.

Mit der Ankündigung von «Uswandere» und «Romulus der Grosse» wird das Seeland drei Jahre infolge Schauplatz von aufwendig produzierten Freilichttheatern sein. Bereits diesen August und September wird der mittelalterliche Schwank «Buffon» von Thierry Luterbacher im Schlosspark Nidau aufgeführt. lsg

 

 

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