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Eigentlich hat sie das perfekte Bild eingeübt

Parodistische Revue oder ernste Spurensuche? Bei Helenka kann man sich nicht so sicher sein. Das liegt wohl daran, dass sie das Spiel mit den Oberflächen bestens beherrscht.

Helä hat die Pose einstudiert und möchte Haltung bewahren, aber das gelingt eben nicht immer. zvg/marco frauchiger
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Tobias Graden

Etwas sei ihr noch in den Sinn gekommen, schreibt Helena Danis nach dem Treffen. Sie habe in ihrer Studienzeit während der Jazzschule in einer WG zusammen mit einem Madonna-Fan und einer Dragqueen gewohnt. Sie selber befand sich damals in der Ausbildung zur Sängerin. Einerseits habe sie in jenen Jahren also die «seriöse» Auseinandersetzung mit der Jazzmusik gehabt, anderseits war da die etwas persiflierte Glitzer- und Glamourwelt der Popkultur. «Das hat mich sicher auch geprägt...», schreibt Danis, und dass sie den Satz nicht mit einem einzigen Punkt beschliesst, dürfte kein Zufall sein. Der Dreipunkt nämlich lässt vieles offen, er deutet womöglich Unsicherheit an, vielleicht aber auch Ironie.
Das passt zu einer Künstlerin, die sich mit ihrer Bühnenfigur in den letzten Jahren nicht zuletzt auf eine persönliche Spurensuche begeben, diese Figur aber auch selber einem Wandel unterworfen hat. Und es passt vor allem zu Helä, der aktuellen Inkarnation von Danis, als die sie am Freitag in Biel auftritt.

Das Ghetto ist in Burgdorf
Wer dieser Helä zum ersten Mal begegnet, reibt sich die Augen. Zum Beispiel im Videoclip zum Song «Mi Name isch Helä». Sie steht in der Waschküche eines Wohnblocks, diese Helä, trägt eine grosse Brille und eine blaue Skijacke mit eingelassenem buntem Muster, wie sie nun wirklich gar nie Mode war. Dazu bewegt sie sich zielsicher so, dass man es beim besten Willen weder als elegant noch eindrucksvoll bezeichnen kann und postuliert aber halbwegs selbstbewusst, sie wohne hier im Ghetto. Als musikalische Untermalung dient synthesizergeschwängerter Elektropop, der zwar durchaus pumpt, aber auch fragil wirkt. Wenn diese Helä dann noch von ihrem ersten Verbrechen singt, von den geklauten Schoggistängeli, denkt man an den Bieler Stude und seine Ode ans Migros-Restaurant in Grenchen und fragt sich: Ist das jetzt ernst gemeint und hohe Kunst oder einfach spassig als platte Parodie?
«Ich spiele mit den Erwartungen des Publikums», sagt dazu Helena Danis. Ihre Figur wolle ein perfektes Bild abgeben auf der Bühne, sie habe geübt, «und doch geht immer etwas schief». Besonders galt dies für ihre letzte Figur, Helenka Romantickova. Diese hatte sich in der Show «Eine Rohmantiše Revue» von der aus Osteuropa eingewanderten Putzfrau zur Alleinunterhalterin im Hotel Belvedere in Gstaad hochgearbeitet, aber der Glamour blieb dabei eine Wunschvorstellung. Das Programm, mit dem Danis für den Kleinkunstpreis nominiert war, vermengte Trash und Komik ebenso, wie es von wahren Lektionen des Lebens erzählte. «Sie haben meine Geschichte gespielt», sagte eine Tschechin im Publikum mal zur Künstlerin.
Das gelang Danis nicht zuletzt darum, weil sie um die Realitäten von Einwanderern weiss. Sie hat selber slowakische Wurzeln, ihre Eltern kamen 1968 nach der Niederschlagung des Prager Frühlings in die Schweiz, Danis wuchs als Immigrantenkind in Burgdorf auf.

Die Überzeichnung demaskiert
War Helenka Romantickova eine Spurensuche bei der Generation ihrer Eltern, so ist «Vocal Desaster» also eine Annäherung an ihre eigene Jugend – mit dem Blick und den ästhetischen Werkzeugen von heute und mit dem Mittel der totalen Überzeichnung. Das letztes Jahr erschienene Album bestand nämlich nicht nur aus einer schnöden CD mit 14 Songs, sondern einem dazugehörigen prallen, überkitschigen Heft. Helenka verriet darin, wer «der Neue an ihrer Seite» ist, sie zeigte «exklusiv ihr Luxusappartement» oder führte durch einen «Luxustrip nach Burgdorf» und verriet ihr «fantastisches Detox-Rezept».
Die Übermaskierung ist dabei genau genommen eine Demaskierung, vielleicht gar eine Abrechnung mit einem früheren Ich. Bevor Helena Danis das Kleinkunst-Format entdeckte, tourte sie nämlich mit der Electropop-Band Electric Blanket durch Europa, mit passablem Erfolg. «Im Pop geht es ja gerade darum, ein Bild von sich zu kreieren, eine Geschichte von sich zu erzählen», sagt die Künstlerin, «Helenka will genau dies auch, aber es gelingt ihr nicht. Sie fliegt auf.»
Was im Pop glänzende Oberfläche sein muss, kriegt bei Helenka also gehörig Risse. Das blosse Übersprayen eines Verkehrsschilds wird zum Banksy in Burdlef deklariert, und während Plüsch die Liebe zur Heimat besingen, muss bei Helenka ein Schinkengipfeli ausreichen.

Sie ist wieder näher an sich selber
Die Frage nach Authentizität erscheint so fast absurd, doch Helena Danis sagt ganz ernst: «Mein aktuelles Programm ist im Jetzt angesiedelt und näher an dem, wo ich zuhause bin.» Dieses Zuhause ist nun mal der Pop, das Spiel mit Oberflächen, der Klang, der aus alten Casio-Synthesizern scheppert. Aber es ist eben auch das Berndeutsch, das Danis nun erstmals verwendet. Helenka Romantickova sprach mit heftigem Akzent, «man rutscht damit eine bestimmte Ecke, die von Klischees bestimmt ist, das fand ich mit der Zeit nicht mehr so spannend». Helä aus Burdlef ist also näher an Helena Danis, sie ist ernster und frönt auf der Bühne weniger dem Klamauk, und sowieso:«Ich bin nicht als blosse Kunstfigur auf der Bühne. Ein Korn Wahrheit ist immer drin.»
Gut möglich ist aber auch, dass es Danis wieder näher zum Pop zieht. Derzeit tritt sie mit ihren Synthies und einer Schlagzeugerin auf. Das eröffnet schon einigen Spielraum in musikalischer Hinsicht, ermöglicht aber nach wie vor das Spielen auf kleinen Bühnen wie in Biel. Eine breitere Instrumentierung sei aber künftig ebenso denkbar wie eine erneute Hinwendung zur englischen Sprache, dem Universalidiom des Pop.
Vorerst aber tritt in Biel Helä auf. Das Publikum wird sich die Augen reiben, es wird ihm nicht bewusst gewesen sein, wie krass Burgdorf ist. Und es wird gewiss einiges zu lachen haben.
Info: Konzert? Show? Kleinkunst? Absturz? Ein Auftritt ist es jedenfalls, und zwar am Freitag um 21 Uhr im Literaturcafé, Obergasse 11, Biel.

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