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Biel

Eine Band in einem Raum

Heute Abend taufen Dream Pilot ihr neues Album «Afterglow». Es ist ihr drittes in drei Jahren. Anders als bei den letzten Werken haben sie dieses Mal bewusst einfach gearbeitet.

Im Studio von In-Discourse Creative Productions in Malmö haben es sich Dream Pilot für ihr neues Album gemütlich gemacht.  zvg
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Tobias Graden

Malmö. «Schön ist es dort!», sagt Jachin Baumgartner. Velofahrer seien die Könige, auf breiten Radwegen lasse sich die Stadt erkunden, den Sonnenuntergang am Meer geniessen, und wenn man sich verlaufe, kämen hilfsbereite Schweden von selber auf einen zu.
Der Bieler Musiker hat in Südschweden aber nicht Ferien gemacht, sondern er war zum Arbeiten dort. Auf der Traktandenliste standen die Aufnahmen für das neue Album der Band Dream Pilot, deren Kopf Baumgartner ist.

Eine radikale Abkehr
Warum Malmö? «Wir wollten uns bewusst in einen ganz anderen Kontext versetzen als bei den ersten beiden Platten», sagt Baumgartner, «wir wollten an einem anderen Ort und mit anderen Leuten arbeiten.»Malmö bot sich an, denn dort lebt mittlerweile Silas Bieri, hierzulande bekannt als Teil der Musiker- und Künstlergruppe Illeist Collective, früher hat er bei Dream Pilot die Keyboards gespielt. Bieri hat in Malmö eine Familie gegründet und ein Studio: In-Discourse Creative Productions bietet einen grossen Raum an für jegliche künstlerische Aktivitäten an. «Es war wie ein Familientreffen», sagt Baumgartner. Für fünf Tage sollte dies die Heimat von Dream Pilot sein, das neue Album sollte hier eingespielt werden, und zwar – abgesehen von Gesang und einigen Soli – live und direkt.
Das bedeutete eine recht radikale Abkehr von bisherigen Methoden. Das erste Album «Away From Today» nahm die Band mit Raffael Brina in Biel auf, und man sparte nicht beim Einsatz mit den Möglichkeiten, die ein gut ausgestattetes Studio und zahlreiche Musikerfreunde so bieten. Noch das einfachste Lied hatte unzählige Spuren. «Bei diesem Album habe ich die Studioarbeit gelernt», sagt Baumgartner. Beim zweiten Werk, ein Jahr später, konnte er nunmehr auf das eigene Studio zurückgreifen, und die Musik fiel noch üppiger aus. Baumgartner war stolz, jeden Bläsersatz und alle Streicher als echte Instrumente aufgenommen zu haben.
Und nun? Eine Band in einem Raum. Schlagzeug, Bass, zwei Gitarren, Gesang. Man spielte die Lieder mehrmals live ein, der beste Take kam aufs Album, einzig der Gesang und einzelne Soli wurden seperat aufgenommen, die wenigen Klavierparts in der Schweiz noch nachgespielt, «denn meine Künste am Piano genügten nicht», wie Baumgartner sagt. Fertig. Keine Gebläse, keine Sinfonien, keine Geräuschcollagen, keine Spielereien.

Mehr hat gar nicht Platz
Immerhin, die Band, die im Kern ein Trio (Baumgartner, Bassist Miro Rutscho und Schlagzeuger Raphael Ruimy) war, ist für die Aufnahmen zum Quartett und für die Konzerte zum Sextett angewachsen. Neu hinzugestossen ist der Gitarrist Andy Hidber. Er hat sich gleich auch als Musik-Mitschreiber verdient gemacht, und er ist einer der Gründe, warum «Afterglow» mit wenig Tonspuren auskommt: «Sein Spiel ist voll und satt, es nimmt Raum ein. Neben ihm und mir hätten nicht noch weitere Gitarren Platz», sagt Jachin Baumgartner. Am Klavier sitzt Tony Fischer, und auf der Bühne mag Baumgartner dann doch nicht einer allzu herkömmlichen Besetzung vertrauen und hat mit Michael Rüegger einen dritten Gitarristen engagiert.
Die Songs auf «Afterglow» aber klingen zumeist erfrischend schlank. Das Titelstück, mit dem das Album beginnt, gönnt sich als Extravaganz gerade mal etwas Delay, Hall und Chorgesang im Refrain, mehr braucht der melancholische Song auch nicht für diese autobiographische, aber aus Frauensicht erzählte Trennungsgeschichte. Überhaupt setzen Dream Pilot vor allem in der ersten Albumhälfte eher auf cleanen Gitarrensound, der gleichwohl druckvoll ist. Die Klangästhetik erinnert an englische Bands der späten 70er-Jahre: «Das war ja das beste Jahrzehnt, was Rockmusik betrifft», bestätigt Baumgartner. Oder dann werden mit der Gitarrenfigur in «Keep Up» die frühen 80er zitiert: Die Band hat sich von Falcos «Junge Römer» inspirieren lassen und sich gefragt, wie es denn klingen würde, wenn Falco einen Song für Dream Pilot geschriebe hätte. Für Baumgartner ist das Album teils auch eine Rückkehr in die Teenagerjahre, und spätestens beim mit Reggae versetzten «Sidestreets» in der Mitte des Albums wird klar, welche Band es ihm damals so angetan hat:The Clash. Das Lied ist eine «Hommage an das richtige Leben», sagt Baumgartner, «das in den Nebenstrassen stattfindet, nicht auf den Einkaufsmeilen».

Punk für die Bieler Polizei
In der Folge merkt man «Afterglow» dann auch an, dass Baumgartner auch bei Chicken Reloaded tätig ist. Die Nachfolgeband von Theo’s Fried Chickenstore hat sich dem Punk verschrieben, und der hält mit der Tirade «BNC Cops» auch bei Dream Pilot Einzug. Es kommt dann noch guter, riffgetriebener Rock («Mr. Uncool»), später zum Schluss der Song, der Baumgartner am wichtigsten ist, wie er sagt: «Zum ersten Mal ist es mir gelungen, ein Lied über meinen Sohn zu schreiben.» «Waterfalls» ist eine Ballade, Freunde von musikalischem Melodram und dem guten, alten Downtempo-Gitarrensolo kommen voll auf ihre Rechnung.
Erstmals veröffentlichen Dream Pilot auf einem Label, es ist Oh, Homesick. Labelbetreiber Stef Allemann, der auch das Abmischen übernommen hat, sei nicht genug zu danken: Mit Oh, Homesick biete er zahlreichen Bands der Region eine Plattform. Überdies verhelfe durch das Bestehen auf Abgabeterminen zu effizientem Arbeiten. Und das kann die derzeit wohl produktivste Bieler Band gut gebrauchen: Bereits sind neue Songs geschrieben, manche werden heute an der Plattentaufe vorgestellt, und das nächste Album lässt wohl nicht lange auf sich warten. Baumgartner sagt schlicht: «Ja, es läuft gut.»

Plattentaufe heute Abend um 21 Uhr im Eldorado, Mattenstrasse 28, Biel. Support Act: Jengi. Weitere Konzerte in den folgenden Wochen, z.B. am 13. Januar im Schüxenhaus, Ins.

 

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