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Energien und Farben am richtigen Ort

Heute taufen The Clive ihr zweites Album «A Blessing In This Clive». Die Bieler Rockband muss mit einem Gitarristen weniger auskommen – und hat sich nicht nur punkto Arrangements viel überlegt.

Mögen die Farbe gelb: The Clive haben ihren Auftritt durchgestylt. zvg

Tobias Graden

Warum trägt der denn einen gelben Quader durch die Stadt? Warum läuft der andere mit einem ebenso gelben grossen Dreieck durchs nächtliche Berlin und ein weiterer mit einem Zylinder? Im Dunkeln vorbei am Ausgehvolk im Prenzlberg, über Treppen an verlassenen Bahnstationen, im Morgengrauen über das Tempelhofer Feld, es scheint eine Art Prozession mit geometrischen Körpern zu sein. Schliesslich treffen die drei seltsamen Herren in einem Backsteingebäude ein und gesellen sich zu einem vierten, der seine Zeit singend im balssen Weiss verbringen musste. Nun ist die Band komplett, die Teile sind zusammengefügt.
Es ist also eher abstrakt, das Video der Rockband The Clive zu ihrem Song «Spinning Minds», der das neue Album «A Blessing In This Clive» eröffnet. Ein Zufall ist es aber nicht, doch davon später.

Nicht mal fünfte Liga
Es begann mit dem Eingeständnis einer Niederlage. Die Mitglieder – Malik Nashash (Gesang), Bastien Jeandrevin (Gitarre), Julien Dornbierer (Bass) und Jason Zihlmann (Schlagzeug) – stammen ursprünglich alle aus dem Vallon de St. Imier, man kennt sich schon lange und spielte zusammen Fussball beim FC Corgémont. «Doch wir waren nicht gut genug», sagt Bassist Dornbierer, «nicht einmal für die fünfte Liga. Also begannen wir, Musik zu machen.»
2011 gründeten sie The Clive, im Jahr 2016 folgte das erste Album «Two Wrongs Don’t Make A Clive». In Erinnerung davon blieb vor allem der Song «Stray Hares Run Out Of Mojo» – einerseits wegen der einprägsamen Riffs und seiner Eingängigkeit, anderseits wegen des Videos dazu. Dieses handelt von einer verhängnisvollen Begegnung in einem Club; doch alles läuft rückwärts: Am Anfang liegt die junge Frau wehrlos am Boden, am Ende sehen wir, wie sie das Gebäude betritt.
Die Band war damals noch ein Quintett. Im Lauf der folgenden Tour, die The Clive durch die ganze Schweiz führte, wurde jedoch beim Gitarristen Gilles Favre eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Weiterhin Konzerte zu geben war ihm nicht mehr möglich. Favre geht mit seiner Krankheit sehr offen um, er unterhält beispiele eine Website, auf der er über sich und die Schizophrenie reflektiert und informiert. Mit seinen Mitmusikern ist er eng befreundet geblieben und sein Vater fungiert als eine Art Betreuer der Band.

Seemöwe mit Hall
Musikalisch aber bedeutete die Krankheit eine ziemliche Umstellung für The Clive. Einen anderen Gitarristen einzustellen wäre unvorstellbar gewesen, sagen Dornbierer und Jeandrevin unisono – also spielte die Band als Quartett weiter. Das machte einige Änderungen in den Arrangements der Songs nötig: «Das Ziel war, unseren spezifischen Sound auch mit nur noch einer Gitarre behalten und unsere Energie bewahren zu können», sagt Dornbierer, «live ist das schwieriger als im Studio.»
Resultat ist, dass The Clive nun auf dem Album ein noch klareres Klangbild haben. Die Band spielt Rock, versteht diesen aber nicht als eine stampfende, dröhnende Maschine. Vielmehr nennt Jeandrevin die Red Hot Chili Peppers und deren Gitarristen John Frusciante als frühen Einfluss, während man sich später eher Richtung Britrock orientiert habe. Die Songs von The Clive sind sehr riffbetont, in ihrer Struktur aber nicht selten auch eingängig wie ein Popsong. Die Gitarre ist meist nicht allzu stark verzerrt, während nach dem Wegfall Favres nun der Bass mehr Raum hat und bisweilen etwas angezerrt wird. Um Volumen zu erzeugen, arbeiten The Clive gerne auch mit Hall – bisweilen wird er gar zum prägenden Stilelement, etwa in «Please Refrain From Feeding The Seagull». «Wir arbeiten nun stärker mit Kontrasten», sagt Dornbierer, «wir dosieren die Energie am richtigen Ort und haben auch mehr ruhige Momente.»

Training mit dem Coach
Man merkt: Das ist alles sehr überlegt, was The Clive tun. Vor der heutigen Plattentaufe hat sich die Band in La Chaux-de-Fonds im «Bikini Test» eingenistet und mit einem Coach am Live-Auftritt gefeilt. «Wir haben mit ihm viele neue Ideen ausprobiert und sind sehr zufrieden mit dem Resultat», sagt Gitarrist Jeandrevin. Zusammen habe man auch den Auftritt vorbereitet: «Wir kommen nicht einfach irgendwie auf die Bühne und beginnen mal zu spielen», so Dornbierer, «sondern wir haben eine durchkonzipierte Show vorbereitet.»
Und hier kommen wieder die gelben Ungetüme ins Spiel: «Wir mögen die Farbe gelb», sagt Jeandrevin ironisch – Tatsache ist, dass die Band ihren Auftritt bis hin zur Farbwahl der CD-Hülle oder dem Licht an Konzerten bewusst durchstilisiert hat. In der Wirtschaftswelt würde man dem Corporate Identity sagen, und gelb wären die Hauptfarbe der Marke The Clive. Auch hier sind Kontraste wichtig: Während der visuelle Auftritt sehr clean daherkommt – die Musiker geben nicht die kaputten Rockerjungs, sondern eher die «Klassenbesten», wie Jeandrevin sagt –, geht auf der Bühne ganz schön die Post ab. Auch hier: Ein Zufall ist das nicht. Sondern ausgefeilte Konzeptarbeit. Julien Dornbierer hat Marketing studiert, und wer die Band unterstützen will, dem schickt sie gerne ihr Sponsoringdossier zu.

Über den Röstigraben
Mit dieser Mischung nehmen The Clive also das nächste Kapitel der Bandgeschichte in Angriff. Ein Ziel dabei ist die Überwindung des Röstigrabens. Noch wird die Formation, die mittlerweile in Biel basiert ist, eher als Band der Romandie wahrgenommen, die anlaufende Konzertserie führt noch nicht in die Deutschschweiz. Vielleicht ändert sich das, wenn die Veranstalter sehen, dass The Clive für ihr Weiterkommen auch mal sperrige Objekte durch Berlin schleppen. Solange sie gelb sind.

Info: The Clive: «A Blessing In This Clive» (Escudero Records/Disques Office). Plattentaufe heute Abend mit Archair und Pale Male im Le Singe, Biel. Das Video zu «Spinning Minds» aufwww.bielertagblatt.ch/theclive

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