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Musik

Er hat Respekt verdient

Immer wieder hat Bryan Adams gezeigt, dass er mehr ist als ein musikalisches Leichtgewicht. Doch wer bei seinem neuen Album «Shine A Light» auf mehr hoffte, wurde jetzt leider enttäuscht – bis auf eine grosse Überraschung am Schluss.

Bryan Adams: talentierter Sympathikus. Bild: zvg

Nick Joyce

Seit rund 35 Jahren zieht Bryan Adams den Spott der Kritiker auf sich. Der kanadische Rock-Sänger und -Gitarrist sei ein musikalisches Fliegengewicht, heisst es immer wieder, dessen simplen Songs wie am Reissbrett entworfen klingen. Gar kalkuliert seien Stücke wie sein grösster Hit «Everything I do I do It For You» konzipiert, zielen sie doch auf Wirkung statt auf Raffinesse.

Man tut Bryan Adams aber unrecht, wenn man derart flächendeckend über ihn herzieht. Im alten Basler St. Jakob-Stadion bewies der 1959 in Ontario geborene Diplomatensohn immer wieder, was für ein grossartiger Performer er doch ist. Und wie mitreissend schnörkellos ein Stadionkonzert doch sein kann.

Auch hat sich Adams über die letzten 20 Jahre als Fotograf hervorgetan, der seine Bilder von kriegsversehrten Soldaten in eine langjährige Aktivistenarbeit integriert. Ganz abgesehen davon ist er ein selbstironischer Interviewpartner. 1997 erzählte Adams diesem Schreiber von der Bürde, anschliessend an einen Auftritt des grossen Bob Dylan «meine lapidaren Popliedchen spielen zu müssen».

Bemerkenswerte Koproduktionen
Wegen seiner vielen Qualitäten begegnet man Bryan Adams immer wieder mit Neugier. Man hofft, dass ihm endlich ein Album gelingt, das mehr als ein paar tolle Singles und viel Füllmaterial enthält. Grund zur Hoffnung gaben seine vielen unterschiedlichen Arbeitsweisen und Projekte. Adams hat Vorstösse in Richtung Dance-Musik gewagt , mit dem spanischen Flamenco-Gitarristen Paco de Lucia und dem deutschen Komponisten Hans Zimmer Soundtracks geschrieben und mit Rod Stewart und Sting kleine Gaudis vor dem Studiomikrofon veranstaltet.

Das Titelstück zu seinem neuen Album «Shine A Light» entstand gar in Zusammenarbeit mit Ed Sheeran, dem derzeit erfolgreichsten Musiker des Planeten und so etwas wie der Bryan Adams der Millenials. Herausgekommen ist aber doch nur ein Song, der nach Bryan Adams klingt: Einige Akkordwechsel sind dem frühen Hit «Summer Of ‘69» klar entlehnt.

Tragisch wäre das nicht, könnte man sich den Refrain zu «Shine A Light» nur merken. Dieser verschwindet aber ebenso flink aus dem Gedächtnis wie andere Stücke auf dem gleichnamigen Album. Das R’n’B-angehauchte Duett mit Jennifer Lopez «That’s How Strong Our Love Is» wirkt gar abgeklärt, «Driving Under The Influence Of Love» und «All Or Nothing» sind platt geratene Hommagen an den erdigen Rock von Status Quo und AC/DC, «Talk To Me» ist eine Verbeugung vor John Lennon und dessen Plastic Ono Band Anfang der 70er-Jahre. Das sind alles ganz passable Popsongs, die von Adams zwar engagiert gesungen, aber von seiner Begleitband lieblos abgespult werden.

Nur ein Stück aus «Pretty Woman»
Man hätte durchaus mehr von «Shine A Light» erwarten dürfen. Immerhin verbrachte Adams die letzten Jahre mit der Arbeit am Broadway-Musical «Pretty Woman», eine Aufbereitung der Filmkomödie mit Julia Roberts und Richard Gere. Die Herausforderung, ein abwechslungsreiches Bühnenwerk zu schreiben, hat sich aber nur geringfügig auf «Shine A Light» niedergeschlagen. Gerade einmal ein Stück aus «Pretty Woman» hat es auf das neue Album geschafft. Tatsächlich gehört das schmissige «I Could Get Used To This» zu den Höhepunkten von «Shine A Light». Ebenfalls Stammplätze in Adams’ Live-Repertoire verdient haben die schlanke Stadionrock-Nummer «Nobody’s Girl» und die Uptempo-Ballade «Don’t Look Back».

Die grosse Überraschung kommt erst im Albumabspann. Adams gibt den irischen Folksong «Whiskey In The Jar» so rauchig brillant wieder, als stamme er nicht aus Ontario, sondern aus Dublin. Gerne hätte man mehr Solo-Interpretationen ähnlich grossartiger Songs von ihm gehört, diesem grandiosen Performer, der live auch die eigenen Hits zu veredeln weiss. Darum ist man beim nächsten Mal gerne vor Ort, wenn Adams die Schweiz wieder beschallt. Seine zukünftigen Albumveröffentlichungen wird man wie gewohnt aber mit kleinen Erwartungen und grossen Hoffnungen begegnen. So viel Respekt schuldet man diesem talentierten Sympathikus doch.

Info: Bryan Adams, «Shine A Light», Polydor/Universal Music.

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