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Ausstellungen

Fenster, Türen, Bildschirme

Das Kunsthaus Pasquart zeigt gleich drei neue Ausstellungen, unter anderem mit dem Bieler Kollektiv Linus Bill und Adrien Horni in der Salle Poma. Der Rundgang durchs Haus wirkt eher verwirrend als beglückend.

Linus Bill und Adrien Horni: «Heredity 312», 2017. zvg/Aurelien Mole

Alice Henkes

Fenster und Türen bilden, in der Kunst wie im Leben, Rahmen des Ausblicks oder auch des Übertritts in andere Räume. Dies gilt auf einer profanen, räumlichen Ebene wie auch auf einer übergeordneten, metaphorischen. Türen können sich zu neuen Erfahrungen öffnen, Fenster in weite Denkräume führen. Im Werk von Anna Barriball wollen Türen und Fenster zum geheimen Eigenleben von Objekten führen. Die englische Künstlerin inszeniert Fensterbilder und andere architekturgestützte Arbeiten zuweilen so, dass sie ans Wundersame grenzen.

Die Präsentation der Arbeiten von Anna Barriball ist eine von drei Ausstellungen, die heute Abend im Kunsthaus Pasquart eröffnet werden. Neben der britischen Künstlerin zeigt das Pasquart eine Gruppenausstellung, die den Einflüssen klassischer indischer Musik auf die bildende Kunst nachgeht sowie eine Serie aktueller Bilder des Bieler Kollektivs Linus Bill und Adrien Horni. In Summa ergibt das eine enorme Fülle unterschiedlicher Eindrücken. Kaum etwas verbindet die Ausstellungen miteinander. Vor allem die kleine Themenausstellung «Everything we do is Music», wirkt wie ein Fremdkörper.

Mehr als Oberfläche?

Den grössten Raum darf Anna Barriball beanspruchen. Die Künstlerin, 1972 in Cornwall geboren, arbeitet mit Papier und Videos. Zuweilen nehmen ihre Arbeiten narrative Züge an. Im Video «Draw (fireplace)» flattert Transparentpapier, wie von Geisterhand bewegt, vor einem Kamin. «Brick Wall» zeigt den Bleistift-Abdruck einer Ziegelmauer. Der Rahmen um das Werk lässt die Illusion entstehen, die silbrig-schwarze Bleistiftarbeit gewähre einen Blick in das Innenleben der glatten Galerie-Wände. Die stumme Welt der Dinge öffne für einen kurzen Moment ihre Pforten. Zahlreiche solcher Papierarbeiten markieren das Werk Barriballs. Nicht immer öffnen sich dabei Fenster oder Türen. Manchmal lässt sich nicht mehr in den Arbeiten sehen, als das, was sie zeigen:_Oberflächen.

Die Technik, die Barriball verwendet, ist keineswegs neu oder überraschend. Die Surrealisten, allen voran Max Ernst, nannten sie Frottage. Man lege ein Blatt Papier auf ein Objekt mit interessanter Oberflächenstruktur, fahre mit Bleistift darüber, schon entsteht der Abdruck. Der Rest ist Geduld. Bleiftift um Bleistift habe sie verbraucht, sagt Anna Barriball zu «Brick Wall», das als Leihgabe der renommierten Tate Collection im Pasquart hängt. Wiederholt wird beim Medienrundgang durch die Ausstellungen darauf hingewiesen, wie viel Fleiss, Arbeit, Ausdauer in den Werken stecke. Es klingt wie eine Rechtfertigung angesichts der zahlreichen Frottagen, die in der Reihung repetitiv wirken.

Gut geölte Karriere

Das Machen als Motor des künstlerischen Schaffens bestimmt auch das Vorgehen des Bieler Kollektivs Linus Bill und Adrien Horni. Und auch in ihren Arbeiten geht es ausschliesslich um Oberflächen. Fotograf Bill und Grafiker Horni, beide Jahrgang 1982, arbeiten seit 2012 im Team. Die Gestaltung eines Buches hat die beiden zusammengeführt. Die zielorientierte, technisch gestützte Herangehensweise, die mit einer sachbezogenen Gestaltungsaufgabe einhergeht, bestimmt auch ihre künstlerische Arbeit. Die abstrakten Bilder von Bill und Horni spielen mit der Copy-and-Paste-Kultur. Damit treffen die beiden jungen Männer offenbar den Zeitgeschmack. Ihre Karriere wird in regelmässigen Abständen durch Preise, Werkbeiträge, Atelierstipendien geölt. Zuletzt wurden sie 2015 mit dem Kulturpreis der Stadt Biel ausgezeichnet.

Die aktuelle Serie «Heredity Paintings» entstand auf der Basis von drei Fotos. Drei Fotos von drei Werken aus dem Atelier von Linus Bill und Adrien Horni, mit denen die beiden Künstler nicht zufrieden waren. Diese Fotos schickten sie einander zu, von Computer zu Computer. Eine Art Pingpong-Match, wie Adrien Horni sagt, bei dem die digitalen Bilder immer wieder modifiziert wurden. Bis sie schliesslich in Farbe und Leinwand umgesetzt wurden. Die Bilder hängen in der Salle Poma. Als Pointe auf die anhaltenden Diskussionen um Originale und Fälschungen im Digitalzeitalter. Eine Pointe allerdings, die nicht mehr so recht zieht. Auch wenn Bill und Horni ihre bildnerischen Verfahren immer wieder leicht ändern, die Grundidee bleibt: Erst kommt das digitale Abbild, dann das analoge Bild. Diese Bilder haben alle eine gewisse Ähnlichkeit miteinander (die Künstler sprechen gern von Familienähnlichkeit) und verweisen in erster Linie auf sich selbst. Das ermüdet.

Wenn man die Salle Poma wieder verlässt, wünscht man sich zur Abwechslung eine Kunst, die auch über anderes sprechen kann, als nur über sich selbst. Die Themenschau «Everything we do is Music» könnte ein prima Kontrastmittel sein. Das Sujet ist spannend, untersucht die Schau doch, wie klassische indische Musik bildende Künstlerinnen und Künstler beeinflusst hat. Allerdings ist die Ausstellung, die von indischen Miniaturen aus dem 17. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Zeichnungen, Gemälden und Videos aus aller Welt reicht, sehr verdichtet. Sie verlangt Geduld und grosses Interesse. Die Schau wurde, für das Kunsthaus Pasquart unüblich, komplett und ohne Änderungen von einem Ausstellungsraum in London übernommen. In Biel wirkt sie ein wenig wie ein Lückenbüsser, der zwischen Anna Barriball und Linus Bill und Adrien Horni geschoben wurde. Die beiden Bieler Künstler, so wurde am Medienrundgang freimütig berichtet, wollten ausschliesslich die Salle Poma bespielen.

Info:_Die Ausstellungen werden heute ab 17 Uhr eröffnet und dauern bis 10. Juni. Kunsthaus Pasquart, Seevorstadt 71. www.pasquart.ch.

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