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Musik

«Heute erlaube ich mir Hosen, wenn ich Lust habe. Ich erlaube mir alles»

Die Schlagersängerin Francine Jordi veröffentlicht ein Best-of-Album mit vier neuen Songs. Ein Gespräch über das Älterwerden, die Liebe und ihren Hund Theo.

Bild: Raphael Moser

Interview: Martin Burkhalter

Francine Jordi, es tut mir leid, aber wir müssen über das Alter reden. Stört Sie das?

Francine Jordi:  Nein, sont hätte ich nicht einen Song geschrieben, der "Ab 44" heisst. Ich finde es schön, diese Entwicklung durchmachen zu dürfen. 

 

Das Älterwerden?

Ja. Ich möchte nicht mehr 20 oder 25 sein. Ich finde wahnsinnig spannend, was jetzt passiert, wie sich das Leben mit 44 anfühlt.

 

Und? Wie fühlt es sich an?

Man kann noch alles, aber man muss nichts mehr. Man kennt sich besser, man kann näher bei sich sein, man steht viel fester im Leben und ist nicht mehr so fremdbeeinflusst.

 

Wie meinen Sie das?

Bis etwa 15-jährig ist man von den Eltern beeinflusst, später von der Umgebung und den Freunden, dann kommt plötzlich die ganze Welt mit ihren Erwartungen. Es ist einfach nur wunderschön, den Weg zu sich zurückzufinden.

 

Im Song «Ab 44» kommt der Satz vor: «Eine neue Rolle für das alte Ich.» Was meinen Sie damit?

Wenn man nichts mehr unbedingt sein muss, kann man viel entspannter auch neue Dinge ausprobieren. Man darf scheitern, und das gibt einem eine neue, ungeahnte Freiheit. Die Welt steht einem offen.

 

Sie sind freier geworden.

Ja, viel! Und vor allem gelassener. Die Selbstliebe wächst mit jedem Tag. Früher habe ich mich immer untergeordnet, habe den Erwartungen entsprochen. Ich trug auf der Bühne Röcke, obwohl mir manchmal Hosen lieber gewesen wären. Heute erlaube ich mir Hosen, wenn ich Lust habe. Ich erlaube mir alles.

 

«Das Leben sortiert sich», singen Sie im Refrain. Was hat sich sortiert?

Ich setze Prioritäten.

 

Und die wären?

Familie, Freunde, mein Job. Ganz zuvorderst – und das ist nicht egoistisch gemeint – komme ich. Nur wenn es mir gut geht, kann ich auch meinem Umfeld positive Energie abgeben. Wer sich immer nur für andere aufopfert, dem geht irgendwann die Luft aus.

 

Verklären Sie das Älterwerden jetzt nicht auch ein bisschen? Vermissen Sie nicht etwas am Jungsein?

Doch. Die Beweglichkeit. Ich bin unglaublich steif geworden (lacht). Und ja, was ich vermisse, ist diese jugendliche Unbeschwertheit, einfach draufloszuleben.

 

Auf Ihrem neuen Album gibt es auch den Coversong «Voyage, voyage» von Desireless aus dem Jahr 1987, den Sie auf Deutsch singen. Sie sind wehmütig, geben Sies zu.

Das hat nichts mit einer Sehnsucht nach Jugend zu tun. Ich finde, der Song passt vor allem perfekt in die Coronazeit, als wir nur vom Reisen träumen konnten. Und jetzt öffnet sich alles langsam wieder, der Spass kehrt zurück.

 

In diesem Lied schwingen aber schon auch die wilden 80er und 90er mit. Die haben Sie auch mitgemacht?

Natürlich. Ich habe nichts ausgelassen (lacht). Auch ich hatte meine wilden Jahre, als ich das ganze Wochenende auf Partys war und erst am Sonntagabend schlafen ging. Das gehört dazu. Wäre doch schade, wenn ich das nicht erlebt hätte. Aber alles hat seine Zeit.

 

«Voyage, Voyage» ist allerdings ein Popsong. Werden Sie mit der Zeit langsam zur Popmusikerin?

Nein, das möchte ich nicht. Der Schlager ist halt heute ein bisschen poppiger. Aber nein, ich möchte beim Schlager bleiben, das ist meine Heimat. Ich hätte nie in die Popbranche gewollt. Das ist nicht meine Welt.

Sind Sie eigentlich ehrgeizig?

Mir gegenüber schon, ja. Wenn ich etwas mache, will ich es gut machen. Dann bin ich sehr streng mit mir. Ich will immer das Beste geben. Deshalb nehme ich zum Beispiel auch immer noch regelmässig Gesangsstunden.

 

Hat dieser Ehrgeiz Sie so weit gebracht?

Ja, sicher auch. Singen ist meine Leidenschaft. Dass ich das als Job machen darf, ist eines der grössten Geschenke überhaupt. Aber diese Branche verlangt einem auch sehr viel ab. Wenn ich auf Promo-Tour bin, arbeite ich regelmässig 18 Stunden am Tag. Das ist einfach so. Das muss man schon auch wollen.

 

Es gibt noch einen anderen neuen Song auf Ihrem Album, der eine etwas indiskrete Frage aufwirft. «Crazy» heisst er. Er handelt so sehr vom Verliebtsein, dass ich fragen muss: Sind Sie verliebt?

Immer. In das Leben (lacht).

Sie haben ihn nicht für jemand Bestimmtes geschrieben?

Er ist mitten in der Coronazeit entstanden. Also genau dann, als man nur zu Hause sitzen konnte und niemanden treffen durfte. Ich hatte das starke Bedürfnis auszubrechen. Und was gibt es Besseres, als frisch verliebt mit Schmetterlingen im Bauch eine ganze Nacht durchzutanzen? Sagen wir es so: Wenn die Schmetterlinge jetzt kämen, würde ich sie nehmen.

 

Aber es sind keine Schmetterlinge da?

Nein, sie sind gerade im Puppenstadium.

 

Sind Sie gerne Single?

Nein, ich bin nicht gerne Single, aber ich bin ein zufriedener Single. Es scheint im Moment einfach nicht die Zeit für eine Partnerschaft zu sein. Ich muss da auch nichts erzwingen. Die Liebe wird mich finden, wenn die Zeit reif ist. Ich muss nicht suchen. Ich bin glücklich und führe ein glückliches Leben.

 

Sie haben einen Hund.

Ja, schon seit zehn Jahren. Es ist bereits der zweite. Er heisst Theo.

 

Böse Zungen könnten sagen, er sei eine Art Ersatz.

Ist er nicht, weil ich ja nicht seit zehn Jahren Single bin (lacht). Aber klar, mein Hund ist auch ein Familienmitglied, er ist ein wichtiger Partner, er ist mein Fitnesstrainer und einer meiner besten Freunde. Er wertet nicht, er nimmt mich so, wie ich bin. Ich lerne viel von ihm.

 

Was zum Beispiel?

Ein Hund lebt nur in der Gegenwart. Er hadert weder mit der Vergangenheit noch mit der Zukunft – anders als wir Menschen, die immer irgendwo sind, nur fast nie ganz im Hier und Jetzt. Ein Hund kann sehr inspirierend sein.

 

Das neue Album ist ein Best-of mit vier neuen Songs. Was kommt danach? Haben Sie während der Pandemie viele neue Songs geschrieben?

Nein, ich habe tatsächlich fast nichts gemacht. Deshalb weiss ich gerade nicht, was danach kommt. Wie ein Hund konzentriere ich mich jetzt erst mal nur auf die Gegenwart, auf das jetzige Album. Ich lasse mich überraschen, wohin es mich nachher treibt.

 

 

Vielseitiges
neues Album

  • Am 13. August erscheint Francine Jordis neues Album. Es ist ein Mix aus Best-of, unveröffentlichten Liedern und vier neuen Songs. Darunter die Coverversion des Songs aus dem Jahr 1987: «Voyage, voyage» von Desireless.
  • Ein weiterer neuer Titel heisst «Ab 44» und ist eine Hymne auf das Leben und das Älterwerden.
  • Ausserdem versammelt «Herzfarben» einige Kollaborationsperlen aus Francine Jordis Vergangenheit – etwa «Träne» mit Florian Ast, «Das Feyr vo dr Sehnsucht» mit dem Jodlerklub Wiesenberg und das Duett «Proud Mary» mit Stefanie Heinzmann. mbu

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