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Comedy

Hyggelig mit Hazel

Die Komikerin Hazel Brugger erhält Morddrohungen wegen ihrer Kritik an Impfgegnern. Hat sie den Auftritt in Biel also zur scharfzüngigen Replik genutzt?

Hazel Brugger: "Du hast mich wohl nicht mit dem Tod bedroht", sagt sie zum Kletterer im Publikum. Bild: zvg

Tobias Graden

Sie erhielten nicht nur «den üblichen Quatsch», schrieb Thomas Spitzer letzte Woche auf Twitter, «sondern auch ganz konkrete Pläne, wo Leute detailliert beschreiben, wie genau sie uns umbringen werden». Spitzer ist Bühnenpartner und Ehemann der Schweizer Komikerin Hazel Brugger, Vater ihres gemeinsamen Kindes. Das Paar sieht sich mit konkreten Morddrohungen konfrontiert. Es werde dagegen vorgehen, schrieb Spitzer weiter, es gehe dabei nicht nur um Morddrohungen, sondern gar um Mordankündigungen.

Ausgesprochen werden diese Drohungen offenbar von radikalen Impfgegnern. Der Ursprung: Brugger und Spitzer treffen sich privat nur noch mit Menschen, die gegen das Coronavirus geimpft sind, und sie tun das auch öffentlich kund. Ohnehin hält Brugger mit ihrer Meinung zur Impffrage nicht zurück: «Scheinbar klingt das Wort IMPFEN einfach zu hässlich für die poesie-verwöhnten deutschsprachigen Ohren oder wo ist das Problem», twitterte sie beispielsweise vor einigen Tagen. Zu viel für die Radikalen unter den Impfgegnern: «Hazel muss kommende Auftritte, wenn sie überhaupt noch durchgeführt werden können, wahrscheinlich unter Personenschutz spielen», kündigte Thomas Spitzer letzte Woche an.

Bei Impfgegnern war sie schon

Stand der Auftritt von Hazel Brugger in Biel also auf der Kippe? Offenbar nicht. Sicherheitsmassnahmen traf der Veranstalter Kartell Culturel allerdings schon. Der sichtbare Teil davon besteht am Samstagabend in einem Security-Mitarbeiter, der beim Einströmen des Publikums im Foyer steht, breitbeinig, die Arme verschränkt.

Hazel Brugger kann auf eine breite Fanbasis zählen. Das Nebia ist an diesem Abend nicht ganz voll, aber gut besucht. Anders als bei anderen Bühnenkünstlern, scheint die Zertifikatspflicht bei Hazel Brugger das Publikum nicht im Übermass abzuhalten. Diesem dürfte die Haltung der Künstlerin in der Impffrage ohnehin längst bekannt sein. Als hätte sie die kommenden Ereignisse vorausgesehen, stattete Hazel Brugger im Mai 2019 für die satirische «Heute-Show» des ZDF einem Heilpraktiker-Kongress einen Besuch ab. Den Beitrag, in dem sie ihre Gesprächspartner mit vermeintlich naiven Fragen vorführte, begann sie mit den Worten: «Sie sind überzeugt, wissenschaftsfeindlich und sie werden immer mehr: Impfgegner.»

Würde Brugger also ihr jetziges Programm zu einer bissigen, scharfzüngigen Breitseite gegen Impfgegner nutzen?

Gefährliches Tindern

Die Morddrohungen jedenfalls spricht sie gleich ziemlich zu Beginn an. Sie sei doppelt geimpft, sagt sie, weswegen sie Mitteilungen des Inhalts bekomme: «Ich töte dich». Ihre Pointe dazu: «Den Booster hole ich mir wohl noch nicht …»

Einige Male streut sie im Laufe des Abends das Thema ein. Als sie einen Mann im Publikum in ein Gespräch über sein Hobby – das Klettern – verwickelt und dieser sagt, es sei ganz ok, wenn jemand mit seiner Leidenschaft nichts anfangen könne, lobt sie ihn für seine Toleranz: «Du hast micht wohl nicht mit dem Tod bedroht.» Schärfer wird es in der kurzen Auslassung über die Dating-App Tinder, die sie als Verheiratete «offiziell» zwar ohnehin nicht benutze, dies in ihrem Fall derzeit aber auch gefährlich wäre: Wenn sie sich dort als doppelt Geimpfte ausgäbe, kämen sicherlich Rückmeldungen à la «ich bumse dich zu Tode».

Aber das Leben besteht nicht nur aus Impfen und Corona, besonders jenes von Hazel Brugger nicht. Sie ist bekanntlich seit einigen Monaten Mutter einer Tochter, und dieser Umstand beeinflusst nicht nur ihr Leben ziemlich stark, sondern auch ihr Programm. Von den Widrigkeiten der sozialen und politischen Gegenwart geht es also alsbald ins zeitlos Hyggelige des Elternseins, das so gemütlich allerdings nicht ist: Wenn sie ohne Kind im Zug sei und es sei ein anderes Kind da, das schreie, dann werde sie fuchsteufelswild und schreie ihrerseits: «Hey! Ich hab’ jetzt frei!»

Globi und sein Schnäbeli

Um diese Zumutungen für junge Familien geht es dann in einem guten Teil des Programms. «Kennen Sie diese Frau?» heisst es, und es liefert sozusagen die mattere, abgegriffene Rückseite der Medaille, deren glänzende Vorderseite aus der Berichterstattung des Boulevards über das Promi-Paar besteht. «Neo-Mami Hazel will weitere Kinder», lautete eine Schlagzeile im August – am Samstag darf dies durchaus bezweifelt werden: Das Schönste an der Geburt sei doch die PDA, meint Brugger, diese wirke wie eine Droge und sollte auch im Alltag vermehrt eingesetzt werden. Derart Anekdotisches ist jenen, die selber Eltern sind, sattsam bekannt. Raffiniert wird es dann, wenn so etwas wie Kapitalismuskritik durch die Hintertür reinkommt, respektive durchs Ladekabel: «Meine Brustpumpe hat das gleiche Ladekabel wie mein Smartphone.»

Am besten ist Hazel Brugger aber dann, wenn sie an ihre Poetry-Slam-Wurzeln andockt und in der «Zugabe» eine Improvisation über Globi absurd ausufern lässt. Diesem drohte nämlich Ungemach, sollte ihn die Me-too-Debatte erreichen, zumindest müsste er seinen Anmachspruch überdenken, der da geht: «Ich bin en Vogel; ich han en Schnabel. Wettsch emal mis Schnäbeli gseh?»

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