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Musik

«Ich fühle mich verpflichtet, von meinem Glück weiterzugeben»

Morgen und übermorgen finden im Kulturzentrum La Prairie in Bellmund drei besondere Veranstaltungen statt. Sie tragen die Handschrift des neuen künstlerischen Leiters Oliver Schnyder.

Bild: zvg

Annelise Alder

Tandem – so heissen zwei Veranstaltungen morgen und übermorgen im Kulturzentrum La Prairie in Bellmund. Im Konzertsaal trifft das bekannte Oliver Schnyder Trio auf zwei junge Nachwuchskünstlerinnen und -künstler. Gemeinsam machen sie Musik. «Das ist wie ein angewandter Meisterkurs», sagt Oliver Schnyder, der neue künstlerische Leiter des Kulturzentrums und Initiant der Tandem-Konzerte. In einem traditionellen Meisterkurs doziert der Meister dem Jungstar, wie etwas richtig zu spielen sei. Bei den Tandem-Konzerten ziehen alle Beteiligten am gleichen musikalischen Strick. «Die jungen Musiker erfahren in der gemeinsamen Arbeit mit etablierten Künstlerinnen, dass diese auch nur mit Wasser kochen», erzählt der international gefragte Pianist. Die Probleme, die sich in der musikalischen Umsetzung einer Notenpartitur stellen, seien nämlich für alle gleich. Doch haben ältere Künstlerpersönlichkeiten mehr Erfahrung im Umgang damit und vermitteln dies den jüngeren weiter.

Die Idee überzeugt, zumal das Publikum am Erarbeitungsprozess teilhaben kann. Die Proben zu den Tandem-Konzerten sind nämlich öffentlich. Interessierte können mitverfolgen, wie an einem musikalischen Übergang getüftelt oder an der Klangbalance zwischen den Instrumenten gefeilt wird.

«Die öffentlichen Proben sind für uns auch eine Art Test. Wenn sie auf Interesse stossen, werden wir sie in Zukunft als festen Programmpunkt einführen.» Dann gibt es auch nächstes Jahr Gelegenheit, die letzten Probenarbeiten vor einem Konzert mit zu verfolgen. «Wir möchten jeweils zwischen Weihnachten und Neujahr eine Art Mini-Festival etablieren.» Öffentliche Proben mit anschliessenden Konzerten, präsentiert von Meistern und werdenden Meisterinnen ihres Fachs.

 

Wie künstlerische Nachhaltigkeit am besten funktioniert

Oliver Schnyder ist auch ein erfahrener Konzertveranstalter. Er weiss nur zu gut, dass neue Formate ihre Zeit brauchen, bis sie beim Publikum Anklang finden. Mit Piano District betreut er eine eigene Klavierreihe in Baden. «Es dauerte zwei bis drei Jahre, bis sich die Konzertreihe etabliert hat.» Erst dann könne man mit ausverkauften Konzerten rechnen.

Am Prinzip des Tandem-Konzerts wird er so oder so festhalten – und es sogar ausbauen, ob mit oder ohne öffentliche Proben. Für die nächste Saison hat er bereit mehrere international bekannte Stars für ein Engagement ans Kulturzentrum La Prairie verpflichten können, darunter die Cellisten Christian Poltéra und Daniel Müller-Schott oder das Trio Wanderer. «Sie unterstützen die Idee und sind bereit, für weniger als ihr übliches Honorar nach Bellmund zu kommen.» Auch weil sie von dieser Art der Förderung profitieren würden. Die Jungen können durchaus als künstlerischer Ansporn dienen. Zudem könne es gut sein, dass die Arrivierten über diesen Weg auf eine junge Pianistin stossen oder einen Violinisten entdecken, mit denen sie in Zukunft weiterarbeiten möchten. Damit sichern sie ihre eigene Karriere und auch die der Nachwuchskünstler. Das ist künstlerische Nachhaltigkeit im besten Sinne.

Der musikalische Nachwuchs liegt Oliver Schnyder sehr am Herzen. Das ist auch an seiner Biografie abzulesen. So war er unter anderem Intendant am Davos Festival – Young Artists und er hat vor Kurzem eine Tournee zusammen mit dem Schweizer Jugendsinfonieorchester anlässlich seines 50-Jahr-Jubiläums bestritten. «Ich war auch in der Jury der letzten Ausgabe des Studienpreises des Migros Kulturprozent». Bei diesem habe der Cellist Samuel Nieder-
hauser als Gewinner einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Was treibt ihn an? «Ich selber hatte das Glück, dass ich im richtigen Moment auf die richtigen Menschen traf.» Die Konstellation verhalf ihm zu einer einzigartigen Karriere. Oliver Schnyder tritt in den grössten Konzertsälen der Welt auf und arbeitet mit namhaften Orchestern und Dirigenten zusammen. «Ich gehöre zu den wenigen Privilegierten, die von ihrem Künstlerdasein leben können.» Er fühle sich deshalb verpflichtet, dieses Glück weiterzugeben.

Gerne hätte er eine Professur an einer Hochschule angenommen. «Das Unterrichten beschäftigt mich sehr.» Weil es damit nicht geklappt hat, suchte er sich andere Wege, um den Kontakt zum musikalischen Nachwuchs beizubehalten und diesen zu fördern. Die Aufgabe als künstlerischer Leiter des Bellmunder Kulturzentrums empfinde er deshalb wie ein «Ventil» für seine Mission.

Für die nächsten Jahre sind ein paar Anpassungen im Programmkonzept des Kulturzentrums geplant. So möchte er die «Schubladen» weglassen. Die Konzerte sollen nicht mehr mit «Jeunesse» oder «Excellence» betitelt werden, weil meist beide Aspekte gleichzeitig betont werden. «Die jungen, exzellenten Musikerinnen werden von künstlerischen Mentoren betreut, die ihre Exzellenz seit Jahren unter Beweis gestellt haben.»

Für Oliver Schnyder ist das Kulturzentrum wie ein Laboratorium. Es stehe an einem dafür passenden Ort: Nicht mitten in einer Metropole, sondern draussen auf einer Wiese mit Blick in die Weite. «Es eignet sich deshalb bestens, um neue Sachen auszuprobieren.» Dazu gehöre auch eine sanfte Erweiterung des Repertoires.

Neue Musik wird vermehrt zu hören sein, auch wenn Ängste davor vorhanden seien. «Deshalb ist es enorm wichtig, darüber zu sprechen.» So sind in Zukunft vor jedem Konzert Einführungen zu erwarten. «Ich mache das wenn möglich immer auch vor meinen Auftritten.» Seine Erfahrung habe gezeigt, dass das Publikum «begierig» darauf sei.

 

Die Musik von Bach hat über die Pandemie hinweggetröstet

Es ist also frischer Wind im alt-ehrwürdigen La Prairie zu erwarten. Am Zweck des von der Stiftung Thiébaud-Frey getragenen Kulturzentrums wird sich nichts ändern. Die Förderung junger Musikerinnen und Musiker im Bereich der klassischen Musik ist festgeschrieben. Die Voraussetzungen dazu sind seit der Eröffnung des neuen Konzertsaals im Jahr 2016 ideal. «Es ist ein Weltklasse-Saal», schwärmt der Pianist, der darin mit seinem Trio aufgetreten ist und auch schon CD-Aufnahmen getätigt hat.

Am Mittwochmorgen wird Oliver Schnyder auch als Solist zu hören sein: Er spielt Johann Sebastian Bachs «Goldbergvariationen». «Das Werk hat mir über die Pandemie hinweggeholfen.» Auch er litt also wie so viele andere Kulturschaffende unter dem weltweiten Kultur-Lockdown. Doch hat er die Zeit produktiv nützen können und das Ergebnis bereits mehrfach öffentlich präsentiert. «Ich habe die Variationen bereits 15-mal in Konzerten präsentiert.»

Mit Oliver Schnyder leitet künftig daher nicht nur ein engagierter und erfahrener Kulturmanager die Geschicke des Kulturzentrums, sondern auch eine bestens vernetzte und erfahrene Künstlerpersönlichkeit.

Info: Oliver Schnyder Trio mit Amelia Maszońska (Violine) und Manuel Nägeli (Bratsche) spielen Werke von Mozart, Brahms, Schostakowitsch und Schumann. Morgen und am Mittwoch, öffentliche Proben von 10 bis 17 Uhr, Konzerte jeweils um 19.30 Uhr (morgen) und 19 Uhr (Mittwoch). Zudem am Mittwoch, 11 Uhr: Oliver Schnyder spielt die «Goldbergvariationen» von Johann Sebastian Bach. Weitere Informationen und Tickets unter www.laprairiebellmund.ch

Stichwörter: Kultur, Aufführung, Bühne, Kunst

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