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Krimi

«Ich habe Zweifel an ihrer Schuld»

Der ehemalige Journalist Mathias Ninck lässt die Parkhausmörderin in der Region Biel ihr Unwesen treiben. Und stellt in seinem Roman «Mordslügen» die These auf, der damalige Fall sei ein Justizskandal.

Justizirrtum oder Spiele einer Psychopathin? Der ehemalige Journalist Mathias Ninck beschäftigt sich in seinem Roman «Mordslügen» mit der «gefährlichsten Frau der Schweiz», wie der «Blick» die junge Parkhausmörderin damals nannte. Bild: zvg/MN

Interview: Clara Gauthey

Mathias Ninck, Sie haben in ihrem Roman «Mordslügen» einen alten Kriminalfall neu aufgerollt. Die «Parkhausmörderin» Caroline H., verurteilt 2001 für die Morde an zwei Frauen und einen versuchten Mord, sieht ihrer Hauptfigur Sandra Dubach zum Verwechseln ähnlich. Haben Sie, so wie der Journalist Busche im Roman, Zweifel an ihrer Schuld?

Mathias Ninck: Ja, die habe ich. Ich habe das Thema anfangs als Journalist recherchiert, das säte meinen Zweifel. Dann habe ich mich von der Vorstellung, das aufzuschreiben, verabschiedet.

Weshalb?

Das war zunächst ein interessanter Mordfall, eine 18-Jährige ersticht 1991 mitten am Tag eine fremde Frau im Zürcher Parkhaus Urania, ihr Geständnis kommt Jahre später. Schon damals zweifelten einige an diesem Geständnis. Und dann kam ein Informant zu mir, der relativ glaubwürdig die These gebracht hat, dass hier in einem, vielleicht aber auch in allen drei Fällen falsche Geständnisse vorgelegen hätten. Das hat diese ohnehin schon interessante Geschichte rund um Caroline H. erst richtig interessant gemacht. Denn würde das stimmen, dann wäre das ja ein ausgewachsener Justiz-Skandal ...


Aber diesen Verdacht konnten Sie letztlich nicht erhärten?

Ich habe meine Recherche mehr als ein Jahr auf Eis gelegt. Irgendwann war ich mit dem sogenannten «wahren» Täter konfrontiert gewesen, in meinem Roman heisst er Manu. Und da hatte mir jemand, der diese Person gut kennt, gesagt: Lass die Finger davon, der ist brandgefährlich. Das hat mich schon beeindruckt. Gleichzeitig war der Stoff einfach gut und hat die ganze Zeit in mir weiterrumort. Und so habe ich mich schliesslich entschieden: Ich löse mich von allem. Von den Fakten. Von diesem Manu. Dazu kam etwas ganz Profanes: Ich hatte meinen Job als Journalist aufgegeben und konnte also diese Story nirgends mehr publizieren.

Haben Sie es sich nicht sehr leicht gemacht, indem Sie den Stoff fiktionalisiert haben?

Vielleicht. Ich sah einfach die Chance, aus dem Stoff einen Roman zu machen. Und in einem Roman kann man hinzufügen, was fehlt, und wegräumen, was stört. Grossartig!

Wollten Sie mit der Publikation etwas erreichen?

In der Frage, ob die Parkhausmörderin unschuldig ist? Nein. Mich faszinieren falsche Geständnisse, die gibt es ja relativ häufig. Und ich finde die Welt des Justizvollzugs spannend und die Welt der Medien, in diesen Welten bewegen sich die Figuren im Roman.

Weshalb haben Sie sich vom Journalismus abgewandt?

Mit zunehmendem Alter bekam ich Probleme damit, immer mit dem Schiessscharten-Blick des Journalisten auf die Welt zu schauen. Immer die Frage: Ist das nicht vielleicht eine Story? Immer entscheiden müssen: «Dieser Politiker ist gut, jener ist schlecht», Grautöne sind im Journalismus weniger gefragt. Mit zunehmendem Alter habe ich es eindeutig mehr mit den Grautönen als mit Schwarz-Weiss. Zugleich hatte sich der Journalismus beschleunigt, das lange Feilen am Text war nicht mehr so gefragt. Dazu kam eine innere Entfremdung, wenn ich nach links und rechts schaute, sah ich Kollegen, bei denen ich dachte: Wie kann man nur?

Wie kann man nur was?

Naja, was heute häufig vorkommt, die schreiben beispielsweise eine Story mit Zitaten eines Politikers. Mit dem Politiker haben sie zwar nie gesprochen, aber das ist egal, sie schicken am Ende einfach die Zitate zum Autorisieren. Oder sie schreiben über eine Hochzeit und an dem Tag ist grad hundsmiserables Wetter, dann bleiben sie im Hotel und denken sich das aus. Ist ja weit weg, merkt eh keiner.

Dann meinen Sie also, die Claas Relotiusse dieser Welt sind häufiger als gedacht?

Ja, nicht unbedingt in dieser Fallhöhe, aber der steigende Druck führt schon zu solchen Dingen und grenzwertigen Anpassungen. Als ich jung war, konnte ich dem Chef noch sagen: Ich habe jetzt einen halben Tag recherchiert, die Geschichte ist leider nichts. Heute muss der arme Journalist oft trotzdem raus damit. Irgendwie muss die Story hingebogen werden.

Sie haben sich einst im «Magazin» für den offenen Vollzug des x-fachen Vergewaltigers Marcus Wenger stark gemacht. Trotz Fussfesseln vergewaltigte er dann drei weitere Frauen. Wie haben Sie sich da gefühlt?

Das war der Schock meines Lebens. Der «Blick» schrieb sinngemäss, ich sei mitschuldig an dieser Vergewaltigung und hat mich ordentlich durch den Kakao gezogen. Ich hatte mich damals für den Rechtsstaat starkgemacht. Es gab den Entscheid einer Fachkommission, ein Gerichtsurteil, aufgrund dessen er hätte in den freien Vollzug wechseln sollen. Die zuständige Behörde sagte aber, den lassen wir drin. Da habe ich die Verantwortliche gefragt, wieso? Diese Kritik an der Behörde hat man mir dann um die Ohren geschlagen, klar. Das war eine schmerzhafte und lehrreiche Erfahrung.

Die einzige Grundlage, auf der man die Parkhausmörderin damals verurteilt hat, war ihr Geständnis. Es gab weder Zeugen, Beweismittel, noch Spuren, einfach nichts. Welcher Art waren die Ungereimtheiten Ihres Geständnisses?

Sie hat ihr Geständnis schon kurz nach dem Urteil widerrufen, wenn auch nicht offiziell. Eine Revisionsanweisung an den Anwalt gab es nie. Sie hat das nur ihrer Psychologin gegenüber gesagt. Und dann gab es zwar sogenanntes Täterwissen in ihrer Aussage, aber niemand weiss, ob ihr das in den langen, über Monate sich hinziehenden Gesprächen nicht suggeriert wurde. Kommt hinzu, dass einem niemand Einblick in diese Verhörprotokolle gewährt, so es sie überhaupt gibt. Ich weiss bis heute nicht, ob die vielen Gespräche mit ihr überhaupt aufgezeichnet wurden.

Haben Sie die Täterin persönlich getroffen?

Das darf ich nicht sagen.

Weshalb?

Es gibt Leute, die gewisse Dinge nicht in der Öffentlichkeit haben wollen. Auch der damalige Therapeut von Caroline H. hatte grosse Zweifel an ihrer ersten Tat, der wurde zurückgebunden, durfte sich nicht mehr äussern.

Auffällig ist, dass praktisch zeitgleich zum Erscheinen Ihres Romans ein Journalist der «Republik» ähnliche Recherchen zum Fall der «Parkhausmörderin» veröffentlichte. Haben Sie sich mit ihm ausgetauscht?

Anfangs nicht. Irgendwann erfuhren wir voneinander und so traf ich mich mit dem Journalisten Carlos Hanimann. Ich vermute, am Anfang stand bei uns derselbe Informant. Wir haben dann abgemacht, wir erzählen uns gegenseitig nicht, was wir haben. Aber wir haben uns natürlich ausgetauscht über die Glaubwürdigkeit verschiedener Auskunftspersonen und die Fallstricke bei dieser Recherche. Wir wussten irgendwann beide, letztlich können wir die Schuldfrage nicht befriedigend klären.

Stichwörter: Krimi, Roman, Mathias Ninck

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