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Popmusik

«Ich hatte mit 13 so viel zu sagen»

Nemo ist zurück: Nach zwei Jahren Pause veröffentlicht er den Song «Dance With Me». Der 21-Jährige singt jetzt Englisch und nennt sich gar nicht mehr Nemo – oder doch?

Not Nemo ist weiterhin auch Nemo: «Privat bleibe ich Nemo. Not Nemo ist mein Künstlername für das neue Projekt.»  copyright: matthias käser/bieler tagblatt
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Interview: Sarah Grandjean

Nemo oder Not Nemo: Wie soll ich Sie jetzt nennen?
Wie Sie wollen. Die Leute sagen mir noch immer Nemo, ich stelle mich auch so vor. Privat bleibe ich Nemo. Not Nemo ist mein Künstlername für das neue Projekt.

Also, Nemo: Wann wollten Sie zuletzt mit einer Person tanzen, die nicht mit Ihnen tanzen wollte?
Eine solche Situation hat es so noch nie gegeben, denn ich bin eher schüchtern. Ich bin noch nie auf jemanden zugegangen, habe gefragt: «Willst du mit mir tanzen?», und die Person hat Nein gesagt.

Um genau diese Situation geht es in Ihrem neuen Song «Dance With Me». Was ist die Idee dahinter?
Es geht mehr um den Gedanken: Der oder die würde nie mit mir tanzen. Vielleicht hat man die Person gar nie gefragt. Man denkt das einfach, weil sie einen nicht beachtet. Ich finde es zwar wichtig zu wissen, mit wem man keine Zeit verbringen will. Aber wir leben in einer Zeit, in der man das sehr schnell entscheidet. Die Message des Songs ist: Überlege dir besser, wieso du mit jemandem tanzen willst oder wieso nicht.

Was für Reaktionen haben Sie von Ihren Fans auf «Dance With Me» erhalten?
Sehr gute. Ich war gespannt, ob die Leute dem Song eine Chance geben. Finden sie es cool, dass ich etwas Neues probiere? Ich war überrascht von den vielen positiven Reaktionen. Ich habe keine Direktnachricht von jemandem bekommen, der das doof fand.

Auf Instagram und Youtube sind die meisten Rückmeldungen positiv. Bei einem 20Minuten-Artikel etwa klingen die Kommentare anders: Das neue Lied sei langweilig und austauschbar.
So was bin ich gewohnt. Mittlerweile lese ich solche Kommentare gar nicht mehr. 2019 habe ich einen Song herausgebracht, der heisst «Crush uf di». Er war sehr polarisierend und viele meiner Fans fanden ihn nicht cool. Am Anfang hat mich das sehr getroffen. Dann habe ich gemerkt, dass ich mich davon nicht so beeinflussen lassen darf. Auch nicht, wenn es in die andere Richtung geht und alle mega abfeiern, was ich mache.

Waren Sie aufgeregt, als Sie den Song herausgebracht haben?
Ja, schon. Seit drei Jahren bin ich mittlerweile an dem neuen Projekt dran. Es ist etwas ganz anderes, auf Englisch zu singen als auf Deutsch. Auch wenn die Persönlichkeit von Not Nemo die Gleiche geblieben ist, so hat sich doch der Charakter der Musik verändert. Ich fühle mich anders, wenn ich als Not Nemo auf Englisch singe.

Wieso singen Sie jetzt auf Englisch?
Ich habe das nicht vom einen Tag auf den anderen entschieden. Das war ein Ausprobieren. Ich habe schon vor den Mundart-Liedern englische Songs geschrieben. Dann ist der erste Mundart-Song herausgekommen und alles hat seinen Lauf genommen. Ich hatte mit 13 so viel zu sagen und Schweizerdeutsch war mir so nahe. Ich habe damals einfach gemacht, woran ich am meisten Freude hatte, und das war Mundart. Genauso war es vor drei Jahren mit Englisch. Ich brauchte eine neue Challenge. Ich bekam Freude am Englischschreiben, habe mich gefordert gefühlt, habe dadurch neue Leute kennengelernt.

Sie haben jetzt zwei Jahre Pause gemacht. Was ist in der Zeit passiert?
Vieles. Im Sommer 2018 war ich in Schweden, London, Berlin und Los Angeles. Dort habe ich Produzenten und Songwriter getroffen. Ich habe versucht, in kurzer Zeit mit möglichst vielen Leuten Musik zu machen. Das hat unglaublich Spass gemacht, aber das Resultat war nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Dazu ging alles viel zu schnell. Da sass ich für ein paar Stunden mit jemandem im Studio, den ich zuvor noch nie getroffen hatte. Den entstandenen Song fand ich vielleicht an dem Tag cool, aber eine Woche später merkte ich: Das bin nicht Ich.

Aber die Erfahrung hat Sie weitergebraucht?
Mega fest. Diese Sessions haben mir Selbstvertrauen gegeben. Bei meinen englischen Songs war ich nie sicher: Ist das gut, ist es nicht gut? Bei den Sessions habe ich gemerkt, dass die Leute cool finden, was ich mache. Dass ich als Songwriter und Produzent ernst genommen werde. Das hat mir viel Mut gegeben, diesen Schritt zu wagen.

Waren diese zwei Jahre auch eine Art Selbstfindung?
Ja. Ich habe viel Zeit damit verbracht, herauszufinden, wer ich bin und wer ich sein will. Ich stehe irgendwo zwischen diesen beiden Dingen. Ich finde es gut, zu dem zu stehen, was man ist. Aber daneben sollte Raum bleiben, um Neues zu lernen und zu wachsen.

Und, was haben Sie herausgefunden, wer Sie sein wollen?
Ich würde gerne weniger darüber nachdenken, was andere von mir denken. Nicht nur musikalisch, auch persönlich.

Sie setzen sich als englischsprachiger Popsänger einer viel grösseren Konkurrenz aus. Macht Ihnen das nicht Angst?
Nein. Über die Konkurrenz mache ich mir nicht gross Gedanken. Natürlich ist es jetzt viel schwieriger, herauszustechen. Aber ich erwarte auch nicht, dass in kurzer Zeit mega viel passiert. Ich sehe das entspannt: Solange ich Musik mache, an der ich Freude habe, stimmt das meiste für mich.

Glauben Sie, Ihre Fans hören Ihre Musik sowieso, egal ob Sie jetzt Schweizerdeutsch oder Englisch singen?
Natürlich mögen manche Leute lieber Mundart. Dafür kommen jetzt neue Hörer hinzu.

Neuer Name, neue Sprache: Man hat das Gefühl, Sie wollen mit Ihrer bisherigen Karriere abschliessen. Haben Sie rückblickend das Gefühl, Sie haben Fehler gemacht?
Sicher gibt es Dinge, die ich jetzt anders machen würde. Aber in dem Moment, wenn etwas passiert ist, hat es für mich immer gestimmt. Als 16-Jähriger habe ich meine Songs meinem Alter und meiner Persönlichkeit entsprechend geschrieben. Damals haben diese Songs so aus mir gesprochen, waren so sehr Ich, dass es richtig war. Wenn ich in zehn Jahren «Dance With Me» höre, werde ich wohl dasselbe sagen.

Also hat jedes Ihrer Lieder zu seiner Zeit gestimmt?
Ja, es sind Momentaufnahmen. Und Erinnerungen, auf die ich gerne zurückblicke. Wenn man etwas aus einem inneren Antrieb gemacht hat, und nicht, weil man dazu gedrängt wurde, gibt es nichts zu bereuen.

Gibt es vertragliche Hintergründe, dass Sie die neuen Songs nicht unter dem Namen Nemo veröffentlichen?
Nein, ich mache das mit demselben Label. Für uns musste einfach klar sein, dass jetzt etwas Neues entsteht. Ich brauche diesen klaren Bruch. Ich glaube, viele Leute haben noch immer dieses Bild von mir mit 16. Aber von 16 bis 21 macht man Einiges durch, man verändert sich. Es tut gut, etwas Neues auszuprobieren. Anstatt mich an etwas zu klammern, was ich nicht mehr ich bin.

Wollen Sie dieses Bild abschütteln, das manche noch von Ihnen haben?
Nein, es ist voll okay, wenn dieses Bild bleibt. Ich will das niemandem wegnehmen. Aber es soll auch eine Chance für andere sein, mich als mein jetziges Ich kennenzulernen.

Schreiben Sie vielleicht doch wieder mal Mundart-Hiphop?
Das kann durchaus sein. Selbst wenn ich mit meinen englischen Songs Erfolg haben sollte, möchte ich mich vielleicht mal wieder auf Deutsch auszudrücken. Wer weiss, vielleicht spiele ich auch mal wieder einen Mundart-Song als Zugabe.

Vermissen Sie die Aufritte?
Schon, aber ich bin ohnehin noch nicht bereit für eine Show mit dem neuen Projekt. Das macht erst Sinn, wenn ich eine gewisse Anzahl Songs habe. Ich will keine Mischung aus Nemo und Not Nemo.

Wann kommen weitere Lieder heraus? Oder gar ein Album?
Album ist noch keins geplant. Aber ich bringe sicher bald wieder einen Song heraus.

Stichwörter: Nemo, Popmusik, Mundartpop, Biel, Kultur

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