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«Ich lege keinen Seelenstrip hin»

53'000 Menschen lesen, was Pony M. mit viel Witz über die Liebe und das Leben in ihren Facebook-Kolumnen schreibt. Genauso pointiert spricht Yonni Meyer, die Frau hinter Pony M., über ihre Depression: «Eine gewisse Melancholie muss ich als Teil von mir akzeptieren.»

Die beliebte Kolumnistin Yonni Meyer alias Pony M. trägt ihr Herz auf der Zunge. Am 10. März hält sie in der Villa Lindenegg in Biel eine Lesung. zvg
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Interview: Esthy Rüdiger

Yonni Meyer, wie zufrieden sind Sie eigentlich mit den Abstimmungsresultaten?

Yonni Meyer: Mit den beiden Abstimmungen, die mir wichtig waren, bin ich sehr zufrieden: die Durchsetzungs- und die Heiratsstrafe-Initiative. Bei beiden war ich dagegen. Letztere hätte uns um Jahre zurückkatapultiert. Was die Durchsetzungsinitiative betrifft: Ich will keine Nazivergleiche ziehen. Aber: Gewisse Prozesse verlaufen in ähnlicher Struktur. Das muss nicht zum gleichen Resultat führen, aber irgendwann beginnt ein gefährlicher Trend. Es war eine Kreuzung, an der wir uns entscheiden mussten, wohin wir gehen wollen.

2014 spürten Sie direkte Demokratie am eigenen Leib: Beim SRF-Experiment «Ich, die Mehrheit» liessen Sie während dreier Wochen andere Leute alltägliche und gewichtigere Entscheidungen für Ihr Leben fällen. Hat das Projekt Ihr Demokratie-Verständnis verändert?

Ich wurde bereits durch meine Eltern und die Schule sehr politisiert, danach war es für mich aber lange kein Thema mehr. Mit dem Projekt habe ich mich wieder mehr damit auseinandergesetzt. Ich kam zum Schluss: Die direkte Demokratie ist etwas Grossartiges – aber auch gefährlich. Denn: Laien treffen Expertenentscheidungen. Ich komme an den Punkt, an dem ich selbst zu wenig weiss, um wirklich ein Urteil zu fällen. In diesem Fall enthalte ich mich bei Abstimmungen.

Wie sehen Sie als einflussreiche Kolumnistin denn Ihre Aufgabe bei politischen Themen?

Ich habe mich beispielsweise zur DSI geäussert. Dieser Text hat gesamthaft etwa 850 000 Leute erreicht. Die Resonanz war heftig: Es gab Drohungen und Wünsche, man möge mich und meine Kinder vergewaltigen. Mir war bewusst: Wenn ich mich derart exponiere, dann kommt viel zurück. Dennoch fand ich: Es ist nicht die Zeit, still zu sein. Ich habe diese Reichweite und dieses Sprachrohr erhalten und ich fühle mich verpflichtet, das zu nutzen.

Sie sind Psychologin, waren jahrelang in der Humorforschung tätig. Andererseits litten Sie an einer Depression. Ein starker Gegensatz.

Depression tritt ja in den allermeisten Fällen episodisch auf und nicht chronisch. Ich hatte zwei, drei Mal schwere Depressionen, war aber dazwischen wieder völlig zufrieden. Humor macht mich aus, ich war immer «die Lustige». Plus: Die Forschung selbst hatte eigentlich nicht viel mit Lustigsein zu tun. Das ist ernsthafte und wissenschaftliche Forschung, teilweise geradezu langweilig.

Sie haben Ihre Depression therapiert. Wie gehen Sie heute damit um?

Ich merke, wenn ich anfangen muss, aufzupassen. Wenn ich schlecht schlafe oder unzufrieden bin, muss ich auf mich Acht geben. Zudem muss ich eine gewisse Melancholie akzeptieren als ein Teil von mir. Es bringt nichts, dagegen zu kämpfen, weil ich dann gegen mich kämpfe. Diesen Teil von mir muss ich annehmen, dann kann ich auch achtsam sein.

Werden Depressionen in unserer Gesellschaft zu wenig thematisiert?

Ich finde es grossartig, dass sie immer mehr thematisiert werden. Denn es ist schwer zu verstehen, wenn man keinen persönlichen Bezug hat. Was man nicht sieht, kann man schlecht nachvollziehen. Ich kann den Leuten nicht vorwerfen, dass sie Depressionen nicht kennen. Schwierig finde ich eher, wenn sie sagen: «Reiss dich mal zusammen» und du erklären musst, dass dies eben genau eine Depression ausmacht: Man hat keine Kontrolle darüber. Ich habe das in meinen Texten versucht, zu vermitteln. Als Fachfrau und Betroffene kenne ich Theorie und Praxis. Es ist wichtig, achtsam miteinander zu sein, einmal nachzufragen macht nichts. Und jemandem, dem es schlecht geht, kann dies helfen.

Wie reagieren Ihre Leser auf solche Einträge?

Es gab tonnenweise grossartige Reaktionen. Leute die sagen: «Gottseidank sagt das mal jemand!» Viele fühlen sich verstanden. Es gab auch Menschen, die mir ihre Lebens- und Krankheitsgeschichte erzählt haben. Davon muss ich mich dann auch distanzieren, ich bin nicht ihre Psychotherapeutin. Ich schreibe online und mir folgen 52 000 Leute, ich kann nicht auf jeden einzeln eingehen. Aber ich bedanke mich für das Vertrauen und verweise sie auf entsprechende Anlaufstellen.

Sie sind keine Frühaufsteherin und in Ihren Arbeitszeiten völlig frei – schreiben Sie also die Nächte durch?

Nein, das habe ich nie gemacht. Ich schreibe meist nach dem Aufstehen zwischen zehn und elf Uhr. Also an «meinem Morgen». Dann habe ich die meisten Ideen. Dafür bin ich immer lange wach. Dieser Rhythmus funktioniert so für mich.

Könnten Sie sich noch einen gewöhnlichen Job zu Bürozeiten vorstellen?

(Lacht) Nein! Nur, wenn ich müsste. Die Internet-Welt ist flüchtig und ich weiss nicht, wie lange das alles anhält. Aber ich hoffe, ich kann noch lange von meinen Büchern, Lesungen und von der Comedy leben. Gleichzeitig bin ich froh, eine Ausbildung zu haben und theoretisch wieder als Psychologin arbeiten zu können. Momentan will ich das aber auf keinen Fall. Ich bin tatsächlich mit meiner Situation sehr verwöhnt und dafür auch sehr dankbar.

Von Depressionen bis hin zu Dating-Erfahrungen: Ihre Kolumnen sind sehr persönlich. Wo ziehen Sie die Grenze?

Ich glaube bei bestimmten Themen liegt meine Schamgrenze tiefer als bei anderen Menschen, etwa bei Depressionen. Ich kann nicht Psychologin sein und das Thema wie ein Tabu behandeln. Spannend ist aber: Viele Leute denken, sie kennen mich. Das stimmt so aber nicht. Es sind keine Details über mich in den Texten. Ich bin Single, also schreibe ich über das Singlesein. Aber ich würde niemals meine Freunde oder Dates exponieren. Oftmals wirkt es persönlicher als es tatsächlich ist. Ich lege keinen Seelenstrip hin.

Gäbe es denn auch Kolumnen zu Beziehungsthemen, wären Sie wieder in einer Beziehung?

Sicher nur in Absprache mit dem Partner. Das ist mir heilig – es soll sich nie jemand in meinen Texten exponiert fühlen. Dies gilt sogar für die Leserbrief-Kolumne, für die ich wirklich nur die dämlichsten Kommentare herauspicke: Ich verfälsche sie soweit, dass niemand merkt, wer es ist. Dafür übersetze ich die Kommentare teilweise auch in einen anderen Dialekt.

Pony M. ist eine Kunstfigur, die Sie geschaffen haben. Die Alltagsbeobachtungen, über die sie schreibt sind aber jene von Yonni Meyer – was unterscheidet denn die beiden?

Pony M. ist pointierter, schlagfertiger. Ansonsten war es kein Kalkül. Grundsätzlich wollte ich meinen Blog nicht Yonni Meyer taufen. Pony reimt sich auf Yonni und in Anlehnung an Bonnie M. ergab sich dann Pony M.

Bei Watson widerum schreiben Sie als Yonni Meyer. Wie entscheiden Sie, welcher Text wo erscheint?

Auf Watson sind es eher gesellschaftskritische Texte. Aber auch dort gibt es immer wieder lustige Texte. Es ist ein «Misch-Masch».

Hilft Pony M. Ihnen, distanzierter mit Kritik umzugehen?

Nein. Kritik an Pony ist auch Kritik an mir. Das war besonders am Anfang sehr schwer: Plötzlich hatte jeder eine Meinung über mich. Und ich lege eigentlich Wert darauf, mit allen gut auszukommen. Als sich Leute dann wirklich die Zeit genommen haben, ganze Pamphlete über mich zu verfassen, dachte ich wirklich: «Wow! Wie kann man mich so scheisse finden?» Insbesondere, weil ja alles freiwillig ist, niemand muss meine Texte lesen.

Wie gehen Sie denn heute mit Kritik um?

Die Leserbrief-Kolumne ist ein kleiner Teil – sie ist eine Sammlung von Kommentaren, die so daneben sind, dass es schon wieder lustig ist. Es gibt aber auch Kritik, die wirklich weh tut. Ich werde nie jemand sein, dem egal ist, was andere denken. Und es gibt durchaus Kritik die berechtigt ist. Das tut weh, aber es vergeht auch wieder.

Wie sieht eine Pony M. Offline-Zeit aus?

Ich habe seit Kurzem einen Schrebergarten! Und ich freue mich darauf, ihn diesen Sommer in ein Paradies zu verwandeln. Ich wuchs auf dem Land auf und habe nun eine Stadtwohnung ohne Balkon. Jetzt kann im Sommer mit meinen Freunden im Schrebergarten grillieren.

Am Ende deiner Kolumnen wünschen Sie Ihren Lesern jeweils «vill Liebi». Gibt es etwas, das sich Yonni Meyer ganz fest wünscht?

Au vill Liebi! (lacht) Liebe gibt es nie zu viel. Ansonsten bin ich momentan wunschlos. Das ist wohl einer der schönsten Sätze, die man sagen kann.

Info: Yonni Meyer liest am 10. März um 20 Uhr in der Villa Lindenegg in Biel. Der Eintritt ist frei, es sind keine Reservationen möglich.

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Zur Person

  • Yonni Meyer kam 1983 zur Welt und wuchs im Zürcher Weinland auf.
  • Als studierte Psychologin war sie lange in der Humorforschung tätig.
  • Im Juli 2013 begann sie, als Pony M. Facebook-Kolumnen zu schreiben.
  • 2014 machte sich Yonni Meyer als Schreibende selbstständig.
  • Meyer schreibt seither Kolumnen für Watson und die Huffington Post. Daneben schreibt sie weiterhin für ihren Facebook-Blog.
  • Im November 2014 erschienen Yonni Meyers Kolumnen im Buch «Vill Liebi».
  • 2015 folgte das Buch «Meh Liebi».
  • Seit 2015 ist sie auch als Stand-Up- Comedienne tätig. reu

Kommentare

Gulliver

Logisch unterstützt die Psychologin ausländische Kriminelle. Man will ja nicht gegen seinen Berufssektor stimmen. Was die DSI mit den Nazis zu tun hat weiss wohl nur die schlaue Pony. Ihre Depression behindert wohl lhre Wahrnehmungskraft für gewisse Dinge.


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